Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich

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verbrochen haben, nicht wahr René? – Doch, was ich gleich sagen wollte; gehen Sie mit nach Papetee? – die ehrwürdigen Protestantischen Herren haben da wieder eine Zusammenkunft, heut Nachmittag, und wie das Gerücht geht beabsichtigen sie den Beschluß ernster Maßregeln, jeden Französischen Einfluß, und mit ihm vielleicht auch gleich wieder die Französischen Priester, die ihnen ein Dorn im Auge sind, von sich abzuschütteln.«

      »Die Missionaire« – sagte René rasch, fuhr aber gleich darauf langsamer fort, »sind wackere und brave, aber kurzsichtige Männer, sie glauben das Heft jetzt in Händen zu haben und spielen so lange damit bis es ihnen unter den Fingern wegschlüpft – sie sollten sich nicht in die Politik mischen.«

      »Was sagt Mr. Nelson dazu?« frug Lefevre.

      »Er hält die Ankunft der Katholiken auch für ein Unglück für die Inseln, ist aber mit den Gewaltsmaßregeln unzufrieden die man dagegen ergreifen will; doch was kann der Einzelne gegen die ganze Schaar ausrichten.«

      »Und gehen Sie mit nach Papetee?«

      »Was sollen wir dort? – herbe Reden hören, die uns vielleicht ärgern und zu Gegenreden treiben? – ich habe keine Freude an der Sache, und sehe das Leid und Elend schon vor Augen das daraus entspringen wird und muß.«

      »Aber wir mögen vielleicht noch Manches mildern was geschehen könnte. Mörenhout ist ein vernünftiger Mann, und wird nicht zu weit gehn.«

      »Was kann Mörenhout thun?« sagte René achselzuckend – »so wie die Missionaire unter dem Schutz eines Englischen Kriegsschiffes stehn, und so lange das im Hafen liegt, daß sie sich sicher fühlen, haben sie das Wort, und wir kennen sie doch dahin gut genug, zu wissen, wie sie das gebrauchen. – Aber ich gehe mit, wir haben dann wenigstens unsere Pflicht gethan, und uns selber nichts vorzuwerfen. Ich komme bald wieder zurück, Sadie,« sagte er sich niederbeugend und ihre Stirn küssend.

      »Bleibe nicht so gar lange aus heut',« bat die junge Frau ihn, leise flüsternd, und die Kleine noch auf dem Knie haltend, die erst die Aermchen um den von ihr Abschied nehmenden Vater geschlungen, sah sie den Männern lange und schweigend nach.

      Aber Aia's Worte hatten doch trübe und schmerzliche Gedanken in ihrer Seele wach gerufen. Nicht für das eigene Glück fürchtete sie dabei; so keck und leicht René auch immer in das Leben stürmte, so treu war er sich geblieben, was sie betraf, von erster Stunde an wo er sie gesehen, und das Kind, das er mit unendlicher Zärtlichkeit liebte, schlang die Bande des Herzens ja noch fester um sie. Aber das wilde Leben der Insel selber; die ihr feindlich dünkende Religion, die weiter und weiter um sich zu greifen drohte, und viel, so entsetzlich viel von dem verwarf, was ihr bis dahin der Seele Heiligstes gegolten; der Unfrieden dabei zwischen den eigenen Lehrern, die Vorwürfe, die von den Missionairen ihrem alten Vater o so ungerecht gemacht wurden, der Römischen Kirche mehr als mit seiner Stellung verträglich zugethan zu sein, wie er denn auch selbst das einzige Wesen das ihm näher stand, einem Katholiken zur Frau gegeben; ja selbst René's Gleichgültigkeit gegen einen Kampf, der doch die heiligsten Interessen ihrer einstigen Seligkeit betraf, das Alles zog ihr in trüben ängstigenden Bildern an der Seele vorüber. – Und dabei hatte ja die arme Aia recht mit so vielen Anderen; wohin sie dachte schrak sie vor dem wilden Treiben zurück, das lockere Bande schlang um Europäer und Insulanerinnen, und sie losließ, wie es dem Augenblick gefiel. Ob das Herz darüber brach, oder die Verlassene in Schmerz und Trotz Entschädigung, Vergessen suchte in wilder lasterhafter Lust; die Welle des flüchtigen Tages schlug über ihr zusammen, und die nächste Sonne hatte vergessen was sie gestern beschien in Lieb und Treue.

      »Mein schönes Atiu,« seufzte sie da leise vor sich hin – »Du lieber, lieber Platz an dem freundlichen Strand – Deine Palmen so grün, Deine Früchte so süß – Atiu. Und der alte kleine Mi-to-na-re da am Haus, der so oft hier herüberdenkt an seine kleine Pu-de-ni-a, die jetzt – aber nein, nein, nein, René fühlt sich wohl hier und glücklich in der, seine Thätigkeit fordernden Welt, und einst kommt denn doch wohl die Zeit, wo er sich wieder zurücksehnt nach jenem stillen Ort unseres ersten, seligsten Glücks – nach Atiu. – Und die Zeit wird wieder kommen,« setzte sie nach einer kleinen Pause zuversichtlich hinzu, »noch hab' ich nicht für immer Abschied genommen von all den liebgewonnenen Stellen, von den guten Menschen – ich weiß nur nicht ob ich mich so recht herzlich darauf freuen soll – oder davor fürchten. Ach es ist ein recht recht böses Ding um das arme Menschenherz!«

      Capitel 3.

      Der Besuch – Aumama

      Sadie saß noch lange träumend da, und ihrem regen Geist tauchten bunte und oft wunderliche Bilder auf, wie sie das Herz sich wohl ausmalt in müßigen Stunden, sinnend und grübelnd ihre Farben schaut, und sich vorspricht daß sie leben und sind – bis sie in Dunst zerfließen, anderen, bunteren vielleicht, Raum zu geben. Aber die Kleine scheuchte ihr bald die Wolken von der Stirn – wenn es wirklich Wolken gewesen, die ihrem sonst so heiteren Antlitz jenen ernsten Schatten gegeben – und mit dem Kinde kosend und spielend kehrte das Lächeln auf ihre Lippen zurück, und sie war bald wieder das heitere frohe Kind des Waldes, dem Gott in seiner unendlichen Vaterhuld alle Wünsche erfüllt, alle Tage gesegnet hatte, und das sich nun auch des heiteren Sonnenlichts freute, in Glück und Dankbarkeit.

      »Hat mir das böse arme Mädchen doch selber fast das Herz schwer gemacht eine ganze Stunde lang,« sagte sie lachend, und das Kind dabei herzend, – »hat uns Steine in den klaren See geworfen, meine Sadie, und das Wasser getrübt, bis an den Rand hinauf. Aber nun wollen wir auch wieder lachen und singen und fröhlich sein, bis Papa zurückkommt und sich freut mit mir, an meinem kleinen lieben Töchterchen. Horch, was ist das? – hörst Du mein Kindchen, wie das trappelt und trappelt da draußen? – das buaa a fai tatatu3 klappert vorbei und Sadie – aber was ist das?« unterbrach sie sich rasch und fast erschreckt, als näher und näher gekommenes Pferdegetrappel plötzlich an ihrer Pforte hielt, und sie Stimmen vernahm – »Fremde hier draußen bei uns? – Was für ein wildes reges Leben diese fremden Männer doch auf unsere stillen Inseln gebracht haben,« setzte sie dann langsamer und kopfschüttelnd hinzu, »und lärmend und lachend sprengen sie Wochentag wie Sabbath die Straßen entlang, sich nicht

      mehr um den heiligen Tag ihres eigenen Gottes kümmernd, als ob das Glockengeläute dem Oro oder Taua gälte. Auf Atiu war es doch stiller und friedlicher, und wenn wir dort – ha, ich glaube wahrhaftig die Leute wollen hier herein.«

      »Dieß muß der Ort sein,« sagte jetzt plötzlich eine Frauenstimme draußen auf der Straße, in Französischer Sprache, die Sadie hatte, selbst in der kurzen Zeit, vollkommen gut und fließend von René sprechen lernen – »wären Sie meinem Rath vorhin gefolgt, Monsieur Belard, so hätten wir nicht ein paar Miles ins Blaue hinein zu galoppiren brauchen – steigen wir ab?«

      »Jedenfalls, wenn es den Damen gefällig ist,« erwiederte eine Männerstimme, »er kann kaum irgend wo anders wohnen.«

      Sadie die, ihr Kind auf dem Arm, auf einen kleinen Ausbau getreten war, von dem aus sie, durch einen dichten Busch des Cap-Jasmins verdeckt, die Straße vor der Thür gerade überschauen konnte, erkannte drei Damen und zwei Herren, alle zu Pferde, die an der Pforte hielten, jetzt abstiegen und den kleinen Hofraum, der zwischen der blühenden Akazienhecke und dem Hause lag, betraten.

      Die Fremden suchten jedenfalls René, und Auskunft zu geben trat sie ihnen, das Kind nach dortiger Sitte auf ihrer linken Hüfte reitend, mit freundlichem Joranna entgegen.

      »Ah, da ist ein Mädchen,« rief die eine Dame, die, das lange Reitkleid emporhaltend, nahe am Hause stehen geblieben war, und sich nach irgend einem lebenden Wesen, das ihr Rede zu stehen vermochte, schien umgesehen zu haben, »aber lieber Gott, Lucie, es ist eine Eingeborene, und mit meinem Tahitisch sieht es noch windig aus – ich kann noch weiter Nichts als Joranna und aita.«

      »Ich

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<p>3</p>

»Das Schwein das Menschen trägt« wie die Insulaner zuerst das Pferd nannten, für das sie keinen Namen hatten.