Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Tahiti: Roman aus der Südsee. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich

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reibend – »jedenfalls die schwarze. Jetzt bestimmen die Missionaire die Moden und das sind liebe, liebe Menschen; haben uns Matrosen auch so gern, als ob wir ihre Brüder wären – was wir ja doch auch eigentlich sind. Es klingt ordentlich erbaulich »Bruder Jim oder Bruder O'Flannagan.«

      »Daß sie uns nicht grün sind kann ich ihnen nicht verdenken,« brummte der Bootsmann, »sie haben alle Ursache dazu, denn unsere beiden Interessen laufen einander gerade schnurstracks entgegen. Also Ihr gehört zu dem schmutzigen Wallfischfänger da draußen – habt Ihr Fische bekommen?«

      »Ja Mister.«

      »Und welchen Port seid Ihr zuletzt angelaufen?«

      »Genirt's Euch, wenn Ihr's nicht wißt?« frug der Ire spöttisch.

      »Geht zum Teufel!« brummte der Franzose zwischen den Zähnen durch – ärgerlich sich mit dem Burschen so weit eingelassen zu haben und wandte ihm den Rücken.

      »Rrrrrrrrrr!« dröhnte in diesem Augenblick ein rascher Wirbel so dicht vor ihren Ohren, daß sich der Bootsmann überrascht danach umsah; lachende Mädchengesichter schauten ihm aber entgegen, wohin er blickte, und Eine von diesen hatte eine richtige fran zösische Trommel umgehängt, und schlug darauf jetzt mit fertiger Hand den Takt ihres Inseltanzes.

      »Alle Wetter, Ate-Ate!« rief der vorgebliche Harpunier des Kitty Clover, und suchte das Mädchen zu fassen, das aber rasch zur Seite sprang und ihn mit den Trommelschlägeln abwehrte – »Du bist ja wohl gar gut französisch geworden, Mädchen, und dienst gegen deine früheren Geliebten – ein eigenthümliches Mittel sich an den Treulosen zu rächen!«

      »Zurück O-fa-na-ga, zurück!« rief aber diese – »ich will die Zahl der Falschen nicht vermehren, und es wäre schon jetzt Wahnsinn gegen sie in den Kampf zu ziehen – sie sind wie die Guiaven im Wald, und drücken alles Andere zu Boden – zurück weißer Mann! – Aber lasse das Schwatzen hier, wir wollen tanzen, und Ihr stört uns nur mit Euerem Zungen klappernden Volk. Da A-da!« wie sie den Bootsmann der Jeanne d'Arc nach seinem nicht auszusprechenden Schiffe nannte – »da stell Dich her, und nun paß auf, wir wollen den Tanz versuchen den Du uns gelehrt und sieh ob wir's können.« Und zurückspringend begann sie mit ziemlicher Genauigkeit Lord Howe's hornpipe, den allbekannten Matrosentanz auf der Trommel zu schlagen, indeß sie die Melodie dazu mit klarer, ja glockenreiner Stimme sang, und die Mädchen flogen herbei zum Tanz. Den Klängen konnten aber auch die Matrosen nicht widerstehen, und gegen sie antanzend stampften sie nach den raschen Takten den Rasen und schwenkten und warfen die Hüte in jubelnder Lust.

      Aber die Europäer ermüden bald; so schattig der Brodfruchtbaum auch seine breitfingerigen Blätter und über ihm die Palme ihre Krone streckt – die Luft ist zu heiß für solche Lust, und keuchend warfen sie sich auf den Boden nieder, indeß sie die eingeborenen Mädchen lachend umsprangen und mit Blumen und Bananenschaalen warfen.

      Aber lauter und wilder tönt die Trommel, in deren Schlagen Ate-Ate Eine der Eingeborenen abgelößt und zu der sich noch eine zweite gefunden hat; der Takt wechselt, lachende Männer und Mädchenstimmen fallen ein in jubelndem Chor, und die erhitzten Tänzerinnen haben schon Hut und Schultertuch abgestreift der wogenden Brust und brennenden Stirn Luft und Kühlung zu geben. Dicht geschaart drängen die Zuschauer herbei aus der Nachbarschaft, und hochgeschürzte halbnackte Mädchen werfen sich immer aufs Neue hinein in den wilden Reigen. Hei wie sie fliegen herüber und hinüber in toller Lust, mit Armen und Knieen einfallend in den wüthenden Takt, schneller und schneller, mit funkelnden Augen und wogender Brust, wieder und wieder, auf und ab vor der Trommel und dem Jauchzen der bewundernden Schaar, bis sie erschöpft zusammenbrechen, und andere – wildere ihren Platz ausfüllen auf dem zerstampften mißhandelten Rasen.

      Bunt sind die Tänzer, bunter aber fast die Zuschauer die sie jetzt umstehn, und die sich, durch den Ton des Instruments gelockt, eingefunden haben. Neben dem noch bis an die Zähne tättowirten alten Indianer, der mit grimmer Lust und leuchtenden Augen schon in seinem Geist die alte Zeit wieder aufleben sieht mit ihren Festen und Tänzen – die schöne fröhliche Zeit, ehe die schwarzgekleideten Männer mit den finstern Gesichtern kamen und ihren sonnigen Boden betraten, steht die würdige Matrone, der jetzt Blume und Blüthe im Haar schon ein Gräuel und dem Herrn mißfällig dünkt, und sieht mit Seufzen und oft und oft zum Himmel geschlagenen Blick, das Entsetzliche wieder vor ihren Augen geschehen, dem folgend ihre Priester Pestilenz und Krieg und die Racheblitze ihres Gottes prophezeiht. Aber sie sieht doch den Tanz, sie steht und zögert, und während sie seufzt und stöhnt, taucht die Erinnerung in ihr auf, an frühere Zeit, wo sie selber im wilden Sprung die Reihen der Mädchen geführt, die Fröhlichste unter den Fröhlichen, bei denselben entsetzlichen Klängen, – wo sie mit fliegender Brust und funkelndem Auge die Tapa von Schultern und Hüfte, die Blumen aus den flatternden Locken riß, den Tänzer damit zu werfen und – Jehovah stehe ihr bei, sie faltet erschrocken die Hände und flieht den Platz, denn unter dem bunten wehenden Kattun zuckt' es und zittert' es ihr in den Knieen und Füßen, und der Teufel war stark, und lockte sie zu dem Entsetzlichen.

      Mitten hinein aber zwischen die Reihen und Gruppen der außen Stehenden drängen jetzt wieder lachend und schwatzend und mit den Tänzerinnen scherzend Französische Seeleute und Marinesoldaten, ihren Arm um die nächste geschlungen, und den Takt des Tanzes mit Gesang oder stampfendem Fuß unterstützend, und im Taumel von Lust und Freude treibt sich die sorglose Schaar hier mitten zwischen dem Volk umher, indeß die Mündungen seiner Kanonen schon auf die armen Bambushütten gerichtet liegen und ein Zufall den blutigen Kampf entzünden kann.

      Aber was kümmerts die jungen Burschen; der Tag ist noch der ihre, im duftenden Wald, die wilde reizende Mädchenschaar an ihrer Seite, was sorgen sie da um den nächsten. – Und wenn jetzt, in diesem Augenblick die Alarmtrommel tönte? – So unmöglich ist das nicht, denn der Bootsmann horchte einmal schon rasch und erschrocken auf – aber bah, es ist die neue Aufforderung zum Wiederbeginnen der Lust, und toller und rasender als je werfen sich die Unermüdlichen hinein in den Tanz.

      Der Bootsmann oder contremaître der Jeanne d'Arc und Jim der Ire hatten sich zurückgezogen vom Tanz und der Franzose stand allein, an den Stamm eines Brodfruchtbaums gelehnt und schaute mit verschränkten Armen dem wilden Spiele zu.

      Jim war in seiner Nähe und eben im Begriff auf ihn zuzugehen, aufs Neue ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen, als er sich am Arme gezupft fühlte und rasch umschauend einen fremden Matrosen bemerkte, der ihm vorsichtig winkte ihm zu folgen, und dann langsam, und scheinbar absichtslos einem kleinen Guiavendickicht zuschlenderte, das hier den nicht weit von da vorbeiströmenden Bach begrenzte. Jim schaute sich vorsichtig um, ob er von keiner Seite beobachtet würde, blieb wohl noch eine Viertelstunde ruhig und regungslos in seiner Stellung, dem Tanze zuschauend, und folgte dann, die Hände in den Taschen und mit den ihm nächsten Mädchen lachend und scherzend, dem Vorangegangenen. Etwa zwanzig Schritt im Dickicht hörte er einen leisen Pfiff, antwortete ebenso vorsichtig und befand sich wenige Minuten später dem fremden Seemann gegenüber, der ihn ohne weiteres am Arm nahm und noch tiefer in den Wald von Mape und Lichtnußbäumen und Guiaven hineinführte.

      »Alle Wetter Kamerad,« sagte endlich Jim stehen bleibend und seinen schweigsamen Führer betrachtend, »was zum Henker schleppt Ihr mich denn hier in den dicksten Busch, wo man sich die Augen in den Zacken ausrennen kann. Was wollt Ihr von mir und wer seid Ihr selber?«

      »Wer ich bin, Dick Mulligan« sagte aber der Andere, »kann Dir ziemlich egal sein, wenn nur – «

      »Dick Mulligan« wiederholte Jim und so sehr er sich auch Mühe gab seine Bewegung zu verbergen, war es doch leicht zu sehn, wie er über den Namen erschrak, »wen zum Teufel nennt Ihr Dick Mulligan?«

      »Pst Dick, nicht so laut,« sagte aber der Andere vorsichtig, »Du brauchst Dich nicht zu geniren, wir Beide kennen einander, denn so hab' ich mich doch Gott straf mich nicht verändert, daß Du nicht unter der, vielleicht ein Bischen braun gewordenen Haut deinen

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