Satan und Ischariot I. Karl May
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Nun wollte ich nach der Höhe des Felsens, um nach dem kleinen Mund zu sehen. Die Knaben baten mich, mitgehen zu dürfen; die Squaw blieb als Wächterin unten im Thale. Wir fanden mit Leichtigkeit die Spuren des Häuptlingssohnes, also den Weg, den er gegangen war. Als wir oben ankamen, bot sich uns ein schauerlich interessanter Anblick. Der Tote lag lang ausgestreckt auf dem Bauche; sein Kopf ragte über die Kante des Felsens hinaus; seine beiden Arme hingen bis an die Ellbogen über dieselbe hinab, und die Hände hielten das Doppelgewehr so fest, daß es nicht hatte hinabfallen können. Ich bog mich vor, um mich zunächst des Gewehres zu versichern, und zog dann die Leiche von der Felsenkante zurück.
»Uff, uff!« riefen da die beiden Knaben, indem sie nach dem Kopfe des Erschossenen deuteten. Meine Kugeln waren dem Manne beide durch den Kopf gegangen, ein
Zufall, welcher bei dieser Höhe und Entfernung gar nicht günstiger hätte sein können, jedenfalls aber später an allen Lagerfeuern als eines meiner Wunderwerke ausposaunt wurde.
Was der Tote bei sich trug, durften die Knaben für sich nehmen. Die Leiche ließen wir liegen. Dann stiegen wir wieder hinab. Wir hatten beiderseits keinen Grund, uns länger in dieser Gegend aufzuhalten, zumal zu erwarten stand, daß die beiden Flüchtlinge wiederkehren würden, um nach dem kleinen Mund zu suchen.
Der große Mund hatte sehr wahrscheinlich angenommen, daß sein Sohn mich von oben sehen und sich schnell in Sicherheit bringen werde. Er wartete jedenfalls irgendwo auf ihn. Kam der Sohn nicht, so kehrte der Vater zurück, fand die Leiche, und ich konnte mich dann darauf gefaßt machen, einen unerbittlichen Todfeind hinter mir her zu haben.
Natürlich hätte ich gar zu gern gewußt, wer der weiße Gefährte des großen Mundes war. Das Doppelgewehr war das Eigentum dieses Mannes gewesen. Ich betrachtete es also genau und fand zwei Buchstaben, nämlich ein R und ein W in den unteren Teil des Kolbens eingeschnitten. R war wohl der Anfangsbuchstabe des Vor- und W derjenige des Familiennamens. Ich mußte sofort an den Namen Weller denken. Weller hieß ja der Vater des Kajütenwärters. Dieser Mann war vorgestern abend mit einem Indianerhäuptling bei dem Mormonen Melton gewesen. Das stimmte ja ganz außerordentlich! Gar kein Zweifel, der große Mund war jener Häuptling, und der Weiße, den ich vorhin mit in die Flucht getrieben hatte, war der vorgestrige Unbekannte, welcher den Mormonen mit »Bruder« angeredet hatte. Jedenfalls war der kleine Mund auch mit dabei gewesen. Daß ich heute und hier auf sie gestoßen war, konnte mich nicht wundern, denn das Thal lag in der Richtung nach der Hazienda del Arroyo, welcher jawohl der Anschlag galt, den man vorgestern abend abgekartet hatte. Traf ich mit diesen Gedanken das richtige, so war weiter zu folgern, daß sich eine Schar von Yumas in der Nähe befand, welche die beiden Flüchtlinge aufsuchen und herbeiholen würde. Es galt also, das Thal ohne weiteren Aufenthalt zu verlassen, um baldigst nach der Hazienda zu gelangen.
Die letztere lag eigentlich nicht genau in der Richtung, welche die drei roten Geschwister einzuhalten hatten; sie entschlossen sich jedoch leicht zu diesem Abstecher, da sie hofften, dort Ersatz für die zwei nun fehlenden Pferde zu finden. Die Squaw bestieg das Pferd, welches ich erbeutet und ihr geschenkt hatte, und ich das meinige. Die Knaben mußten gehen. Gern hätte ich ihnen mein Tier abgetreten und wäre gelaufen, wenn sich das mit »Old Shatterhands« Würde hätte vereinbaren lassen. Auch wäre es ihnen nicht im Traume eingefallen, ein solches Anerbieten anzunehmen. Uebrigens waren die zwei Pferde ziemlich bepackt, da sie außer uns auch die bereits oben erwähnten Gegenstände tragen mußten.
Ich ritt voran; die drei folgten mir in einiger Entfernung. Es wäre mir nicht unangenehm gewesen, mich mit ihnen unterhalten zu können; aber ein Krieger meines Schlages durfte unmöglich mit einer Squaw und zwei Knaben plaudern! Der ganze Stamm der Mimbrenjo-Apatschen, dem sie angehörten, hätte darüber sämtliche Hände über sämtliche Köpfe zusammengeschlagen.
Wenn man mir in Ures gesagt hatte, daß es von dort aus bis zur Hazienda eine gute Tagereise sei, so war dabei wohl die Absicht, mir das Herz nicht schwer zu machen, maßgebend gewesen. Der Mittag kam und ging vorüber, und erst am Nachmittage sah ich die bewaldeten Berge vor mir liegen, welche man mir beschrieben hatte. Die Kühle, welche unter den Bäumen herrschte, that uns unendlich wohl nach der glühenden Hitze, in welcher wir seit Vormittag förmlich geschmort hatten. Die Beschreibung des Weges, nach welcher ich mich richtete, ließ mich keinen Augenblick im Stiche, nur daß die Zeit viel zu kurz angegeben gewesen war. Wir erreichten zwei Stunden vor Abend den kleinen See, in welchen der Arroyo mündete. Da sah ich wieder einmal, was Indianer auszuhalten vermögen. Die beiden Knaben waren nicht ein einziges Mal hinter mir zurückgeblieben, und nichts ließ vermuten, daß sie durch die weite Fußtour angegriffen seien. Ich wäre wohl gern am Bache abgestiegen, um einen kühlen Trunk zu thun, wenn ich mich nicht hätte vor ihnen schämen müssen, die keinen Blick für die glitzernden Wellen und kein Ohr für das liebe Rauschen derselben zu haben schienen.
Der See lag am untern Ende eines dichtbewaldeten Thales, welches sich weiter aufwärts ansehnlich verbreiterte, bis man wohl eine halbe Stunde zu gehen hatte, um von einer Seite nach der andern zu kommen. Hüben und drüben vom Walde eingefaßt, bildete es eine saftig grüne Wiese, deren Gras- und Blumenteppich oft durch blühendes Buschwerk unterbrochen wurde. Hier weideten zahlreiche Rinder und Pferde, welche von berittenen und unberittenen Hirten bewacht wurden, doch sah man gleich mit dem ersten Blicke, daß dieser Leute nicht genug vorhanden waren. Sie kamen herbei, uns freundlich zu begrüßen, und ich erfuhr von ihnen, daß Melton mit seiner Arbeiterkarawane noch nicht angekommen sei. Meine frühere Ankunft war übrigens gar kein Wunder, da der
Marsch des Mormonen wegen der schweren Wagen nur ein langsamer sein konnte.
Weiter oben hörten die Weiden auf, um Feldern Platz zu machen. Ich sah Baumwolle und Zuckerrohr in langen, breiten Pflegen stehen. Dazwischen gab es Indigo, Kaffee, Mais und Weizen, doch das alles in einem Zustande, welcher erkennen ließ, daß es an Arbeitshänden mangelte. Dann kam ein großer Garten, in welchem alle Obstbäume Europas und Amerikas vertreten waren, aber ein sehr verwildertes Aussehen hatten, so daß es einem fast wehe thun mochte. Und als wir an diesem Garten vorüber waren, sahen wir endlich die Gebäude der Hazienda vor uns liegen.
Die größeren Hazienden und Estanzien sind in jenen Gegenden wegen der Unsicherheit der dortigen Verhältnisse meist festungs- oder fortähnlich angelegt. Wo es genug Steine giebt, umschirmt man die Wohnungen mit einer Mauer, welche etwaige Angreifer nicht zu übersteigen vermögen. Ist dieses Material nicht vorhanden, so legt man dicke und dichte Zäune von Kakteen und anderen Stachelpflanzen an, welche man so hoch wie möglich wachsen läßt und gewöhnlich auch für ihren Zweck erfüllend hält. Ein intelligenter Angreifer aber wird einen solchen Zaun keineswegs für ein unbesiegbares Hindernis ansehen.
Die Hazienda del Arroyo lag im Gebirge; es waren also so viele Steine vorhanden, daß ich mich eigentlich eines falschen Ausdruckes bedient habe, als ich sagte, wir hätten die Gebäude der Hazienda vor uns liegen sehen. In Wirklichkeit sahen wir nur das platte Dach des Hauptgebäudes, während alles andere hinter einer Mauer verborgen lag, welche eine Höhe von wenigstens 5 Meter hatte. Sie schloß ein großes, regelrechtes Viereck ein, dessen Seiten genau nach den vier Himmelsrichtungen lagen. Dieses Viereck wurde von dem Bache in der Weise durchflossen, daß er unter der nördlichen Mauer hereintrat und die Hazienda unter der südlichen wieder verließ. Wie ich später sah, stand das aus dem Parterre und einem Stockwerke bestehende Hauptgebäude ziemlich in der Mitte hart an dem Bache, über welchen nach Westen hin, wo sich das große Thor in der Mauer befand, eine Brücke führte. Außerdem gab es innerhalb der Mauer kleinere Häuschen, in denen die jetzigen Bediensteten wohnten und die zu erwartenden Arbeiter untergebracht werden sollten, ein niedriges, langgestrecktes Magazin zur Aufnahme der Feld- und Gartenfrüchte und mehrere offene Schuppen, welche nur aus hölzernen Säulen und den auf denselben ruhenden Dächern bestanden, unter denen die gefährdeten Tiere bei einem etwaigen Ueberfalle innerhalb der Mauern untergebracht werden sollten. Das große Thor bestand aus sehr starkem Holze und war innen