Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich

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s'ist wahrhaftig zum toll werden wenn man an solche Zeit zurückdenkt, und sich das Alles dann immer und immer wieder vor den eigenen Augen erneuen sieht; ja und immer und immer wieder Thörinnen findet, denen der Hochmuthsteufel tief genug im Herzen steckt sich allein für unverlaßbar zu halten. – Aber Joranna; Ihr seid unverbesserlich, und wenn er erst fort ist, Sadie, will ich Dich auslachen, wie Du es verdienst.«

      Sie warf die Locken von den Schläfen zurück, und wollte nach dem Strand hinunter eilen, als René's Entgegnung sie zurückhielt.

      »Du hast unrecht, Aia,« rief er ihr nach, »doppelt Unrecht, hier gerade in beiden Nachbarhäusern. Sieh Lefevre an und Aumama, länger noch als wir sind sie verheirathet mitsammen, haben zwei liebe Kinder und denken gar nicht daran sich zu trennen.«

      »Denken nicht daran sich zu trennen?« rief Aia, die bei den ersten Lauten schon stehen geblieben war, und den Kopf mit einem spöttischen, fast feindlichen Lächeln dem Redner zugewandt hatte – »denken nicht daran sich zu trennen? ja Du hast recht – wer weiß ob Du nicht noch früher dein Canoe wieder aus den Riffen steuerst als er – aber Le-fe-ve hat sich schon blind gesehen in ein paar andere Augen. Schüttle nicht mit dem Kopf, Wi-wi wenn Du mir nicht widersprechen kannst; reiß ihm das Kleid auf und lege dein Ohr an sein Herz – für wen schlägt's? – bah – so viel für Euch!« und sie schlug trotzig mit der flachen Hand ihre Lende.

      »Aia – komm her zu mir und setze Dich zu mir,« sagte Sadie jetzt mit leiser, bittender Stimme. »Sei nicht so bös und ärgerlich, wir haben Dich lieb hier, und Du meinst es doch nicht so arg, wie Du es sprichst.«

      »Mein ich nicht?« sagte das Mädchen noch im mer halb trotzig und abgewandt, aber doch schon mit viel leiserer, milderer Stimme, als die sanften, bittenden Laute ihr Ohr trafen – »mein ich nicht? und woher weißt Du's, Sadie? – ich hasse Euch Alle miteinander, und wohl, oh entsetzlich wohl soll mir's thun, wenn Ihr Alle – Alle so unglücklich werdet – so – wie – « sie wandte rasch den Kopf ab von Sadie, aber es war nur ein Moment —

      »Aia!« rief Sadie, so bittend, so herzlich – Aia stand zögernd, Trotz und Zorn und Schaam hielten noch die Oberhand in ihrem Herzen, aber nicht im Stand sich zu verstellen, gewann das bessere Gefühl, mit dem einmal aufgerüttelten Schmerz die Oberhand, und mit wenigen Schritten an ihrer Seite, kauerte sie neben ihr nieder, barg das Antlitz an ihrem Schooß und flüsterte leise unter ausbrechenden Thränen:

      »Du bist gut, Sadie, gut wie – wie – ich habe keinen Vergleich mehr, denn unsere Götter haben sie uns auch genommen und die ihrigen sind falsch – falsch wie sie selber. Aber ich bin viel zu schlecht für Dich, viel zu schlecht; Aia darf Dir nicht mehr in's Auge sehen – und doch hatten Deine Lippen noch nie einen Vorwurf für sie.«

      »Armes Mädchen,« sagte die junge Frau leise und theilnehmend, und suchte ihr Haupt zu sich auf zuheben, aber die Weinende wehrte sie ab, und schlang den Arm nur fester um ihren Leib, sich ihre Stellung zu wahren.

      René hatte sie mitleidig eine Zeitlang betrachtet, dann legte er seine Hand auf ihre Schulter und sagte leise:

      »Bleibe bei uns, Aia, gehe nicht wieder nach Papetee, sondern bleibe bei Sadie. Wir haben Brodfrucht und Fisch für Dich, und eine Matte darauf zu schlafen, und Dein Kleid soll nicht schlechter sein, als Du es bis jetzt getragen – Sadie braucht eine Hülfe« fuhr er freundlich fort, als er sah wie diese den Kopf der vor ihr Knieenden streichelte, und sie liebkosend an sich zog, »und Du wirst recht, recht willkommen sein, hier im Haus.«

      »René hat recht,« unterstützte die Bitte sein Weib, »geh nicht wieder nach Papetee – deine Mutter ist todt und dein Vater weit auf den Inseln zu Leewärts drüben; meide die Stadt, die Dir nur Unheil bringt und Fluch und Leid, und bleibe bei mir. Es wird Dich nicht gereuen und Du wirst wieder froh und glücklich werden unter uns.«

      »Und die Mi-to-na-res?« sagte das Mädchen leise.

      »Werden die Reuige gern und liebend in ihren Schutz und Schirm nehmen und ihr die Sünden vergeben, wie Gott einst gnädig auf uns niederschauen möge,« sagte Sadie rasch und freudig, denn in der Frage schon lag eine Zusage ihrer Bitte. Aia lag noch lange an der Gespielin Schooß und ihre Thränen schienen rascher zu fließen, als eine laute Männerstimme fröhlichen Gruß durch die Hecke blühender Akazien rief, die den Garten von der Straße trennte.

      »Ah Lefevre,« antwortete René, »wie geht es Euch, Nachbar, und kommt Ihr nicht herüber?«

      »Gleich, gleich,« lautete die Antwort, und sie hörten wie der junge Franzose draußen noch mit Jemanden sprach und ihm Aufträge gab.

      Aber auch Aia hatte sich rasch und wie erschreckt emporgerichtet, und die Locken aus der Stirn, die Thränen aus dem Auge werfend wandte sie sich, als ob sie den Platz fliehen wollte; Sadie aber ergriff rasch ihre Hand und sagte leise und bittend:

      »Gehe nicht fort von hier, Aia, bleibe bei uns.«

      »Nein nein,« rief aber das Mädchen und Sadie konnte sehen welchen Seelenkampf es ihr kostete die Bitte auszuschlagen, den stillen Frieden ihrer Wohnung zu verschmähn und allein und freundlos in dem wilden Leben fortzustürmen, »nein ich kann – ich darf nicht bei Dir bleiben – ich verdiene es nicht – ich bin bös und schlecht geworden, und deines Gottes Fluch würde mich von der Schwelle treiben, auf der jetzt noch Dein Glück und Frieden weilt – aber« setzte sie wilder hinzu, und ihr Auge blitzte in unheimlicher Gluth nach René hinüber, »wenn sie Dich Alle verlassen haben, und Du allein und freundlos in der Welt stehst – wie ich jetzt – dann wird Aia an deiner Seite sein, und Dir für das freundliche Wort danken, das Du heute zu ihr gesprochen. Dann wollen wir lachen und tanzen und zusammen in's Leben stürmen, aber nicht mehr klagen und weinen. – Den faï über die Thränen – sie waschen den Schaum von der Seele des Menschen, daß man hinunter sehen kann bis auf den Grund – und der Fischer lacht doch nur, der darüber hinfährt.«

      »Du hast vielleicht Ursache Einem von uns zu zürnen, Aia,« sagte aber René, der wohl sah welchen schmerzlichen, ja peinlichen Eindruck die Worte auf seiner Sadie Seele machten, »und schmähst jetzt ungerecht das ganze Geschlecht. Du wirst uns in späteren Jahren Abbitte thun.«

      »Werd' ich – ha? und Le-fe-ve auch, wie?« – lachte das Mädchen zornig und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach dem, eben den Garten betretenden Franzosen.

      »Hallo Aia!« rief ihr dieser zu, »summt die wilde Hummel auch wieder ihr Lied auf unserer Flur? – ha, Du hast Thränen im Auge Mädchen? – geh, Du bist ein schwarzer Vogel und prophezeihst nur Unheil.«

      »Es bedarf keines Propheten,« sagte aber das Mädchen zürnend, indem sie sich abwandte und das Schultertuch fester um sich zog – »Jeder von uns kann leicht vorhersagen daß die Sonne morgen früh wieder über die Berge kommt, wenn sie am Abend hinter Morea2 in die See gesunken. – Fort mit Euch, Ihr habt süße Worte auf der Zunge, und Gift, tödtliches Gift im Herzen – fort, Aia kennt Euch – fort!« – und ohne Gruß noch Blick zurückzuwerfen, schritt sie den schmalen Pfad hinab, der nach dem unteren Pförtchen führte und war bald in der sogenannten broomroad, dem gebahnten Weg nach Papetee, verschwunden.

      Sadie sah ihr seufzend nach und auch René konnte sich eines unheimlichen Gefühls nicht ganz erwehren.

      »Joranna René, – ah bon jour Madame,« rief aber Lefevre der wohl den peinlichen Eindruck zu verwischen wünschte, den die Worte des wunderlichen Mädchens unverkennbar besonders auf Sadie gemacht, »hat Ihnen Aia den schönen Abend verderben wollen? – es ist ein albernes Ding, und darf mir gar nicht mehr über die Schwelle, denn Aumama weint jedes Mal, wenn sie nur den Fuß unter das Dach gesetzt.«

      »Sie ist arm und unglücklich,« sagte

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<p>2</p>

Die Indianer nennen die Insel Imeo meist Morea.