Südamerika. Friedrich Gerstacker

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Südamerika - Friedrich  Gerstacker

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Segel auf offenem Meere ist stets ein interessanter Gegenstand, um so mehr dieses, da es das erste war, das uns auf dem Ocean in Sicht kam, und wir schauten seinem Nahen mit gespannter Aufmerksamkeit entgegen. Es kam mehr und mehr heran – an unserem Gaffelbaum flatterte die Bremer Flagge und von dem anderen Fahrzeug – stieg grüßend die dänische – das weiße Kreuz im rothen Felde, empor. Es war vielleicht ein Holsteiner, aber jedenfalls wehten diese beiden feindlichen Flaggen hier – was auch die Nationen daheim gegeneinander beginnen mochten, sich friedlich gegenüber, und stiegen zuletzt Abschied nehmend dreimal auf und nieder.

      Mit derselben herrlichen Brise erreichten wir die Breite der Insel Madeira, die wir jedoch nicht zu Gesicht bekamen, und trafen hier den Nordostpassat, der uns eine rasche Fahrt, unserem nächsten Ziele zu, versprach, oder uns doch wenigstens glücklich und schnell unter den Aequator bringen mußte.

      Die See, die bis dahin eine sehr starke Dünung gehabt, wurde in den Passaten ziemlich ruhig, die Seekranken erholten sich vollkommen, und man sah wieder einmal freundliche belebte Gesichter und – etwas sehr seltenes bis dahin – hungrige Mägen. – Es wird jetzt aber auch Zeit, daß ich zu unserem Schiff und dessen Passagieren und Eintheilung übergehe.

      Der Talisman führte 101 Passagiere – 31 in der Cajüte und 70 im Zwischendeck, und es ist dieß vielleicht das erste deutsche Auswandererschiff das, gänzlich ohne Frauen an Bord, fast nur mit jungen Leuten in See, einem fernen Welttheile zuging. Die erste Woche auf dem Meere zeigte aber schon wie nöthig es sey, daß eine gewisse Ordnung besonders in das Zwischendeck gebracht werde, wo Ordnung und Reinlichkeit auf einer so langen Fahrt durch die heiße Zone besonders nöthig sind, und wo doch eigentlich niemand verpflichtet war darauf zu sehen. Die Passagiere entwarfen deßhalb unter sich (wobei sich besonders ein Herr Kamberg verdient machte), Statuten, erwählten K. zum Präsidenten des Zwischendecks, andere Passagiere zu Vorständen, und erreichten dadurch vollkommen alle die Bequemlichkeiten, die durch Ordnung und Reinlichkeit nur erreicht werden konnten. Diese Statuten zeigten sich um so vorzüglicher, da sie in ihren einzelnen Punkten erst aus dringender Nothwendigkeit hervorgegangen waren, und ich will deßhalb für später nachfolgende Schiffe eine Abschrift derselben hier beifügen.

      Zwischendecks-Statuten der Barke Talisman.

      »Es kann einem jeden Passagier des Talisman nur daran gelegen seyn, daß Ordnung, Reinlichkeit und gegenseitiges anständiges Benehmen unter den Passagieren eingeführt und festgehalten werde. Zu dem Ende haben sämmtliche geehrte Mitreisende diese Statuten durchzulesen und ihre Genehmigung zuzusagen, indem ja zu erwarten steht, daß jeder Ordnungs- und Friedliebende mit dem Inhalt derselben vollkommen einverstanden seyn wird.

      §. 1. Jeder Bettkamerad hat genau darauf zu sehen, daß die in einer Coje liegenden Passagiere allwöchentlich ein reines Hemde, überhaupt reine Leibwäsche anziehen.

      §. 2. Es muß durchaus von jedem Mitreisenden darauf gesehen werden, daß niemand sich im Zwischendecke wasche oder den Kopf reinige.

      §. 3. Es werden von den Passagieren täglich zwei die Tour übernehmen, um Reinlichkeit und Ordnung im Zwischendeck aufrecht zu erhalten.

      §. 4. Rauchen und Feuer anmachen im Zwischendeck kann nicht gestattet werden.

      §. 5. Alle 14 Tage findet eine neue Vorstandswahl statt, und muß der Gewählte die Stelle das erstemal annehmen.

      §. 6. Jeder Passagier muß seinen Koffer so einrichten, daß er die nothwendigsten Sachen nur in dem einen Collo behält und die übrigen Sachen zum »verstauen« oder »in den unteren Raum packen,« geben kann.

      §. 7. Jedes Gepäck muß in oder vor der zu bewohnenden Coje placirt werden.

      §. 8. Es darf nichts im Zwischendeck auf die Erde geworfen werden, wie z. B. Härings- oder Citronenschalen, Brod, Fleisch u. s. w., auch darf darin keine Pfeife gereinigt, noch Cigarrenstummel weggeworfen werden.

      §. 9. In der Coje selbst darf kein Essen aufbewahrt werden, die Erfrischungen natürlich ausgenommen, die vom Lande mitgenommen sind, wie z. B. Citronen, Zucker, Getränke, Tabak, Cigarren u. s. w.

      §. 10. Derjenige, der sich Essen aufbewahren will, muß dafür Sorge tragen, daß dieses außerhalb der Coje an einem festen Orte seinen Platz findet, ohne irgend jemand zu belästigen.

      §. 11. Jeden Morgen um acht Uhr haben sich die Passagiere aus dem Zwischendeck zu entfernen, damit dieses gereinigt werden kann.

      §. 12. Die Reinigung geschieht in der Reihenfolge, und zwar den vom Vorstand zu bestimmenden Nummern der Coje nach.

      §. 13. Die Matrazen werden ebenfalls aus bestimmten Cojen jeden Morgen und abwechselnd aufs Verdeck gebracht und von ihren Eigenthümern ausgeklopft und gelüftet.

      §. 14. Der Aus- und Eingang der Passagiere von Coje Nr. 1, 2, 3, 4, 11, 12, 13 und 14 geschieht durch die große Hinterluke; der der Bewohner der Cojen 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 16, 17, 18, 19 und 20 durch die Vorderluke.

      §. 15. Wer von den Passagieren vor dem Reinmachen nicht aufgestanden ist, muß liegen bleiben bis alles in Ordnung ist.

      §. 16. Beschwerden jeder Art müssen dem Vorstand angezeigt werden, und wird dieser bemüht seyn solche zu beseitigen.

      §. 17. Daß obige Paragraphen in allen ihren einzelnen Punkten befolgt werden, dafür wird der von den Mitreisenden gewählte Vorstand Sorge tragen.«

      Ich habe die vorstehenden Statuten fast wörtlich nachgeschrieben und ihre Nutzbarkeit hat sich in den späteren Monaten auch vollständig bewährt.

      So nöthig aber auch Ordnung und Reinlichkeit auf einem Schiffe sind, so verlangen die Passagiere doch gewöhnlich noch mehr als diese, und Leute die noch nie eine Seereise gemacht haben, und vielleicht gar mit dem Gedanken an Bord kommen, hier dieselben Bequemlichkeiten zu finden wie auf dem festen Land, müssen sich denn wohl, wie das auch kaum anders geschehen kann, sehr in ihren Erwartungen getäuscht finden.

      Sonderbar oder vielmehr eigenthümlich ist es dabei, daß gerade solche, die es in der Heimath am schlechtesten hatten, die den meisten Entbehrungen ausgesetzt waren und sich kaum so gute und regelmäßige Kost, bei harter Arbeit, verschaffen konnten, wie sie es jetzt auf dem Schiff bekamen, es auch stets zuerst sind die unzufrieden über Essen und Trinken werden, während gerade die Verwöhntesten, die gleich mit der Voraussicht von vielen Entbehrungen an Bord gingen, es auch meistens am ruhigsten und geduldigsten ertragen, und es eher unter ihrer Würde halten über solche kleine Unbequemlichkeiten, die nun doch einmal mitgemacht werden müssen, ein Wort zu verlieren.

      Unser Schiff hatte hierin noch einen besonderen Nachtheil. Auf kurzen Reisen, wie nach den Vereinigten Staaten, oder selbst nach Rio de Janeiro, wo der längste Termin der Fahrt, wenn nicht ein besonderer Unglücksfall eintreten sollte, zwei Monat seyn kann, läßt Mancher schon eher fünfe gerade seyn, und wenn er erst anfängt irgend einen Uebelstand zu fühlen, so ist dann auch schon ein so bedeutender Theil der Reise zurückgelegt, daß sie es kaum noch der Mühe werth glauben eine Aenderung zu verlangen. Unsere Fahrt mußte dagegen, selbst im günstigsten Fall schon fünf Monate dauern, ja es konnten sechs und sieben daraus werden, und wo andere Reisende es bald überstanden wußten, da begannen es die Unsrigen erst recht zu fühlen und schlugen Lärm. Hierzu kam noch daß wir Deutschland gerade in der bewegtesten Zeit verlassen hatten und Volksversammlungen so zu sagen ein »dringendes Bedürfniß« geworden waren; die Folgen blieben deßhalb nicht aus.

      Unzufriedenheit murrte gar bald an Bord des Talisman – im Zwischendecke wie in der Cajüte, und besonders klagte das erste, und zwar nicht ohne Grund, über ungenießbares, oder wenigstens allzu zähes und altes Fleisch, wie – allerdings ohne Grund, über Beschränkung des ihnen versprochenen

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