Old Surehand II. Karl May

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Old Surehand II - Karl May

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kennt ihn auch ein tüchtiger Kerl! Wenn Euch ein anderer als ich gesagt hat, er sei Tim Kroner, der Coloradomann, so hat er gelogen und war ein Schwindler. Das laßt Euch gesagt sein, sonst stopfe ich Euch den Mund mit dieser Klinge hier!«

      Er zog sein Bowiemesser aus dem Gürtel. Sofort hatte ich meinen Revolver in der Hand, richtete den Lauf auf ihn und antwortete:

      »Stoßt nur zu, wenn Ihr die Zeit dazu findet! Kugeln pflegen schneller als Messerklingen zu sein.«

      Er stand einige Augenblicke da, ließ dann das Messer sinken und sagte in verächtlichem Tone:

      »Pshaw! Tim Kroner hat es gar nicht nötig, etwas darauf zu geben, was so ein Kerl, wie Ihr seid, für Gesichter schneidet. Zieht also Fratzen, so viel Ihr wollt; ich habe nichts dagegen und bleibe wer ich bin!«

      Er steckte das Messer wieder in den Gürtel und kehrte auf seinen Sitz zurück. Die Zuhörer hatten diesen friedlichen Ausgang nicht erwartet, kleideten aber ihre Enttäuschung nicht in Worte. Ich hätte ganz anders auftreten können, doch fiel es mir nicht ein, den Gästen eines Kost- und Logierhauses ein Schauspiel nach Art der Runners und Loafers zu bieten. Mochte man immer denken, ich fürchte mich vor diesem sogenannten Coloradomann!

      Als er seinen Platz wieder eingenommen hatte, ließ er seinen Blick an der Tafel rundum gleiten und fragte:

      »Wollt vielleicht auch ihr es bezweifeln, Mesch‘schurs, daß ich der echte Tim Kroner bin?«

      Sie schüttelten die Köpfe, und einer der Gentlemen, der bis jetzt noch nicht gesprochen hatte, antwortete:

      »Wir haben keinen Grund, es nicht zu glauben. Uebrigens kann ich zu dem Schlusse Eurer Erzählung eine Bemerkung machen, die Ihr vielleicht gern, vielleicht auch ungern hören werdet.«

      »Welche?« »Ihr könnt den Kanada-Bill nicht erschießen.«

      »Warum?«

      »Weil er schon tot ist.«

      »All devils! Er ist tot?«

      »Yes.«

      »Wißt Ihr das genau?«

      »Sehr genau.«

      »Wo ist er gestorben?«

      »Auf der Mission Santa Lucia bei Sakramento.«

      »An was? Doch nicht an einer Krankheit? Einen solchen Tod hätte der Halunke nicht verdient.«

      »Oh, so billig ist er nicht weggekommen. Er hat sein Ende einem Manne zu verdanken, dessen Name vorhin genannt worden ist.«

      »Welcher Name?«

      »Old Shatterhand.«

      »Was? Old Shatterhand hat ihm das Handwerk gelegt?«

      »Ja.«

      »Wie ist das geschehen, Sir?«

      »Das ist eine interessante, höchst interessante Geschichte, die ich eigentlich hätte veröffentlichen sollen. Ich bin nämlich Litterat, Mesch‘schurs; ich sage das für diejenigen von euch, die das noch nicht wissen.«

      »Erzählt es doch; erzählt‘s!« rief es im Kreise.

      »Hm! Es ist eigentlich von einem Bücherschreiber nicht klug, etwas mündlich zu erzählen, was er durch die Presse veröffentlichen will; das werdet ihr einsehen, Gent‘s.«

      Er wollte augenscheinlich noch mehr gebeten sein; dies geschah denn auch, und so erklärte er:

      »Well, wir sind heut einmal so schön beim Erzählen, und so sollt ihr die Geschichte hören, genau so, wie sie sich zugetragen hat.«

      Mutter Thick kam jetzt bei mir vorüber und flüsterte mir zu:

      »Dank, Sir, daß Ihr vorhin den Krawall vermieden habt! Mit der jetzigen Erzählung werdet Ihr zufrieden sein. Er schreibt Bücher, und erzählt so schön, oh so schön!«

      Na, da war ich denn doch neugierig, was dieser Mann für eine Geschichte aus den einfachen Thatsachen machen würde.

      Er setzte sich in Positur und begann im Tone eines geübten und gewandten Erzählers:

      »Es war im Hafen von Sacramento, in welchem sich ein Bild von den lebhaftesten Farbentönen entwickelte. Die Menge, welche sich geschäftig über den Quai ergoß oder lungernd umhertrieb, schien nicht aus den Bewohnern eines besonderen Distriktes oder gar einer einzelnen Stadt zu bestehen, sondern glich eher einem Karneval, der die Repräsentanten aller Nationen für kurze Zeit vereinigt hat.

      Hier stand eine Gruppe magerer Yankees in dem unvermeidlichen schwarzen Fracke, den hohen Cylinderhut weit nach hinten auf den Kopf gedrückt, die Hände in den Taschen und goldene Uhrketten, Tuchnadeln, Hemdknöpfchen und Berloques eingehakt. Dazwischen drängte sich ein kleiner Schwarm Chinesen herum in ihren blauen Kattunjacken und weiten, weißen Hosen, die langen Zöpfe wohl gepflegt und geflochten. Südseeinsulaner waren da, die scheu, verlegen und verwundert auf dem fremden Boden einhergingen und, wenn ihnen etwas nach ihren Begriffen gar zu Absonderliches in die Augen sprang, die Köpfe leise flüsternd zusammensteckten. Mexikaner stolzierten umher mit ihren an der Seite bis oben hin aufgeschlitzten und mit silbernen Knöpfen besetzten Sammethosen, und den kurzen, ebenso garnierten Jacken, den breitrandigen Wachstuchhut auf dem Kopfe. Californier mit ihren langen, in den prachtvollsten Farben gewebten Ponchos, die ihnen fast bis an die Knöchel herabreichten; schwarze Ladys und Gentlemen, nach tausend Wohlgerüchen duftend und in dein überzeugendsten Putze steckend, ernste Indsmen, die mit gravitätischem Schritte durch die Menge stiegen; gemütliche Deutsche, Engländer mit Cotelettenbärten und riesigen Zwickern auf der Nase, bewegliche, kleine Franzosen, zankend, erzählend, rufend und auf das lebhafteste gestikulierend, rothaarige Irländer, nach Aquardiente[5], duftend; Chilenen in ihren kurzen Ponchos; Trappers, Squatters, Backwoodsmen in ihren ledernen Jagdhemden, die lange Büchse noch auf der Schulter, wie sie gerade über das Felsengebirge gekommen waren; Mestizen und Mulatten in allen Farbenstufen und Schattierungen, und dazwischen die aus den Minen oft mit schweren Beuteln von Gold zurückgekehrten Goldwäscher in den phantastischsten Kostümen, die man sich nur zu denken vermag, in ihren Kleidern auf das entsetzlichste abgerissen, mit geflickten Hosen, Röcken, Westen und Jacken, mit zerrissenen Stiefeln, aus denen die nackten, strumpflosen Zehen hervorblickten, und Hüten, die monatelang am Tage der Sonne und dem Regen getrotzt und dann des Nachts als Kopfkissen gedient hatten. Und in den kleinen Gruppen standen dabei die Eingeborenen des Landes, die eigentlichen, rechtmäßigen Herren des Bodens und doch vielleicht die einzigen vollständig Besitzlosen in der ganzen Masse, die ihr Leben jetzt durch Tagelohn kärglich fristen mußten.

      Und dieser bunten Völkermischung schlossen sich allerlei respektgebietende glänzende Gestalten an: amerikanische und englische Seeleute mit breiten Schultern, riesigen Fäusten und herausforderndem Blicke, und eine Anzahl spanischer Marineoffiziere, die in ihren blitzenden, goldgestickten Uniformen von San Francisco herbeigekommen waren, um sich das geschäftige Treiben in der Nähe der Golddistrikte einmal anzusehen.

      Fast hätte man sagen können:

      »Wer zählt die Völker, nennt die Namen!«

      Und was hatte all die Ingredienzien der vielgestaltigen anthropologischen Mixtur herbeigetrieben? Nichts anderes als – das Gold.

      Die Ansiedelung von Oberkalifornien, welche im Jahre 1768 von Mexiko aus geschah,

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Schnaps.