Unter Palmen und Buchen. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Unter Palmen und Buchen. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich

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Dein Schweigen. – Was sahst Du denn?«

      »Denselben grauen Mann,« hauchte die Frau mit kaum hörbarer Stimme »– den ich bei dem Sturm in Deinem Zimmer sah –«

      »Aber liebes, liebes Kind,« bat der Mann erschreckt und zugleich beunruhigt, daß seine Frau jenes Traumbild, wie er im Stillen gehofft, nicht etwa vergessen habe, sondern noch voll und scharf im Gedächtniß trage – »sieh nur, was für einen tollen Streich Dir Deine Einbildungskraft gespielt hat. Das war ja doch kein Gespenst, was Du gesehen, sondern ein Mensch von Fleisch und Blut, der kurz vor Dir zu mir kam und mich zu sprechen wünschte.«

      »So hast Du ihn diesmal auch gesehen?« rief die Frau rasch und erschreckt.

      »Gewiß,« lächelte Bertling, »und er ist auch gar nicht wie ein Geist eingetreten, sondern hat draußen geklingelt und ich habe ihm selber die Vorsaalthür aufgemacht.«

      »Und ist er noch bei Dir?« rief die Frau, sich rasch im Sopha aufrichtend.

      »Nein,« lautete die Antwort – »wie Du ohnmächtig wurdest, muß er fortgegangen sein, denn als ich nach der Lampe zurücksprang, war er verschwunden.«

      »Verschwunden?«

      »Nun hoffentlich nicht in die Luft,« lachte Bertling, aber doch etwas verlegen, denn es fiel ihm jetzt auf einmal ein, daß der Fremde in seinem ganzen Wesen wirklich etwas Räthselhaftes gehabt habe, und dabei merkwürdig rasch aus dem Zimmer gewesen sei. Wie war er nur hinausgekommen, denn er erinnerte sich nicht gesehen oder gehört zu haben, daß die Thür geöffnet wurde, was ihm doch kaum hätte entgehen können – »er – er wird fortgegangen sein, als er sah, daß ich mich nicht weiter mit ihm abgeben konnte.«

      Seine Frau erwiderte nichts darauf. Sie schaute eine ganze Weile sinnend vor sich nieder, endlich sagte sie leise:

      »Er saß auf dem nämlichen Stuhl, auf dem ich ihn damals gesehen habe – genau so wie in jener Nacht, mit dem rechten Arm auf der Lehne – er trug den nämlichen grauen Rock und sah eben so bleich aus und hatte dieselben großen geisterhaften Augen.«

      »Aber liebe, liebe Auguste« bat der Mann, jetzt wirklich beunruhigt, »so gieb Dich doch nur nicht solch thörichten kindischen Gedanken hin, und mische nicht eine wirklich menschliche, wahrscheinlich sehr unbedeutende Persönlichkeit, mit Deinen Traumbildern zusammen. – Uebrigens,« setzte er rasch hinzu – »muß ihm ja auch die Rieke auf der Treppe begegnet sein, denn sie kam unmittelbar nach Dir – Rieke!« rief er dann zur Thür hinaus – »Rieke!«

      »Jawohl –«

      »Kommen Sie einmal einen Augenblick herein.«

      Die Gerufene steckte den Kopf zur Thür herein.

      »Soll ich was?«

      »Wie Sie vorhin zurückkamen, ist Ihnen da Niemand im Haus begegnet?«

      »Doch, Herr Justizrath –«

      »Nun siehst Du, liebes Kind – und wie sah er aus?«

      »Er!« sagte die Köchin etwas erstaunt – »es war die Heßbergern, dem Schuhmacher seine Frau von oben, die noch einmal unten in den Laden ging, um für ihren Mann Branntewein zu holen. Der kriegt Abends immer Durst, und sie trinkt dann auch mit.«

      »Unsinn,« brummte der Justizrath – »was geht mich die Frau an – ich will wissen, ob Sie im Haus keinem Mann begegnet sind?«

      »Einem Mann?«

      »Einem anständig gekleideten Herrn in einem grauen oder dunklen Rock, der hier oben bei mir war?«

      »Ich habe Niemanden gesehen,« sagte das Mädchen erstaunt mit dem Kopf schüttelnd »und so lange ich hier oben bin, ist auch Niemand fortgegangen, denn ich habe die Thür gleich hinter mir zugeriegelt und die Kette vorgehangen.«

      Die Frau nickte leise vor sich hin, Bertling aber, ärgerlich darüber, daß er eine verfehlte Zeugenaussage veranlaßt, rief:

      »Nun, denn ist er vorher gegangen; die Rieke kann ihm auch eigentlich gar nicht begegnet sein, denn er muß doch eine ganze Weile früher die Stube verlassen haben. So viel bleibt sicher, in den Boden hinein ist er nicht verschwunden – gehen Sie nur wieder an Ihre Arbeit Rieke – es ist gut –.«

      Die Rieke zog sich an das Heiligthum ihres Heerdes zurück, griff dort die Wassereimer auf und ging nach dem Brunnen hinunter, um frisches Wasser zu holen. Unten im Haus begegnet ihr des Schusters Frau und das Mädchen, mit dem eben bestandenen Examen noch im Kopf sagte zu dieser:

      »Haben Sie denn vorhin einen Mann gesehen, Heßbergern, der von uns herunterkam, wie Sie aus dem Haus gingen?«

      »Ich? – nein,« sagte die Frau – »was für einen Mann?«

      »Ja ich weiß es auch nicht, er soll einen grauen Rock angehabt haben.«

      »Und was ist mit dem?«

      »Gott weiß es,« brummte die Rieke – »er muß auf einmal weggewesen sein und Niemand hat ihn fortgehen sehen, und jetzt glaub ich, ängstigt sich die Frau darüber und ist sogar ohnmächtig geworden. – Na Nichs für ungut« und damit schwenkte sie mit ihren Eimern zur Thür hinaus.

      Der Justizrath ging indessen ein paar Mal im Zimmer auf und ab, aber er dachte dabei nicht an den vollkommen gleichgültigen Fremden, sondern der Zustand seiner Frau beunruhigte ihn immer ernsthafter. So reizbar und erregt war sie noch nie gewesen, und während er geglaubt, daß sie all die alten Phantasieen längst und für immer vergessen hätte, fühlte er jetzt daß sie dieselben grade im Gegentheil still bei sich getragen und darüber vielleicht die ganze Zeit gebrütet habe. Wie um Gottes Willen konnte er ihr das nur aus dem Kopf bringen!

      »Es ist doch merkwürdig« sagte die Frau endlich nach längerer Pause, »daß zwei Personen denselben Gegenstand gesehen haben sollten.«

      »Gegenstand – Thorheit!« brummte aber der Justiz-Rath. »Thu' mir den einzigen Gefallen, liebes Kind, und sprich nicht von Gegenständen, wo es sich um eine einfache vollkommen gleichgültige Persönlichkeit handelt. Gedulde Dich nur eine kurze Zeit, der Mensch kommt wahrscheinlich morgen früh wieder zu mir, und dann erlaubst Du mir wohl, daß ich ihn Dir vorstellen darf –«

      »Und bist Du wirklich überzeugt, daß es ein Mensch war?«

      »Aber Auguste –«

      »Hast Du ihn berührt?«

      »Ich? – hm ich kann mich nicht besinnen – es war auch keine Gelegenheit dazu da, denn einem fremden Menschen giebt man doch nicht gleich die Hand – aber er ist doch wie andere Sterbliche hereingekommen.«

      »Hat er sich selber die Thür aufgemacht?«

      Der Justizrath sann einen Augenblick nach – »Nein« sagte er dann, »das konnte er nicht, sie war ja verschlossen – aber er muß sie selber wieder aufgemacht haben, um hinaus zu kommen; das wirst Du mir doch zugeben.«

      Auguste war aufgestanden, ging auf den Justizrath zu, legte ihren rechten Arm um seinen Nacken und ihr Haupt an seine Brust lehnend, sagte sie leise und bittend:

      »Sei nur nicht böse, Theodor, sieh ich kann ja Nichts dafür; und ich – mir möchte das Herz selber darüber brechen, aber – ich fühle es deutlich in mir, es ist eine Ahnung aus jener Welt, gegen die wir nicht ankämpfen können, mag sich der Verstand auch dawider sträuben wie er will.

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