Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Fünf oder sechs andere kämpften heldenmütig mit einer überlegenen Zahl von Gegnern, ebenso Andreas Fokke und Uve Mensinga, die beide treulich den furchtlosen Briten zur Seite blieben. Heye Wessel sprang hinzu. »Macht mir Platz, Kameraden! Wo ist Klaus Visser mit seinem Jungen?«
»Da hinaus!« schrie Uve Mensinga, auf das Meer deutend. »Sein Pferd ging durch!«
Heye Wessel raffte ein Gewehr vom Boden und schlug blind und toll in die Reihen der Franzosen hinein. In diesen wuchtigen Hieben, in jeder seiner Bewegungen spiegelte sich das zornige Ringen des geknechteten Inselvolkes, der heiße glühende Haß gegen die französischen Unterdrücker. Hageldicht fielen die Streiche, aber wo ein Franzose fiel, da erstanden an seinem Platze sechs andere – die Sache der Schmuggler war von Anfang her zu ihrem Nachteil entschieden gewesen.
»Halloh!« rief Heye Wessel, »wer ist denn das da?«
Seine Faust packte einen todbleichen Mann, dessen schlotternde Knie keinen Fluchtversuch zuließen. »Aha, du bist‘s, Peter Witt! – Judas! Freust dich des gelungenen Werkes, nicht wahr?«
Der Verräter schauderte. »Laß mich, was tat ich dir, Heye Wessel? Jeder von uns hat seine Meinung für sich!«
Der Riese schüttelte ihn wie ein gebrochenes Rohr. »Wo ist Lars Meinders, du Elender? Wo ist Jakob Brahms? – Gute Friesen und tüchtige Männer sind gefallen um eines Verräters willen, andere werden morgen von den Schanzwällen herab erschossen – das alles ist dein Werk! Sei verflucht, Peter Witt, sei verflucht, so lange du über die Erde gehst, der Tod speit dich aus, du sollst leben, um zu leiden!«
Er schleuderte ihn von sich und versuchte es dann, den Baltrumer Wattführer aus den Händen der Franzosen zu befreien. Uve Mensinga war verschwunden; er hatte eins der flüchtigen Pferde ergriffen und den Weg zur Insel einen Augenblick offen gefunden. Andreas Fokke schlug um sich wie ein Verzweifelter, aber nach kurzem Widerstande war auch er überwältigt. Mehr als zwanzig Franzosen fielen ihm und dem Riesen in den Rücken; sie wurden beide gebunden an Bord der »Hortense« gebracht.
Ein frohlockender Blick traf Heye Wessels Gesicht. »Gedenkst du noch der Kisten mit Sand, dreister Schmuggler? Damals triumphiertest du, heute ist die Reihe an mir!«
Der Leutnant drehte vergnügt das Bärtchen. Ja, ja, die Scharte war ausgewetzt.
Und der Kapitän?
Sein Fuß blutete stark, er war vor Schmerz außerstande, das Pferd gehörig zu lenken, es stürzte blindlings in die Finsternis hinein, verfolgt von mehreren Schüssen, und taumelte dann, als eine Kugel getroffen hatte, zusammenbrechend gegen den Rand eines größeren Tümpels, wo es liegenblieb und schweratmend verendete.
Klaus Visser versuchte sich zu erheben, aber er fand bald, daß es ihm unmöglich sei. Der Fuß war jedenfalls gebrochen, ein entsetzlicher Schmerz folterte den eisernen Mann, er konnte sich nicht von der Stelle bewegen.
Und dennoch wurde der Gedanke an sein eigenes Schicksal ganz in den Hintergrund gedrängt durch den an seinen Sohn. Wo war Onnen?
Allein im Kampfe, vielleicht getötet, vielleicht gefangen, um demnächst erschossen zu werden. Der unglückliche Vater ächzte.
Er durfte nicht rufen, kein Geräusch verursachen. Ganz abgesehen von dem eigenen Verderben konnte er durch jedes Wort, jeden Laut auch das des Knaben herbeiführen.
Sein Herz schlug heftig; unter den brennenden Schmerzen der Wunde kreuzten sich in dem erregten Gehirn die widerstreitendsten Gedanken. War es recht, so den Gesetzen zu trotzen, nicht etwa aus Armut, gedrängt und getrieben von der bitteren Not des Lebens, sondern mit geheimer Freude an dem Verbotenen? War es recht, so alles aufs Spiel zu setzen – gewaltsam, rücksichtslos, nur aus Eigensinn?
Aber die Reue kam zu spät. Wenn vier oder fünf Stunden vergingen, dann rauschte die Flut heran und hohe Wogen wälzten sich über die Stelle, wo er lag. Dann war alles vorbei, die Franzosen um ihren Gefangenen betrogen.
Wie der Kampf tobte, wie Schrei um Schrei herüberklang. Das war Heye Wessel, aber in dem Tone, den er hervorstieß, lag kein Siegesjubel. »Ach, Onnen, Onnen, wo bist du? – Vergebe mir Gott die Todsünde, daß ich ihn mitgehen ließ!«
Er tauchte die Hand in das Wasser und goß es über den brennenden Fuß. Wie furchtbar der Schmerz, wie unerträglich!
Wenn er sich einmal, ein einziges Mal umwandte, wenn er nur für Sekunden seine Kräfte zusammenraffte, dann hatte ihn die tiefe Gate verschlungen und der Kampf war vorüber, er lag weich gebettet da unten im Wasser. Sollte er‘s tun?
Durch sein Inneres ging schwere Erschütterung. »Nein! Sünde häufen auf Sünde, noch dem Willen Gottes widerstreben im letzten Augenblick? – Nein!«
Er lag regungslos. Was da kam, das würde ihn vorbereitet finden.
Über den weißen Sand fiel ein Schatten, spähende Gestalten schlichen herbei, Franzosen, die das Pferd im Todeskampfe ächzen hörten und dem Schalle nachgingen. Jetzt sahen sie den Leichnam, aber wo war der Reiter?
Und dann hatte einer der Soldaten den Daliegenden entdeckt, ein erstickter Jubelruf brach über seine Lippen. Der Führer des Schmugglerschiffes – welch ein Fang!
Klaus Visser war außerstande, sich selbst zu helfen, er fühlte, wie Hitze und Kälte in seinen Adern wechselten – von fern drang das Toben des Kampfes bis zu ihm; er stieß einen Schrei aus, einen einzigen qualerpreßten Schrei, und dann verlor er das Bewußtsein.
Die Franzosen hoben ihn schleunigst auf und trugen ihn als ersten Gefangenen an Bord ihres Schiffes.
Einer hatte den Schrei gehört, ein einziger – Onnen. Die Stimme seines Vaters war zu ihm gedrungen, ein eisiges Erschrecken lief durch alle seine Adern. Er stürzte blindlings fort, unbekümmert um die Franzosen, welche ihn sahen, um die Kugeln, welche ihm nachgeschickt wurden, aber er beherrschte sich doch genügend, um den Ruf des Vaters wenigstens nicht zu beantworten.
Der Weg über das Watt war schmal, es konnte nicht schwer werden, hier einen Menschen, selbst einen verwundeten, aufzufinden. Onnen eilte vorwärts, das Kampfgetümmel blieb hinter ihm, er ließ sich nicht die Zeit, irgend etwas zu beobachten, sondern stürmte nur weiter, dem einmal gehörten Schalle nach – dann blieb er plötzlich erschreckend stehen. Nahe am Rande der Gate lag das tote Pferd – was war hier geschehen?
Raubvögel flogen auf, als er kam, kreischend und flügelschlagend, das Wasser glitzerte hell – von dem Kapitän war nichts zu entdecken.
»Vater!« rief halblaut, mit erstickter Stimme der Knabe. »Vater, wo bist du?«
Alles blieb still.
»Vater, um Gottes willen, gib Antwort!«
Nichts! – So sehr er auch horchte und spähte. Nichts!
Ein schauerlicher Gedanke hatte sich seiner Seele bemächtigt. Sollte der Kapitän, durch den jähen Sturz des Pferdes weitab in den Sand geschleudert, der Gate zu nahe gekommen sein? Sollte er da unten im Wasser liegen?
Onnen warf sich im selben Augenblick, als die Frage entstand, platt auf den Boden und streckte den rechten Arm bis über die Schulter in das Wasser, dann, als er nichts entdeckte, kroch er vorsichtig um den Rand der Vertiefung herum und untersuchte überall den Schlick des Grundes, der für seine Fingerspitzen gerade eben erreichbar blieb.
Während dieser eifrigen Nachforschung überhörte er es, daß sich