Satan und Ischariot I. Karl May

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Satan und Ischariot I - Karl May

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Hand nach der Thüre zu winken, um mir auf diese sinnige Weise anzudeuten, daß sie sich und ihren Papagei von mir befreit sehen wolle.

      Ich öffnete also die Thüre, doch ohne mich zu entfernen, blickte hinaus und sah den Polizisten, welcher mich hierher gewiesen hatte. Da er nach der andern Seite schaute, steckte ich den Finger in den Mund und pfiff so schrill, wie ich nur pfeifen konnte. Der Papagei pfiff mit; die Dame kreischte auf, gerade auch wie ein Papagei, und der Polizist drehte sich nach mir um. Ich winkte ihn herbei und fragte, als er herangekommen war:

      »Ist hier wirklich das Amtslokal des Alcaide del distrito?«

      »Ja, Sennor,« antwortete er.

      »Wo ist er denn?«

      »Na, da im Lokale!«

      »Ich sehe ihn doch nicht, und die Sennora antwortet mir nicht!«

      »Dafür kann ich nicht; da ist nichts zu machen.«

      Er wendete sich ab und ging davon. Ich drehte mich also wieder nach der Dame um und wiederholte meine Frage, diesmal aber nicht im höflichen Tone. Da richtete sie sich auf, blitzte mich aus ihren dunklen Augen an und antwortete:

      »Hinaus, sofort, sonst lasse ich Sie einsperren! In welcher Kleidung kommen Sie! Man sieht ja sofort, daß Sie die Amtshandlung nicht bezahlen können!«

      Der Papagei schlug mit beiden Flügeln, hackte mir mit dem Schnabel entgegen und schrie: »Eres ratero, eres ratero!« Ich aber zog kaltblütig meinen Beutel aus der Tasche, nahm einige Goldstücke heraus und begann, ohne ein Wort zu sagen, dieselben aus einer Hand in die andere zu zählen. Sofort ahmte der Papagei mit wirklich täuschender Stimme den Klang des Goldes nach, und die Dame wendete sich nach der andern Hängematte, um im lieblichsten Flötentone zu sagen:

      »Erhebe dich, mein Lieber! Es ist ein Cavallero da, welcher höchst notwendig mit dir zu sprechen hat. Ich werde ihm eine Cigarette drehen.«

      Unter dem Sitze des Papageies war ein Kästchen angebracht, in welchem sich Tabak und Cigarettenpapier befand. Sie nahm eines dieser Papiere in den Mund, um es mit Speichel anzufeuchten, legte eine Prise Tabak darauf und drehte beides mit ihren niedlichen Fingern in Raupenform, brannte diese Raupe an ihrem Stummel an und reichte sie mir dann mit einem herzgewinnenden Lächeln zu.

      Hm! Das Anfeuchten! Diese Fingerchen, bei deren melierter Färbung man im unklaren war, ob sie in Handschuhen steckten, oder einen sonstigen Ueberzug hatten! Und dazu der Ort, an welchem sich der Tabak befand, gerade unter dem Papagei! Kurz und gut, ich nahm die Cigarette zwar mit einer tiefen Verbeugung an, hütete mich aber, sie nach dem Munde zu führen.

      Indessen hatte sich im Hintergrunde eine Bewegung geltend gemacht, welche mich veranlaßte, dieser Richtung meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die zweite Hänge- Hängematte geriet ins Schaukeln, und aus ihr entwickelte – ich sage mit vollster Absicht, entwickelte – sich eine lange, ewig lange und erschrecklich hagere Gestalt, welche mit langsamen, unhörbaren, geisterhaften Schritten auf mich zukam, vor mir stehen blieb und mich in einem hohlen Bauchrednertone fragte:

      »Wieviel Sporteln sind Sie bereit zu zahlen, Sennor!«

      »Ich zahle nach dem Werte der Antworten, welche ich erhalte,« antwortete ich.

      Der ewig Lange drehte sich nach seinem jungen Weibe um und meinte unter einer gräßlichen Gesichtsverzerrung, welche jedenfalls ein freundliches Lächeln sein sollte:

      »Hörst du es, mein Täubchen? Er zahlt nach dem Werte. Da aber alles, was ich sage, für jedermann von hohem Werte ist, so bitte ich dich, dem Sennor noch eine Cigarette zu drehen.«

      Sie folgte dieser Aufforderung mit sichtbarem Vergnügen, und als ich dann zwei von ihr angebrannte, zwischen meinen Fingern aber wieder ausgelöschte Tabakswürmer in der Hand hielt, forderte mich ihr edler Ehegemahl auf:

      »Nun tragen Sie mir getrost und mit Vertrauen Ihre Wünsche vor, Sennor! Sie stehen vor dem besten Ihrer Freunde.«

      Auch der Papagei ließ so zarte und sanfte Schluchzer und Gluchzer hören, daß mir ganz wonnig zu Mute wurde. Ich befand mich jedenfalls den beiden besten und edelsten der Menschen und dem traulichsten der Papageien gegenüber und erkundigte mich also mit hingebendster Offenheit:

      »Ist Ihnen vielleicht der Name Timoteo Pruchillo bekannt, Sennor?«

      »Nein. Auch dir nicht, mein Täubchen?«

      »Nein,« antwortete das Täubchen.

      »Ich suche eine Hazienda del Arroyo, welche nicht sehr weit von Ures zu liegen scheint. Vielleicht können Sie mir Auskunft erteilen?«

      »Nein. Auch du nicht, mein Täubchen?«

      »Nein,« echote das Täubchen.

      »Timoteo Pruchillo hat deutsche Emigranten kommen lassen, welche auf seiner Hazienda arbeiten sollen. Wer hat diese Leute zu beschützen, falls er es nicht ehrlich mit ihnen meint?«

      »Ich nicht, Sennor.«

      »Aber wer denn sonst?« fragte ich.

      »Deutschland mit seinen Gesandtschaften oder Konsulaten.«

      »Giebt es hier ein Konsulat?«

      »Nein.«

      »Aber wenn diese Leute in Not oder gar Gefahr kommen, so muß doch jemand hier sein, der sich ihrer annimmt!«

      »Nein, es ist niemand da.«

      »Aber, Sennor, selbst angenommen, daß die Leute rechts- und schutzlos sind, weil kein Vertreter ihres Vaterlandes sich im hiesigen Distrikte befindet, so ist doch zu erwarten, daß ein Mexikaner, falls er unehrlich oder gar noch schlimmer an ihnen handelte, von der hiesigen Behörde zur Verantwortüng gezogen würde?«

      »Nein, Sennor. Was mit Ausländern geschieht, geht mich nichts an.«

      »Wenn nun ein Bewohner Ihres Distriktes einen Deutschen tötete, was würden Sie da thun, Sennor?«

      »Nichts, gar nichts. Meine Unterthanen machen mir soviel zu schaffen, daß ich mich mit Angehörigen fremder

      Länder nicht befassen kann. Mit ausländischen Personen, Angelegenheiten, Verhältnissen und Dingen können wir uns unmöglich abgeben. So etwas dürfen Sie von uns nicht verlangen. Wünschen Sie sonst noch etwas, Sennor?«

      »Nein, Ihre bisherigen Antworten haben mich aller weiteren Fragen enthoben.«

      »So werde ich Sie entlassen, sobald Sie den Wert meiner Auskünfte anerkannt haben.«

      »Ja, anerkannt haben,« stimmte die Sennora in bezauberndem Tone bei, wozu der Papagei ein allerliebstes, halblautes Klingen und Singen hören ließ.

      »Ich werde Sie über diesen Wert auf das gewissenhafteste aufklären,« antwortete ich. »Da Sie immer nur mit »Nein« geantwortet haben, besitzen Ihre Antworten für mich leider nicht eine Spur von Wert.«

      »Wie? Was? Wollen Sie damit sagen, daß Sie nichts zahlen wollen?«

      »Allerdings.«

      Er trat zwei Schritte zurück, maß mich mit zornigen Augen und drohte:

      »Ich kann Sie zwingen, Sennor!«

      »Nein! Auch

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