Im Reiche des silbernen Löwen IV. Karl May

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Im Reiche des silbernen Löwen IV - Karl May страница 22

Im Reiche des silbernen Löwen IV - Karl May

Скачать книгу

er deutlich sehe, wo eigentlich das wahre Christentum zu finden sei, bei ihm oder bei diesem Anderen. Wo es zu suchen sei, das wußte ich genau, durfte es ihm aber nicht in deutlichen Worten sagen, weil die Klarheit in seinem eigenen Innern aufzutauchen hatte. Daher mein dilatorisches Verhalten, die Dehnung unsres Stoffes und dann aber auch unsere gemeinschaftliche Freude, als die Antwort endlich, endlich aus dem Alabasterzelte herabgestiegen kam.

      Nun war es hell und licht geworden, sogar während meines Schlafes. Ich weiß, ich träumte nicht, und dennoch war es mir, als ob ich träume. Wer war ich wohl, und wo befand ich mich? Ich atmete nicht, und doch war alles Odem! Ich bewegte mich nicht, und doch wallten tausend und abertausend Wogen unendlichen Glückes in mir. Meine Augen waren geschlossen, und dennoch sah ich Herrlichkeiten rings um mich her, die unbegreiflich sind. Und plötzlich hatte ich Flügel. Ich flog. Wohin? Durch Ewigkeiten! Bis ich müde wurde und nach einem Punkte suchte, an dem ich ruhen könne. Und ich fand ihn, fand ihn wieder, diesen meinen irdischen Ruhepunkt im Reiche der Ewigkeiten. Und wo lag er? Im Schlafe, im tiefen, tiefen Schlafe. Ich neigte mich trotzdem zu ihm nieder und – — schlug die Augen auf.

      Da stand die Sonne schon in des Vormittags Mitte, und um mich her war alles licht und warm. Das Geräusch des Tages drang zu mir herauf. Ich fühlte mich gekräftigt und so frisch, wie schon seit langer Zeit nicht mehr. Ich stand also auf und ging auf das freie Dach hinaus. Im Hofe unten wurden die Kamele des Ustad gesattelt. Ihn selbst sah ich nicht. Links drüben grasten unsere Pferde auf der bergigen Weide, welche an den Komplex der Ruinen grenzte. Der See glänzte azurblau zu mir herauf. Die Bewohner des Duar waren in lebhafter Bewegung, natürlich der Reise ihres Ustad wegen. Von meinem Vorplatze führten Stufen hinüber nach dem Glockenwege, welcher, von oben herabkommend, sich bis zur Gartenhöhe niedersenkte, wo die Quelle sprudelte, neben welcher sich der Herr des hohen Hauses eine rundum eingefaßte Badestelle abgeschlossen hatte. Ein solches Bad erschien mir sehr von Nutzen. Darum stieg ich da außen langsam am Berg hinab und fand die Tür zum Wasser geöffnet. Wie das erfrischte, dem Körper doppelte Kraft zu geben schien!

      Als ich fertig war, spazierte ich auf dem weichen Grase zu unsern Pferden hin. Welche Freude, als sie mich erkannten! Als ich mich dann wieder entfernte, wollten sie partout mitgehen, und ich hatte sie sehr eindringlich zu bedeuten, daß ich dies für jetzt nicht wünsche. Nun durch den Garten nach dem Hofe gehend, kam ich an der Küche vorüber. Diese stand offen. Die »Festjungfrau« sah mich, kam heraus, schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, daß es nur so klatschte, und rief:

      »Maschallah, du schläfst nicht mehr, Effendi! Das ganze Haus durfte sich nicht laut bewegen, um dich ja nicht zu wecken. Wie hat unser Ustad dich doch gar so lieb!«

      »Wo befindet er sich jetzt?« erkundigte ich mich.

      »In seiner Stube.«

      »Und Agha Sibil?«

      »Der sitzt mit seinem Sohne in der Halle. Ich habe die halbe Nacht hindurch gebacken und gebraten, um Proviant für die Reise nach Isphahan zu machen. Für dich aber habe ich trotzdem immer Zeit. Weißt du, Effendi, um was ich den Ustad gebeten habe, was er mir aus der Hauptstadt mitbringen soll?«

      »Nun?«

      »Eine Kasawaika!«[13] Bei diesem Worte strahlte ihr Gesicht in einer auffälligen, mir krankhaft scheinenden Wonne.

      »Eine Kasawaika?« fragte ich, »woher kennst du das? So etwas wird doch hier gar nicht getragen!«

      »Ich habe es gesehen, als ich noch beim Schah-in-Schah mit kochte. Die russischen Madama hatten es. Ich muß so eine haben! Rot und blau, grün und gelb. Das sieht so schön aus im Fackellicht.«

      »Fackellicht? Hm! Ich denke, du gehst stets weiß?«

      Da kam sie die Stufen vollends herab, trat nahe zu mir heran, legte das fette Händchen auf meinen Arm und sagte in ehrfurchtsvoller Duzbrüderlichkeit:

      »Ja, immer weiß! Zuweilen aber auch bunt, ganz bunt! Das steht mir besser, viel besser! Der Aschyk[14] sagt das auch!«

      »Du hast einen Geliebten, Pekala?«

      Da errötete sie bis zur Farbe der persischen Mohnblume, nahm einen geheimnisvollen Ton an und raunte mir zu:

      »Ich vertraue es nur dir an, Effendi, allein nur dir! Es ist ein tiefes Geheimnis. Ich habe es schon vielen sagen wollen! Aber ich fürchte, daß sie es verraten. Du aber hast ein solches Herz voll Freundlichkeit und Güte, daß du es gewiß nicht weiterplaudern wirst. Ein edles Frauenherz muß unbedingt ein edles Männerherz haben, von dem es ganz und gar verstanden wird. Und Tifl ist zwar ein liebes, folgsames Kind, jedoch ein edles Frauenherz, das kann er nicht begreifen!«

      Sie schaute so ganz zerflossen und »edel« zu mir auf, daß sie mir gewiß sehr spaßig vorgekommen wäre, wenn ich nicht das zwar noch unbestimmte, aber doch sehr deutliche Gefühl gehabt hätte, hier vor einer vielleicht sehr wichtigen Entdeckung zu stehen. Psychologisch zweifelhafte Personen sind stets mit Vorsicht zu behandeln.

      Darum antwortete ich nicht anders als in meiner gewöhnlichen, freundlichen ernsten Weise:

      »So sage mir, Pekala, was ein edles Männerherz von dir zu begreifen hat!«

      »Dreierlei. Erstens, daß man Vertrauen haben will. Zweitens, daß man verschwiegen sein will. Drittens, daß man nicht ewig Köchin bleiben will! Leuchtet dir das ein, Effendi?«

      »Sehr!«

      »Das wußte ich. Du bist vernünftiger als tausend andere Männer, die kein edles Frauenherz verstehen. Darum habe ich gewußt, daß ich dir alles, alles mitteilen kann, was ich den meisten Menschen verschweige.«

      »Also den meisten! Das ist sehr vorsichtig von dir! Nun sage mir vor allen Dingen, von wem hast du denn eigentlich das von dem »edlen Frauenherzen« erfahren?«

      »Von meinem Aschyk. Ich habe gar nicht gewußt, daß ich auch so etwas Edles besitze; er aber hat es sofort erkannt und mir gesagt.«

      »Und woher hat er von solchen Herzen erfahren?«

      »Von einer Engländerin, die er mit ihrem Engländer in Buschehr getroffen hat. Die hat alle Tage einen neuen Papierfächer verlangt und dabei gesagt, sie habe ein edles Frauenherz und dürfe sich also ihre Gesichtsfarbe nicht verderben. Darum bringt mir mein Aschyk stets auch zwei oder drei Papierfächer mit, so oft er kommt.«

      »Wo kauft er diese? Ist er ein Dschamiki?«

      »Was du denkst, Effendi. Es ist noch keinem Dschamiki eingefallen, mein Herz edel zu nennen! O nein; mein Aschyk ist kein hiesiger und auch kein gewöhnlicher Mann, sondern ein vornehmer Schahsadeh[15] aus Isphahan.«

      »Du Glückliche! Kennst du ihn schon lange?«

      »Schon seit einigen Jahren.«

      »Besucht er dich oft?«

      »Fast immer, wenn vier Wochen vorüber sind.«

      »Hat er da einen bestimmten Tag?«

      »Ja, denn so ein hoher Schahsadeh ist immer pünktlich. Er kommt stets, wenn es Pazar günü[16] ist. Dann ziehe ich abends meine weißen Sachen aus und lege die schönen bunten an, die er mir immer schenkt. Hierauf gehe ich zu ihm hinüber in die Ruinen, wo ich mit ihm beim Mondenscheine hin und her spaziere, wie eine Tochter des Beherrschers. Ist es aber dunkel, so steigen wir in das Innere

Скачать книгу


<p>13</p>

Polnischer Aermelmantel für Frauen.

<p>14</p>

Türkisch = Geliebter.

<p>15</p>

Kaiserlicher Prinz.

<p>16</p>

Sonntag.