Der Waldläufer. Gabriel Ferry
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»Wahrhaftig«, antwortete lächelnd Arechiza; »eben weil ich schon hier gewesen bin, habe ich das Verlangen gefühlt, noch einmal zu kommen. Aber welcher Umstand mich zurückgeführt hat, was der Zweck meiner Rückkehr ist, das ist das Geheimnis, das ich Euch später enthüllen werde; aber dieses Geheimnis ist eines von denen, die schwindlig machen, wenn derjenige, der es hört, nicht ein kühner Mann mit starkem Herzen ist. Würdet Ihr ein solcher sein, Herr Senator?« fügte der Spanier hinzu, indem er auf die Augen seines Reisegefährten einen ruhigen Blick heftete, dem aber die Kraft und die Kühnheit, die er von anderen zu fordern schien, eingeprägt waren.
Der Senator konnte einen leichten Schauder nicht unterdrücken. Die beiden Reiter ritten einige Minuten schweigend nebeneinander.
Die Verwirrung des Senators war dem Spanier nicht entgangen, der also wieder begann: »Unterdessen – bis ich Euch alles sagen kann, seid Ihr denn entschlossen, meinen Ratschlägen zu folgen und Euer Vermögen durch irgendeine reiche Heirat, die ich für Euch zustande bringen werde – wie ich versprochen habe —, wiederherzustellen?«
»Ohne Zweifel«, sagte der Mexikaner; »obgleich ich noch nicht das Interesse begreife, das Ihr dafür haben könnt.«
»Das geht nur mich an und ist noch mein Geheimnis. Ich bin keiner von denen, die die Haut des Bären verkaufen, wenn er noch lebt. Sobald ich Euch werde sagen können: ›Don Vicente Tragaduros y Despilfarro, ich habe hunderttausend Piaster Mitgift auf ein Wort von Euch zu Eurer Verfügung!‹, dann erst werde ich Euch meine Bedingungen diktieren, und Ihr werdet sie unterschreiben.«
»Ich sage nicht nein«, rief der Senator, »aber ich gestehe, daß ich vergebens in meinem Gedächtnis eine solche Erbin suche, wie Ihr sie zu finden hofft.«
»Kennt Ihr die Tochter des reichen Eigentümers der Hacienda del Venado, Don Agustin Peña, bei dem wir morgen abend übernachten werden?«
»Oh«, rief der Senator, »die muß wenigstens eine Mitgift von einer Million haben, wie man sagt; aber es wäre Torheit, darauf zu rechnen …«
»Nun, nun«, erwiderte Don Estévan, »es ist eine Festung, die, gut belagert, ebenso wie eine andere kapitulieren würde.«
»Das Gerücht nennt die Tochter Peñas hübsch.«
»Ausgezeichnet!«
»Ihr kennt sie?«
»Vor kaum vierzehn Tagen erst habe ich die Ehre gehabt, ihre schöne weiße Hand zu küssen.«
Der Senator sah den Spanier mit erstaunter Miene an. »Ist vielleicht die Hacienda del Venado das Ziel Eurer periodischen und geheimnisvollen Reisen gewesen, von denen man in Arizpe sprach?«
»Ganz richtig.«
»Ach, jetzt begreife ich«, erwiderte der Senator mit schlauer Miene; »die schönen Augen der Tochter zogen Euch zum Vater!«
»Ihr seid auf falschem Weg; der Vater war ganz einfach nur der Bankier, aus dessen Kasse ich meine Vorräte an Quadrupeln wieder erneuerte, sobald sie erschöpft waren.«
»Ist das heute auch der Grund des Umwegs, den wir machen, um uns nach Tubac zu begeben?«
»Zum Teil!« erwiderte der Spanier. »Aber ich habe noch einen anderen Zweck, der sich auf den Gegenstand bezieht, von dem ich Euch später einmal unterhalten werde.«
»Ihr seid ein Geheimnis für mich vom Kopf bis zu den Füßen«, antwortete der Senator; »aber ich vertraue blindlings Eurem Stern.«
»Und Ihr tut gut daran; es wird vielleicht nur an Euch liegen, wenn nicht der Eure, einen Augenblick verdunkelt, seinen vollen Glanz wiedererhält.«
Die Sonne war ihrem Untergang nahe; die Reisenden waren nur noch zwei Meilen von der Poza entfernt, als sie die öden Ebenen, die wir beschrieben haben, hinter sich ließen. Einige Gummibäume zeigten sich mitten im Sand, der jetzt dem kalkigen Boden folgte; die Gegenstände fingen an, in dem Schatten, den die Abenddämmerung nach und nach über die Landschaft ausbreitete, weniger sichtbar zu werden.
Plötzlich hielt das Pferd Don Estévans an und spitzte die Ohren, wie es diese Tiere beim Anblick eines Gegenstands tun, der ihnen Schrecken einflößt. Das Pferd des Senators machte es ebenso, aber weder der Spanier noch der Senator sahen etwas.
»Es ist der Leichnam irgendeines toten Maultieres«, sagte der Mexikaner.
Die Reiter gaben ihren Tieren die Sporen und ließen sie trotz ihres Widerwillens vorgehen. Da bemerkten sie hinter einem Haufen Aloe den Körper eines Pferdes auf dem Sand liegen. Eine ähnliche Begegnung ist nicht ungewöhnlich in einem dürren Land, wo das Wasser sich während der trockenen Jahreszeit nur in weiten Entfernungen voneinander findet, und die Reisenden hätten dem keine Aufmerksamkeit geschenkt, wäre das Pferd nicht gesattelt und gezäumt gewesen. Dieser Umstand bewies sogleich irgendein außergewöhnliches Ereignis.
Cuchillo hatte die beiden Reisenden, die vor dem toten Pferd hielten, wieder eingeholt. »Ei«, sagte er, indem er es aufmerksam betrachtete, »der arme Teufel, der es ritt, hat sich in einer doppelten Verlegenheit befinden müssen, da er zugleich sein Pferd und seinen Wasserschlauch verloren hat.«
Wirklich hatte das Pferd so plötzlich fallen müssen – ohne Zweifel vom Durst wie vom Blitz getroffen —, daß sein Reiter nicht Zeit gehabt hatte, es aufzurichten. Dies war nach einem Schlauch zu urteilen, der noch am Sattelbug befestigt war und bei den Zuckungen des Pferdes zerrissen war. Das unter der Sonne schon zusammengeschrumpfte Leder ließ noch die Öffnung erkennen, durch die sich das Wasser, das darin war, bis auf den letzten Tropfen im Sand verloren hatte.
»Es wird vielleicht nicht lange dauern, und wir begegnen dem Reiter, der ebenso krank wie sein Pferd sein wird«, sagte Cuchillo, nachdem er den Leichnam des Tieres untersucht hatte. »Dabei erinnere ich mich, daß ich einen wütenden Durst habe«, fuhr er fort. Und er verschluckte mit philosophischem Gleichmut einen Mundvoll Wasser, das er bei sich hatte.
Die Spuren eines Mannes, auf dem Sand eingedrückt, bewiesen, daß der Reisende seinen Marsch zu Fuß fortgesetzt hatte; aber auch, daß die Kräfte ihm schon zu fehlen schienen, denn außer der ungleichen Entfernung zwischen jedem Schritt hatten auch die Eindrücke nicht die bestimmten, glatten Umrisse wie bei einem Reisenden, der gut zu Fuß ist.
Diese Anzeichen entgingen Cuchillo nicht, der zu den Leuten gehörte, in deren Augen gewisse stumme Zeichen untrügliche Offenbarungen sind. »Der Reisende kann ganz entschieden nicht weit sein«, sagte er. Er verschluckte noch einen Mundvoll Wasser.
Wirklich brachten einige Minuten Weges die Reisenden zu einem Mann, der unbeweglich am Rand der Straße lag. Ein breiter Strohhut bedeckte sein Antlitz ganz und gar, als ob er es den Augen der Vorübergehenden hätte verbergen wollen. Die Kleidung des unglücklichen Reisenden verriet seine Armut. Sein Anzug bestand außer dem Hut, der seine Züge verhüllte und vor Alter das Stroh sehen ließ, aus einer Indienneweste, deren Farben die Sonne ausgesogen hatte, und aus Calzoneras aus Nankin mit Drahtknöpfen, die in keinem besseren Zustand schienen als die Weste. Das war alles, was man in der Dunkelheit von ihm sehen konnte.
»Benito«, sagte der Spanier zu einem seiner Diener, »entfernt mit der Spitze Eurer Lanze den Hut, der das Gesicht dieses Mannes bedeckt; vielleicht ist er nur eingeschlafen.«
Der Diener vollbrachte den Befehl seines Herrn und nahm den Hut weg, ohne einen Fuß auf die Erde zu setzen; aber der Mann auf der Erde machte keine Bewegung. Was sein Gesicht betraf, so war es unmöglich, es zu unterscheiden – die Dunkelheit nahm schnell zu, wie gewöhnlich in tropischen Gegenden.