Im Reiche des silbernen Löwen IV. Karl May

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Im Reiche des silbernen Löwen IV - Karl May

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Eumeniden dulden kann! Verzeihe mir! Verzeihe mir im Namen deiner Christenheit, daß mir auch nur der Gedanke hieran kommen konnte! Ich sehe zu meinem Erstaunen, daß ich noch Schatten werfe, sogar auf dein geliebtes Abendland hinüber!«

      »Beruhige dich!« bat ich ihn. »Der König des Schattenlandes, von welchem dein Märchen erzählte, hat Unterthanen überall. Auch bei uns! Doch will ein solcher Schatten einmal zur Furie werden, so behandeln wir ihn anders, als du deine Eumeniden behandelt hast. Wir lassen ihn sein trauriges Werk vollenden. Wir stören ihn nicht. Es ist ja doch wohl mehr als Strafe genug für ihn, daß er es thut! Wir sagen ihm sogar noch Dank dafür, jedoch nur öffentlich, selbst wenn er heimlich wirkt. Du siehst, wir haben sogar für die Furien nur Liebe und Verstand! Wir Christen wissen nur zu gut: Es kommt die Zeit, in der die Schatten schwinden. Was dann aus ihnen wird, das wissen wir zwar nicht, doch sagt das heilige Buch: »Ihre Werke folgen ihnen nach!« Und ich, ich möchte dereinst mit solchen Werken nichts zu thun haben. Ich habe mit den Menschen, selbst mit solchen Furien, nachsichtig zu sein, weil ich wünsche, daß Gott dann, wenn es sich um meine Abrechnung handelt, auch gnädig mit mir sein möge!«

      Da sagte er in plötzlich ganz anderem Tone:

      »Du sprichst von einem »Wir«. Etwa mit Ueberzeugung, Effendi? Spielen wir Komödie miteinander? Denken und handeln wirklich alle Christen so, wie du mit diesem »Wir« mich glauben machen willst?«

      »Komödie?« fragte ich. »Wer hat damit begonnen, ich oder du?«

      »Wieso ich?«

      Jetzt war er es, welcher bei diesen zwei Worten lächelte. Dieses Lächeln verriet mir, daß es ihm ganz lieb sei, von mir verstanden worden zu sein. Doch drängte ich ihn noch weiter, indem ich sprach:

      »Wie war deine Bitte um Verzeihung gemeint, Ustad?«

      »Ganz so, wie du willst; ganz so, wie du sie betonst. Man kann mit genau denselben Worten Glauben oder Zweifel, Vertrauen oder Mißtrauen, Lob oder Tadel aussprechen. Es kommt auf den Ton an und auf den Willen dessen, zu dem man redet. Du bist kein Kind. Ich weiß, daß ich nicht nötig habe, gegen dich auch noch in der Betonung deutlich zu sein, wenn ich es schon in den Worten, welche ich wähle, bin. Ich könnte dir eine große Ueberraschung bereiten, wenn ich dir sagte, wer und was meine Schatten, meine Furien waren. Denke jetzt einstweilen nicht an ein bestimmtes Land! Thue das nun selbst, was du mir angeraten hast: Abstrahiere einmal! Ich werde erst später hierüber sprechen. Nur eine Mitteilung, eine einzige, will ich dir heut schon machen. Sie betrifft – — – doch nein! Auch hierzu bist du noch nicht vorbereitet! Es muß ja alles kommen, wie es kommen soll, aber scheinbar ganz von selbst. Jede Entwickelung, welche Sprünge macht, ist eine falsche. – — Bitte, kehren wir lieber und endlich, endlich wieder zu dem Briefe des Multasim zurück!«

      Er hatte ihn vorhin fortgelegt. Jetzt nahm er ihn wieder in die Hand, um nun auch die Rückseite zu betrachten.

      »Kein besonderes Petschaft!« sagte er. »Man hat den Brief mit einem goldenen Tuman[12] versiegelt. Das kann ein jeder thun, der ein Goldstück besitzt, ist also gleichgültig für uns.«

      »Nein,« sagte ich. »In solchen Dingen hat auch der geringste Nebenumstand Wert. Ich pflege darum alles, auch das scheinbar Unbedeutende in Betracht zu ziehen.«

      »Meinst du, daß dieser Tumanabdruck uns auf irgend einen Gedanken bringen könnte?«

      »Er kann es nicht nur, sondern er hat es bereits gethan.«

      »Bei dir?«

      »Ja. Denke an die Ringe! Silberne und goldene. Das bessere Metall bedeutet einen höhern Rang. Liegt da nicht die Vermutung nahe, daß es in Beziehung auf den Siegelverschluß ebenso ist?«

      »Das ist allerdings nicht unmöglich. Hieran hätte ich nicht gedacht!«

      »Je höher der Rang des Schreibenden, ein desto wertvolleres Geldstück hat er zu nehmen. Und weiter! Warum nimmt man keine Petschaft, sondern Münzen?«

      »Durch das Petschaft würde man sich unter Umständen verraten. Münzen aber können keinen Anhalt geben.«

      »Sehr richtig! Hieraus aber ist darauf zu schließen, daß der Inhalt dieser Art von Briefen, falls sie in falsche Hände kommen, für den Schreiber selbst gefährlich ist. Der Tuman ist die höchste Münze. Der Verfasser dieses Schreibens steht also hoch im Range. Sie ist ferner eine persische Münze. Der Brief aber wurde unten im Irak Arabi aufgegeben, wo türkisches Geld kursiert. Was ist hieraus zu folgern?«

      »Daß der Schreiber ein Perser ist, und daß er dieses Goldstück als Petschaft bei sich trägt. Oder nicht?«

      »Ja. Schau, wie nun auch dir Gedanken kommen!

      Der Tuman wollte dir erst als gleichgültig erscheinen, und jetzt hat er dir schon so viel gesagt!«

      »Aber doch ohne Erfolg! Tuman ist Tuman. Es kann nicht ein jeder, der so ein Goldstück besitzt, der Schreiber dieses Briefes sein!«

      »Allerdings. Aber bei wem man dieses findet, grad dieses, den darf man doch wohl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit für den hohen Sill halten, der ihn abgeschickt hat?«

      »Gewiß! Aber von wem könnte man erfahren, daß es grad dieser Tuman, also derselbe und kein anderer sei?«

      »Von dem Tuman selbst.«

      »Wieso?«

      »Betrachte die Siegel genau, so wirst du es wohl finden!«

      Er that es, doch, wie es schien, vergeblich.

      »Ich sehe nichts Besonderes an diesem Abdrucke,« sagte er dann.

      »Gehe über den Rand des Goldstückes hinaus,« unterwies ich ihn. »Was siehst du da?«

      »Der Lack ist dick, der Abdruck also tief. An den Rändern giebt es auch Eindrücke, kleine, die wohl zufällige sind.«

      »Nein, nicht zufällig. Schau sie genau an, und zwar nicht einzeln, sondern denke sie dir zusammen! Der Tuman hängt an einem dünnen Kettchen, dessen Glieder aus den Buchstaben Sa und Lam zusammengesetzt sind. Weil bei dem Siegeln zu viel Lack genommen worden ist, haben sich einige dieser Glieder mit abgedrückt. Nun ich dir dies gesagt habe, wirst du sie wohl deutlich als die genannten Buchstaben erkennen.«

      »Allerdings, allerdings,« bestätigte er. »Nun ich es weiß, sehe ich es auch. Der Tuman hängt an einem Kettchen. Er wird also getragen, um immer bei der Hand zu sein. Aber wo?«

      »Suche es! Die Antwort liegt schon bereit.«

      »An welchem Orte?«

      »Dort auf dem Briefe.«

      »Ich sehe nichts!«

      »So will ich es dir sagen, damit du auch das dann siehst. Der Tuman hängt am Ringe einer Geldbörse. Das andere Ende des Kettchens ist an diesen Ring befestigt. Das Goldstück steckt stets in der Börse. Wenn er sie durch das Aufschieben des Ringes öffnet, zieht er dadurch zu gleicher Zeit den Tuman hervor. Er braucht ihn auf diese Weise nicht erst unter den andern Geldstücken hervorzusuchen und kann ihn auch nicht irrtümlicherweise ausgeben oder gar verlieren, falls er nicht etwa die Börse selbst verliert.«

      »Bist du allwissend, Effendi? Ich sehe nichts von allem, was du sagst!«

      »Man sieht es aber doch sofort! Wieviel Siegel hat der Brief?«

      »Fünf.«

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<p>12</p>

Wert 12 Franken.