Im Reiche des silbernen Löwen III. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen III - Karl May

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soll ich das nicht?« fragte er im Tone des Erstaunens. »Werden wir etwa so, wie wir jetzt aussehen, hier stehen bleiben? Haben wir nicht soeben die Spur derer entdeckt, welche wir suchen? Werden wir ihnen denn nicht alles wieder abnehmen, was sie uns gestohlen haben? Und sind sie dann nicht ganz und gar in unsere Hände gegeben? O, Sihdi, von dir habe ich gelernt, an mich und dich zu glauben, und nun bist grad du es selbst, der keinen Glauben hat! Was soll ich von dir denken! Selbst wenn es aus allen anderen Gründen unmöglich wäre, an diesen Schurken Vergeltung zu üben, so ist doch diese eine Unthat, unser Pferd geschlagen zu haben, so ungeheuerlich, daß sich das Kismet[29] gezwungen sehen muß, uns diese Kerle auszuliefern! Also zweifle nicht! Ich weiß, was kommen wird. Paß auf, was ich jetzt thue!«

      Er schleuderte den Ast weit von sich und fügte dann hinzu:

      »So wie ich dieses Werkzeug des Verbrechens wegwerfe, so werde ich alle meine Güte und Gnade von mir werfen, wenn diese Spitzbuben mich um Schonung bitten! Sei so gut und komme mir dann ja nicht mit deiner wohlbekannten »Menschenliebe«, mit welcher du mir schon so manche unbezahlte Rechnung ausgestrichen hast! Ich will und werde mich rächen, und zwar so, wie ich mich noch nie gerächt habe. Jetzt komm! Wir wollen fort von hier! Wir dürfen keine Zeit versäumen, um Gericht zu halten über alle, die uns beraubt, belogen, betrogen und beleidigt haben!«

      Wir gingen, um dem Thale zu folgen, in welchem wir uns befanden. Mein Gesicht schien jetzt einen Ausdruck zu haben, der Halef nicht gefiel, denn dieser sah mich, während wir neben einander gingen, forschend an und sagte dann:

      »Du lächelst abermals und doch ist es kein Lächeln. Du lächelst zwar sehr deutlich, aber innerlich. Habe ich recht?«

      »Ja,« nickte ich.

      »So sag: Was kommt dir spaßhaft vor?«

      »Deine Ungnade.«

      »Die ist ganz und gar nicht lächerlich. Ich meine doch, daß du mich kennst, Sihdi!«

      »Ja, ich kenne dich!«

      »Nun? Weiter? Was willst du sagen?«

      »Dein Grimm will oft die ganze Welt verschlingen. Dann aber schleicht sich heimlich und leise dein gutes Herz heran, um diese ganze Welt verzeihend zu umarmen!«

      »So! Also so stark und so schwach bin ich in deinen Augen?«

      »Ja, aber nicht so, wie du es meinst, sondern umgekehrt: schwach im Grimme und stark in deiner Güte.«

      »Höre, Sihdi, ich will nicht mit dir streiten. Ich streite ja überhaupt nie mit dir, weil ich dir sonst zeigen müßte, daß du immer und immer unrecht hast. Und diese Kränkung will ich dir ersparen, denn ich bin dein wahrer Freund, und liebe dich. Aber dieses Mal muß ich dir doch sagen, daß du dich in mir täuschest. Es wird meinem Herzen nicht einfallen, geschlichen zu kommen, um hinter meinem Rücken meinen Grimm in Liebe zu verwandeln. Du denkst nie so scharf und empfindest nie so tief wie ich! Ich habe vorhin mit ganz besonderer Absicht gesagt: beraubt, belogen, betrogen und sogar auch noch beleidigt. Diese Beleidigung kannst du freilich nicht so ganz unten in der tiefsten Tiefe des Zornes fühlen wie ich, denn du bist ein Abendländer aus Dschermanistan[30], wo man es für höflich hält, das Heiligtum des Hauptes preiszugeben. Ihr grüßt, indem ihr dem Kopfe das nehmt, was an jedem Kopfe das Allerwichtigste ist, nämlich die Bedeckung. Ich aber bin ein Scheik des Morgenlandes aus der Dschesireh[31], wo man es für eine Schande hält, die ehrenvolle Würde des Scheitels zu entblößen. Wer mich zwingt, unbedeckten Hauptes zu erscheinen, der hat schlimmer an mir gehandelt, als wenn er mir hundert Ohrfeigen oder tausend Stockhiebe gegeben hätte. Er hat ein Verbrechen an mir begangen, welches ihm zu verzeihen mir ganz unmöglich ist. Nun schau mich an! Was siehest du? Oder vielmehr, was siehest du nicht?«

      »Das Allerwichtigste, was es an deinem Kopfe giebt,« antwortete ich.

      »Halt! Lächle nicht etwa schon wieder! Diese Kerle haben mir nicht nur den Fez geraubt, sondern auch das Turbantuch, mit welchem man den obersten und höchsten Teil des Morgenlandes schmückt. Ich bin der hervorragendste Punkt des berühmten Volkes der Haddedihn vom großen Stamme der Schammar. Und dieser Punkt ist unbedeckt, der Luft, der Sonne, dem Regen und jedem Auge preisgegeben! Verstehest du das? Kannst du mir das nachfühlen, wenn ich mir Mühe gebe, es dir so deutlich wie möglich vorzuempfinden? Ist es dir möglich, die Größe der Schande zu ermessen, welche mir angethan worden ist? Oder ist es nötig, die Thätigkeit deines Begriffsvermögens durch ein erklärendes Beispiel zu unterstützen?«

      »Laß mich dieses Beispiel hören!« forderte ich ihn auf, denn wie ich ihn kannte, war jetzt eine seiner Uebertreibungen, also etwas Drolliges zu erwarten.

      »So höre, was ich dir sage! Ihr entblößt aus Höflichkeit das Haupt, wenn aber wir höflich sein wollen, so ziehen wir die Pantoffeln aus. Wieviel Menschen giebt es in eurem Abendlande?«

      »Viele, viele Millionen.«

      »Aber ist auch nur ein einziger Scheik der Haddedihn dabei?«

      »Nein; keiner.«

      »So wirst du einsehen, was für eine seltene und wichtige Person ich bin! Also vernimm nun den Vergleich: Daß man mir den Fez und das Turbantuch gestohlen hat, ist eine noch viel größere Missethat, als wenn allen deinen abendländlichen Millionen ihre sämtlichen Pantoffeln gestohlen worden wären. Das siehst du doch wohl ein?«

      »Hm!«

      »Ich will dieses »Hm!« nicht hören, weil es mich an deiner Einsicht zweifeln läßt. Ich hoffe, es ist dir nun klar geworden, daß ich die Rache für diese Beleidigung unmöglich den Händen meines guten Herzens anvertrauen – — – höre, Sihdi, was hast du schon wieder zu lächeln?« unterbrach er sich.

      »Ich wundere mich über die »Hände« deines Herzens, lieber Halef.«

      »So! Ah – — hm – — – Hände! Du willst die schöne, geläufig fließende Sprache meines Mundes mit Fehlern belasten, daß sie stecken bleiben möge? O, Sihdi, verdoppele ja nicht meinen Zorn, denn er ist auch ohnedies schon so groß, daß er, wenn er dich träfe, dich vollständig vernichten würde. Ich will dich aber schonen und darum werde ich schweigen!«

      Er rückte um einige Schritte von mir ab, um mir zu zeigen, daß er mit mir schmolle. Das that er immer, wenn ich es für nötig hielt, gegen seine Eigenart eine leise Verwahrung einzulegen; doch war seine Indignation nie von langer Dauer. Er konnte es nicht aushalten, einen trennenden Gedankenstrich zwischen sich und mir zu wissen.

      Wir waren noch nicht weit vorwärts gekommen, so hatten wir Veranlassung, wieder stehen zu bleiben. Das Thal stieg hier in fast schnurgerader Richtung nach oben, und es war uns also ein ziemlich weiter Blick in den vor uns liegenden Teil desselben gestattet. Da sahen wir eine Schar berittener Männer, welche uns entgegenkamen und, als sie uns bemerkten, halten blieben, um uns zu beobachten.

      »Schau, Sihdi, da kommt Rettung!« rief Halef, schnell seinen Groll vergessend. »Siehst du sie?«

      »Rettung?« fragte ich. »Abwarten!«

      »Da ist gar nichts abzuwarten! Genommen kann uns nichts werden, denn wir haben ja nichts mehr. Und wer uns nichts Böses thun kann, der muß uns doch Gutes thun. Es sind acht Personen, aber elf Pferde. Wie fangen wir es an, um zwei von den ledigen Tieren zu bekommen? Ich weiß es!«

      »Nun, wie?«

      »Auf Kredit. Wenn sie hören, wer ich bin, werden sie bereit sein, uns mit zwei Pferden

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<p>29</p>

Schicksal.

<p>30</p>

Deutschland.

<p>31</p>

Gegend zwischen Euphrat und Tigris.