Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Der Engländer Malcolm stützte den Kopf in die Hand, Lars Meinders schrieb an seine junge Frau einen Abschiedsbrief, den ihm Amke besorgen wollte – nur leises Weinen, die Laute der bittersten Trauer klangen durch den halbfinsteren Raum!
»Eins versprichst du mir, Mutter«, bat der Kapitän, »Onnen soll niemals schmuggeln! Und wenn die gegenwärtigen Verhältnisse noch jahrelang andauern – er soll sich an dem Schleichhandel nicht mehr beteiligen. Willst du ihm das sagen als letzten Gruß von mir?«
»Ja, Vater!«
Er küßte liebevoll ihre blassen zuckenden Lippen. »Es ist nur eine kurze Strecke Weges, Mutter – dann sind wir wieder vereint. Im Alter gehen ja die Jahre so schnell, weißt du, und vorläufig braucht dich unser Junge noch sehr notwendig – du mußt leben für ihn, meine arme Douwe!«
»Ja! – Ja!«
Er beugte sich näher zu ihr. »Mutter, hast du es mir recht von Herzen verziehen, daß ich gegen deinen Willen auf den Schmuggelhandel ging? Sag mir‘s, grollst du nicht?«
Da sah sie ihn an. »Ich – dir? Ach, Klaus, zuweilen war ich heftig, hab‘ als junge Frau in früheren Tagen meine Launen gehabt – heut tut mir‘s so weh, daran zu denken. Ich möcht‘, ich wär‘ eine bessere Frau gewesen.«
Er streichelte ihr runzelvolles Gesicht. »Uns waren friedliche, glückliche Jahre beschieden, Mutter, wir lebten einträchtig und hatten unser gutes Auskommen – du bist die beste vortrefflichste Frau, welche ich jemals kennengelernt und warst es immer.«
Er zog von der rechten Hand den Trauring und gab ihn der unglücklichen Frau. »Da, Mutter, du hast ihn mir als junge Braut geschenkt und er begleitete mich seitdem in alle Häfen der Erde, in Not und Tod – nun trage den treuen Gefährten zur Erinnerung an mich – willst du das?«
Frau Douwe konnte nicht antworten, ihre mühsam behauptete Kraft brach zusammen. Als der Ring nicht mehr am Finger des Kapitäns steckte, sank sie lautlos in tiefer Ohnmacht zurück.
Klaus Visser seufzte schmerzlich. »Georg, mein Junge«, sagte er, »komm her und erbarme dich meiner armen Alten. Der Abschied wird nur schwerer, je länger wir ihn hinausschieben; geht, Kinder, und Gott sei mit euch!«
Heye Wessel stand auf; er hielt Sohn und Tochter fest an die Brust gedrückt. »Adjes, Amke, bleib gut, hörst du! Ihr seid jung, ihr lernt vergessen, das Glück lacht auch für euch wieder. So, so, du mußt nicht weinen, Kind, dein Bruder ist fast schon ein Mann, er wird dich beschützen und von hier fort zum Onkel nach Marienhafen bringen, nicht wahr, Georg? Adjes, mein Junge, hab‘ immer Gott vor Augen, hörst du! Deine Mannesehre muß dir allezeit heilig sein!«
Ein gepreßtes: »Ja, lieber Vater!« rang sich aus der Brust des jungen Mannes. Er, der vorher so zuversichtlich gewesen, weinte wie ein Kind, er fiel mit beiden Armen seinem Vater um den Hals. »Leb wohl! Leb wohl!«
Der französische Unteroffizier kam und berichtete schonend, daß die Besuchsstunde vorüber sei. Wie im halben Traume reichte Georg dem Kapitän und dem Wattführer die Hand, dann half ihm der Soldat, die ohnmächtige Frau an Deck zu bringen, und alles war vorbei.
Im Herzen des jungen Mannes erhob sich ununterdrückbar eine Stimme, die ihm zuflüsterte, daß er seinen Vater nie – nie auf Erden wiedersehen werde.
Unterdessen stand Onnen am Fenster und spähte auf die Straße hinaus. Seine getreue Hüterin, Frau Raß, war sehr schweigsam, von ihr erfuhr er nicht viel, sondern mußte sich in die Küche schleichen, um Folke Eils zum Sprechen zu bringen.
»Hört mal, Alte, war nicht heute morgen ein fremder Mann hier?«
Sie seufzte kläglich. »Das geht dich gar nichts an, Kind.«
»Aha«, rief er, »nun weiß ich schon genug! Gestern abend schlichen auch Leute in den Holzstall und Ihr habt ihnen eine Mahlzeit gebracht. Das geht gegen die Franzosen – man will den Vater und seine Gefährten heraushauen!«
Er sprang davon. Weder Frau Raß noch Folke Eils konnten ihn halten; wie der Blitz lief er in den Holzraum und atmete tief, als ihm zwei bekannte Gesichter entgegensähen, Baltrumer Fischer, die hier versteckt waren, um morgen in aller Frühe zur Hand zu sein.
»Abel Voß und Tieze Holtmann!« flüsterte er. »Ach, nun bin ich gesund – ich kann mit von der Partie sein. Erzählt mir alles, Leute!«
»Sprich nur nicht so laut. Junge. Überall lauern Spione!«
Und dann berichteten sie flüsternd von dem Plane, den Uve Mensinga und Georg Wessel entworfen hatten. Später kam der letztere selbst hinzu, Onnen erfuhr, daß sein Vater am nächsten Tage erschossen werden solle, aber wie vorher Heye Wessels Sohn, so lebte er sich ganz hinein in den Gedanken einer erfolgreichen Rettung, so berauschte er seine Seele an der Hoffnung auf ein keckes Vorhaben, von dem noch in Ostfriesland die spätesten Zeiten mit Bewunderung sprechen sollten; das bestimmt war, den Franzosen eine derbe Lehre zu geben und in erster Linie des Vaters teures geliebtes Leben vor den Kugeln der Soldaten zu bewahren.
Georg schüttelte heimlich den Kopf. Auf seine jubelvollen Hoffnungen war ein Reif gefallen und hatte sich nicht wieder bannen lassen.
7
Monsieur de Jeannesson stand am Fenster seines Zimmers, regungslos wie ein Steinbild, blaß wie ein solches. Es war noch vollständig Nacht, aber trotzdem lag schon die erste Dämmerung des aufgehenden Tagesgestirnes über der Umgebung – jenes Tages, an welchem sieben Menschen den Tod erleiden sollten, eines Vergehens wegen, das an keinem Orte der zivilisierten Welt den Schuldigen auf das Schafott führt.
Ein hartes ungerechtes Gesetz, eine Maßregel, die wohl geeignet war, den heimlichen Groll der Insulaner bis zu gewalttätigem Ausbruche zu steigern, ihnen die Rebellion gegen das Übermaß der Bedrückung als einziges Rettungsmittel erscheinen zu lassen – Monsieur de Jeannesson fühlte es, er hatte während der ganzen Nacht nicht geschlafen, sondern war immer unruhig im Zimmer auf- und abgegangen, bald mit einer Eingabe an den Kaiser beschäftigt, bald auf den Hof hinausblickend, wo die Soldaten unter voller Bepackung marschbereit standen und lagen.
Es wurde allmählich immer heller und heller. Die Umrisse des Schiffes traten aus der Dämmerung hervor, die Bootsmannspfeife erklang, die Wache wechselte und wieder war alles still. Vier Uhr! – Noch zwei Stunden, dann mußte die Exekution stattfinden.
Hie und da schlich jemand am Badehause vorüber, unverdächtige Gestalten, Frauen und alte Männer, auch selbst Kinder – sie faßten an der damaligen Wassergrenze, der Gegend des heutigen »Alten Deiches« Posto, offenbar in der Absicht, die Verurteilten ein letztes Mal zu sehen, vielleicht ihnen noch ein Wort der Versöhnung, des Friedens zuzurufen, ein Lebewohl auf immer.
Mehr und mehr erschienen, jung und alt, viele trugen Blumen in den Händen, Liebesgaben für die Gräber der Erschossenen.
Jetzt blitzte ein voller Sonnenstrahl über das Wasser dahin – der Tag hatte begonnen. Eine Abteilung Soldaten, begleitet von mehreren Unteroffizieren, rückte aus; die Leute trugen teilweise Schaufeln und Brecheisen auf ihren Schultern. Es war an der Stelle, wo heute das Hotel Bellevue steht,