Im Reiche des silbernen Löwen III. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen III - Karl May

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indem er aufsprang. »Hamdulillah! Das ist ja ganz so gut, als ob wir sie schon hätten! Wo und wann ist das geschehen?«

      »Um die Mittagszeit, im Nordosten von hier. Ich weiß die Stelle ganz genau. Und da ihr Hadschi Halef und Kara Ben Nemsi seid, so bin ich gern erbötig, euch die Hilfe unseres ganzen Lagers anzubieten. Ja, es stimmt: Es waren zwölf Personen, aber zwei von ihnen schienen krank oder verwundet zu sein – — —«

      »Der vom Pferde Abgeworfene und der vom Pferde Geschlagene!« unterbrach ihn Halef.

      »Eure beiden Rappen wurden an den Zügeln geleitet. Es saß niemand auf ihnen, und erst jetzt fällt es mir ein, daß sie sehr aufgeregt zu sein schienen.«

      »Habt ihr mit den Leuten gesprochen?«

      »Nein. Sie schienen das nicht zu wünschen und ritten, nur kurz grüßend, an uns vorüber. Später sahen wir einen zusammengebundenen Gegenstand an der Erde liegen. Es ist möglich, daß sie ihn verloren haben, aber keineswegs gewiß, denn wir haben nicht auf ihre Fährten geachtet und wissen also nicht, ob er auf ihren Spuren lag. Nachdem wir aber euch hier getroffen und erfahren haben, was euch geschehen ist, so vermute ich, daß die darin be- findlichen Sachen euch gehören. Wir öffneten natürlich das Paket und haben also gesehen, was es enthält. Es scheint alles zu sein, was euch an eurer Kleidung fehlt.«

      Er winkte einem seiner Leute, welcher das Bündel vom Packsattel löste, um es herbeizubringen, zu öffnen und dann den Inhalt vor uns auszubreiten. Es war zu unserer gewiß nicht unangenehmen Ueberraschung so, wie er gesagt hatte: Da lagen unsere Decken, die Haïks, die Fez‘, die Turbantücher, die Jacken und auch die kleineren, unwichtigen Gegenstände, welche zu unseren Anzügen gehörten. Es fehlte nichts; es war, als ob man mit besonderer Aufmerksamkeit darauf bedacht gewesen sei, gerade diese Kleidungsstücke von den anderen uns geraubten Sachen in der Weise abzusondern, daß ein glücklicher Umstand sie uns vollständig zurückzugeben habe. Später sahen wir freilich ein, daß uns dies hätte auffallen müssen; zunächst aber erregte der willkommene Fund nicht das geringste Bedenken in uns, zumal die Taschen leer waren und es keinen Grund für uns gab, auf irgend eine Absichtlichkeit zu schließen. Das Paket war schlecht festgebunden gewesen. Man hatte es also während des Rittes verloren und dies nicht sogleich bemerkt. Freilich lag die Frage nahe, warum man nicht umgekehrt war, es zu suchen, als man endlich doch gewahrte, daß es abhanden gekommen sei. Das war aber nicht schwer zu erklären: Wer einen Raub begangen hat, der sucht zunächst, sich möglichst weit zu entfernen; zur Umkehr müssen wichtige Gründe vorliegen, und der Wert dieser Kleidungsstücke war doch nicht ein so hoher, daß man ihretwegen eine Zeit von vielleicht mehreren Stunden hätte versäumen mögen. Dazu kam die Begegnung der Diebe mit den Dinarun. Die ersteren mußten sich, sobald sie den Verlust bemerkten, sagen, daß die letzteren das Paket gefunden haben und, wenn man es von ihnen zurückverlangte, gewiß nach der Berechtigung dazu fragen würden. Das konnte sehr leicht zu unangenehmen Forschungen und Weiterungen führen – — – kurz und gut, es war weder für mich noch für Halef unbegreiflich, daß wir unsere Sachen so hübsch bei einander vor uns liegen sahen. Freilich an den Umstand, daß es für mich überhaupt keinen Zufall giebt, dachte in diesem Augenblick keiner von uns beiden. Halef, der stets Schnellerfertige von uns, rief, als er die Sachen sah, voller Freude aus:

      »Maschallah! Was erblicken meine Augen! Da liegt ja die ganze Ehre unserer Häupter und die ganze Zierde unserer Glieder vor uns ausgebreitet! Ich sehe nicht ein einziges Stück, welches sich nicht dabei befindet, sondern es ist alles, alles da! Sihdi, ich fordere dich auf, im Verein mit meinem Munde zu erklären, daß das Kismet ehrlicher und gerechter ist, als diese Spitzbuben es gewesen sind! Das gütige Fatum zeigt uns hier wieder einmal, daß wir in die vorderste Reihe seiner Lieblinge gehören. Und weißt du, warum es uns zunächst die geraubte Kleidung zurücksendet?«

      »Nun, warum?« fragte ich.

      »Weil wir sie nötiger als alles andere haben und damit wir hieraus erkennen sollen, daß wir auch das, was noch fehlt, zurückbekommen werden. Was sitzest du da und regst dich nicht! Folge doch meinem Beispiele; die Sachen gehören doch uns!«

      Er war nämlich aufgesprungen und nun eifrig damit beschäftigt, die Kleidungsstücke so eilig anzulegen, als ob sein ganzes Heil in der vollständigen Umhüllung seines kleinen, schmächtigen, aber außerordentlich sehnen- und nervenstarken Körpers bestehe. Ich folgte nun seinem Beispiele, wenn auch in langsamerer und bedächtigerer Weise.

      »So!« sagte er, als er fertig war. »Jetzt bin ich wieder Hadschi Halef Omar, aber weiter nichts. Der berühmte Krieger und Scheik der Haddedihn werde ich erst dann wieder sein, wenn ich mein Pferd und meine Waffen wieder habe. Aber wehe dann allen denen, welche fähig gewesen sind, einen solchen Verrat und Bruch der Gastfreundschaft an uns zu verüben! Ich werde über sie Gericht halten wie der Erzengel Midschaïl[34], dem das Schwert der Rache in die Hand gegeben ist! Ich werde weder Gnade noch Güte walten lassen! Ich werde so hart sein wie der Kieselstein am Ufer des Tigris und so unnachgiebig wie der Grimm, der sich im Magen eines hungrigen Löwen regt. Ich werde sie packen, wie der schwarze Panther seine Tatzen in das Genick der Kameelstute schlägt, und ich werde sie festhalten, wie das Krokodil seine Beute nie aus den Zähnen läßt! Ihre Qualen werden größer sein als die Qualen aller Höllen, die es giebt, und wenn sie vor Schmerzen stöhnen, wie der Hammel unter der Hand des Schlächters stöhnt, so werde ich lächelnden Mundes dabeisitzen und mich freuen, daß sie der wohlverdienten Strafe nicht entgangen sind!«

      Das klang schrecklich genug. Wer ihn nicht kannte, der konnte allerdings glauben, daß er in voller Ueberzeugung spreche. Die Dinarun warfen einander heimlich sein sollende Blicke zu. Das war nicht zu verwundern, wenn man unsere Lage mit den Worten des Hadschi verglich. Nafar blieb ernst, doch hatte seine Stimme einen ungewöhnlich freundlichen, teilnehmenden Ton, als er jetzt sagte:

      »Ich sehe, daß diese Sachen allerdings euer Eigentum sind. Wir haben sie gefunden, geben sie euch aber gern. Es freut mich, daß ihr nun als Männer vor mir steht, denen man ansieht, daß sie gewohnt sind, zu befehlen, nicht aber, zu gehorchen. Wir sind bereit, euch Hilfe zu erweisen. Ihr könnt einstweilen diese beiden Pferde, dann aber auch noch bessere bekommen, wenn ihr einwilligt, unsere Gäste zu sein und uns nach unserem Lager zu begleiten. Auch Gewehre, Messer und Pulver werden wir euch geben. Und wenn ihr es für nützlich haltet, bin ich sogar bereit, euch mit einer Anzahl meiner Leute zu begleiten, um den Dieben nachzueilen und ihnen abzunehmen, was sie euch entwendet haben.«

      Konnten wir willkommenere Worte hören? Gewiß nicht! Ich wollte ihm sagen, daß ich bereit sei, sein Anerbieten dankbar anzunehmen, doch Halef kam mir zuvor. Er rief begeistert aus:

      »Wie glücklich ist der Stamm, dem du angehörst, o Nafar Ben Schuri. Die Weisheit spricht aus deinem Munde, und von deinen Lippen klingen die Töne des Verstandes! Die Großväter deiner Ahnen und Urahnen sind die klügsten Leute ihres Volkes gewesen, und die Urenkel deiner spätesten Nachkommen werden berühmt in allen Ländern und Gegenden des Erdkreises sein. Wir sind gekommen, das Glück deines guten Herzens zu erhöhen, indem wir annehmen, was du uns bietest. Wir werden innige Freundschaft und ein ewiges Bündnis mit dir schließen. Wir sind bereit, dich sofort nach deinem Lager zu begleiten, und ich verspreche dir – — —«

      »Halt!« unterbrach ich ihn, denn er wäre in seiner Freude fähig gewesen, Zugeständnisse zu machen, denen nachzukommen uns später nicht möglich war.

      »Was?« fragte er. »Bist du etwa mit dem, was ich sage, nicht einverstanden, Sihdi?«

      »Darin, daß wir die uns angebotene Hilfe annehmen, stimme ich dir bei, Halef. Aber nach dem Lager können wir nicht gleich mit.«

      »Warum?«

      »Es ist nur noch kurze Zeit bis zum Untergang der Sonne. Dann werden die Diebe Halt machen. Ich möchte womöglich erfahren, wo sie die Nacht zubringen. Gelingt uns das, so können wir bis früh

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<p>34</p>

Michael.