Als Mariner im Krieg. Joachim Ringelnatz

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Als Mariner im Krieg - Joachim  Ringelnatz

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Minen gelegt. (Der Feind steht an der Westküste.) Wir haben mittlere Artillerie auf unseren Dreadnoughts. England fängt jetzt erst an, sie einzurichten. Unsere Marine hat nicht soviel zu verlieren wie die ihrige. England braucht seine Flotte, weil es auf Einfuhr angewiesen ist und seine vielen Kolonien schützen muß. — » Wir hörten zu. Auch das wurde langweilig.

      Das Verhältnis zwischen Militär und Bauern spitzte sich immer mehr zu. Diese Oldenburger waren an sich verschlossen. Sie hatten mit Marinern schon in Friedenszeiten zu tun, und diese hatten sich damals gewiß oft als Rowdies benommen. Das wirkte sich nun noch bei uns aus, die wir wirklich alle mit größter Rücksichtnahme aufgetreten waren. Nun wurden wir in unserem Unbeschäftigtsein und der daraus resultierenden Unzufriedenheit immer empfindlicher, verständnisloser und nörgelsüchtiger, und so schürte sich das wechselweise weiter zur Glut. Die böse alte Harms und ihr Gesinde verpflegten und behandelten uns immer abscheulicher, und wir schlichen heimlich in ihre Ställe, schütteten den ganzen Hafer unter die Hühner und gossen die frisch gemolkene Milch in die Schweinetröge.

      Ich gab die Mariensieler Wache auf und zog vor, wieder in der Kaserne den Leuten Exerzieren, Schießen und Grüßen beizubringen.

      Allerdings geriet ich dort gleich in eine hochnotpeinliche Untersuchung und in ein allgemeines Verhör. In der vierten Kompanie waren Spinde erbrochen und bestohlen worden.

      Andererseits wurden gerade geeignete Leute für den Kreuzer »Pillau« gesucht, den die Deutschen für Rußland gebaut hatten und nun gegen Rußland verwenden wollten. Jedoch ich kam wieder nicht auf die Designierungsliste.

      Viel Siegesnachrichten. Eines Morgens hörten wir Geschützdonner von See her. Nachmittags lief »Frauenlob« mit zerschossenem Schornstein und einem Seitentreffer dicht über der Wasserlinie ein. Sie sollte gemeinsam mit »Von der Tann« zwei englische Schiffe gefangen und eingeschleppt haben. Man sprach von sieben deutschen Toten und fünfzehn Verwundeten; wir mutmaßten mehr. »Frauenlob« war ein Schwesterschiff zur »Nymphe«, auf der ich seinerzeit als Einjähriger gedient hatte.

      Ho! Eine scharfe Brise kam auf. Außer der »Pillau« sollten noch weitere Schiffe in Dienst gestellt werden. Gerade um diese Zeit verschlimmerte sich mein verwünschtes Fußleiden. Ich desinfizierte mit irgendwas, was mir zur Hand war, und worauf ich Vertrauen setzte, ich glaube, es war Petroleum.

      Ich hatte ein Gedicht auf die deutschen Matrosen verfaßt. Als ich die fertige Arbeit betrachtete, nahm sie sich aus wie ein Kommißstiefel.

      In der Stadt sah ich eine Menschenmenge, die auf den Transport der Opfer von »Frauenlob« wartete. Ein Obermatrose wollte die zerrissenen Leichen auf dem blutbesudelten Deck gesehen haben, ich traute ihm nicht recht. Es wurde so viel zusammengelogen. Es wurde von Verstümmelungen, Explosionen, Abschlachtungen erzählt, es wurde von glorreichen Siegen und deutschen Heldentaten geschrieben. Wir steckten alle günstigen wie ungünstigen, alle wahren und unwahren Nachrichten mit einer gleichmäßigen Sachlichkeit ein. Auch mir kam das Merkwürdige unserer Lage nur in einsamen Stunden, etwa des Nachts auf Wache, zum Bewußtsein. Dann schwoll in mir die romantische Abenteuerlust, die mich seit meiner frühesten Kindheit begleitet und vielleicht allzuoft geleitet hatte.

      Weitaus die Mehrheit der Militärs und Zivilisten war davon überzeugt, daß wir unsere Gegner schlagen würden. Nur die Frauen sahen skeptischer und gefühlsmäßiger in die Zukunft.

      Eines Nachts lagen Toni Pfeiffer, eine Postordonnanz und ich allein in unserer Stube. Die übrigen Betten standen leer; sie gehörten Leuten, die gerade auf Wache waren. Da öffnete sich die Tür. »Es gibt Einquartierung!« rief eine Stimme.

      »Ausgeschlossen! Gibts nicht!« riefen wir drei, und die Postordonnanz pustete schnell die Lampe aus.

      »Ach was, hier sind doch Betten frei.«

      »Nein! Die Leute dazu stehen Posten in Mariensiel!«

      »Nur für eine Nacht«, beharrte die Stimme, »es sind Leute von der ›Ariadne‹, die mit zwei Panzerkreuzern gekämpft haben. Sie sind zum Teil ganz naß, ihr Schiff ist untergegangen —«

      »Oh, das ist was anderes!« Wir sprangen aus den Betten. Die Lampe ward angezündet.

      Da kamen sie schon, die Kerle. In weißen Anzügen mit Dreck und Blut bespritzt, Heizer, Matrosen, Küchenpersonal, vom Pulver schwarz punktiert, mit entzündeten Augen und von Gasen aufgedunsen. Aber sie lachten und witzelten schief, um ihr Stolzsein zu verdecken. Wir drei gaben unsere Decken, Butter, Zigaretten her, alles was wir hatten, es war nicht viel, denn wir besaßen schon lange keinen Pfennig mehr. Und dann legten die Ankömmlinge los und erzählten trotz ihrer Erschöpfung stundenlang, wobei sie einander ergänzten oder berichtigten und ihre Aufregung immer höher steigerten: Blut wie Schlamm. Furchtbares Getöse durch die krepierenden Granaten. Leute in Fetzen gerissen und Panzerplatten wie Papier gebogen. Am schlimmsten die Pulvergase und der Brandrauch. Wer nicht, wie die Leute an den Geschützen, Mundbinden trug, der litt entsetzlich. Die »Ariadne« — (sie war auch meiner »Nymphe« verschwestert, also ein längst veralteter Kasten — sollte fünfzehn Treffer bekommen, dann sich auf die Seite und später ganz herum gedreht haben. Die Leute, die sich retteten, waren über Bord gesprungen — »Rette sich, wer kann!« — und von dem kleinen Kreuzer »Danzig« aufgenommen. Ihr Schiff sackte bald darauf ab, nachdem noch der Kommandant durch die Kuttergäste der »Danzig« gerettet war. Die beiden englischen Schiffe, welche die »Ariadne« in die Falle gelockt und vernichtet hatten, machten sich vor der »Danzig« aus dem Staube. Es waren Geschosse in das Pulverdepot und in den Torpedoraum gedrungen, ohne diese sofort zur Explosion zu bringen. Sie verursachten zunächst nur Brände und giftige Gase, vor denen sich einige Leute dadurch retteten, daß sie sich platt auf den Boden warfen. Besonders schlimm und folgenschwer hatte die Ölfarbe gebrannt, mit der die Aufbauten an Bord verschwenderisch oft gestrichen wurden. Das war eine tragische Lehre für unsere Marine.

      Einer unserer Schlafgäste hatte einen Mann sitzen sehen, der den Kopf wie verzweifelt in beide Hände gestützt hatte. Dann zeigte sich, daß dieser Kopf vollständig verkohlt war. — Das Licht erlosch plötzlich. —

      Ein Ingenieur, dessen Beine mit schrecklichen Brandwunden bedeckt waren, lief noch auf die Brücke und stimmte mit anderen das Flaggenlied an. Ein Steward sah einen Seestiefel liegen, woran noch ein Stück Bein war.

      Die Geretteten traten beim nächsten Mittagsappell gesondert an. Der Kompanieführer hielt eine ehrende Ansprache an sie.

      Es verlautete: Auch die »Stettin« sei dienstunfähig gemacht, sie habe fünf Volltreffer erhalten.

      Jemand vom Büro teilte mir mit, ich sollte an Bord kommen. Hurra! Hurra!

      Erna Krall schrieb über meine baltische Freundin: »Wanjka Plawneck ist nicht gefangen, hat aber in dem von Spionagefurcht verrückten München eine entsetzliche Straßenszene erlebt. Man hielt sie für einen verkleideten Mann. Die Polizei hat sie vor einer Prügelei errettet und sie umgehend in die Schweiz expediert.« — Auch ein Brief von Eichhörnchen. Darin die Stelle: »Es schmerzt mich tief, daß ich von Dir, dem Freunde, der so Vieles innig mit mir teilte, der auf Leben und Tod hinauszog, nicht ein einzig liebes, treues Wort erhalten habe! Ich weiß nicht, ob Du mir geschrieben hast; sollte es aber so sein, so danke ich Dir für Deine Zeilen, auch wenn ich sie nicht gelesen habe.« — In einem zweiten Briefe von Eichhörnchen, ebenso lang wie der erste, stand u.a.: »— Wenn die hellen Sternenaugen am Abend über die See strahlen, dann blick nach der Küste, wo zwei andere Augen Dich grüßen, und wisse, daß ich Dich sehr lieb habe und Dir treu bin. Vielleicht beglückt Dich dieses Bewußtsein, wenn Du in der Gefahr draußen stehst! — Und nun Adieu mein Gustav, geliebter Freund! Vergib mir, ich bitte Dich von Herzen, wenn immer ich Dich kränkte und Dir wehe tat, wo ich in unserer Freundschaft fehlte. — Ich habe viel gelitten über die Gegensätze, die

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