Unter Palmen und Buchen. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Unter Palmen und Buchen. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich страница 9
»Aber Du sprichst immer von einer Idee, Theodor,« sagte die Frau – »habe ich denn die Gestalt nicht zwei Mal deutlich gesehen, so deutlich, wie ich Dich selber hier vor mir sehe?«
»Das zweite Mal, ja, das gebe ich zu,« sagte der Mann in verzweifelter Resignation, und jetzt nur bemüht diese Phantasie durch Vernunftgründe zu bannen – »denn das unglückselige Menschenkind, das gerade in der Zeit zu mir kommen mußte – und ich wollte, Gott verzeih mir die Sünde, er hätte sonst was gethan – saß wirklich da. Aber das erste Mal, liebes gutes Herz mußt Du mir doch zugeben, daß es nur das Spiegelbild einer Deiner Träume gewesen sein kann.«
Die Frau antwortete nicht, schüttelte aber nur leise und kaum merklich mit dem Kopf.
»Sieh, liebes Kind,« fuhr Bertling, der die Bewegung an seiner Schulter fühlte, fort: »Du wirst mir doch zugeben, daß ein Geist – wenn wir wirklich annehmen wollen, es gäbe derartige Wesen, denen verstattet sei auf der Erde herumzuwandern und Unheil anzustiften – körperlos sein muß, also nur ein Hauch, verdichtete Luft höchstens. Was aber keinen Körper hat, kann man ja doch nicht sehen, wenigstens nicht mit unseren Augen, die ja doch auch nur körperlich sind.«
»Ich antworte Dir darauf durch ein anderes Beispiel,« sagte die Frau, sich von seiner Schulter emporrichtend. »Wir wissen doch, daß die Sterne am Himmel stehen, aber trotzdem sieht sie das Menschenauge am Tag nicht, mag der Himmel so rein sein wie er will – aber man hat Vorrichtungen für das Auge, wodurch man sie doch erkennen kann, und warum sollte nicht das Auge einzelner Menschen so beschaffen sein, daß sie einzelne Dinge sehen können, die Anderen unsichtbar bleiben.«
»Aber die Sterne sind auch Körper, liebes Herz, und noch dazu ganz respectable.«
»Du weichst mir aus,« rief die Frau, »und ich leugne, daß unser Auge nur allein für Körper geschaffen ist. Der Schatten ist kein Körper und wir sehen ihn doch.«
»Aber nur, wenn er auf einem Körper liegt, doch nie allein und selbständig in der Luft.«
»Ich habe auch jene Gestalt nicht frei in der Luft gesehen,« sagte die Frau, die fest entschlossen schien, den einmal gefaßten Gedanken auch festzuhalten, »sondern vielleicht nur auf dem Hintergrund der Wand –«
»Du bringst mich noch zur Verzweiflung, Herz, mit Deinem Gespenst,« sagte Bertling, während ein tiefer Seufzer seine Brust hob – »wer Dir nur in aller Welt die tollen Gedanken in den Kopf gesetzt haben kann.«
»Und nennst Du eine feste, innige Ueberzeugung mit diesem Namen, Theodor?«
»Meine liebe Auguste,« flehte der Mann dringend, »mißverstehe mich nicht. Ich will Dir ja bei Gott nicht wehe thun, aber wie in aller Welt soll ich Dich nur überzeugen, daß – daß Du Dich wirklich und wahrhaftig geirrt und ein körperliches Wesen mit einem geistigen in eine ganz unglückselige Verbindung bringst? – Aber das hätte Alles nichts zu sagen, Herz, denn von diesem Irrthum hoff' ich Dich mit der Zeit zu überzeugen; nur Das beunruhigt mich, und noch dazu in der peinlichsten Weise, daß sich bei Dir eine – ich weiß gar nicht, wie ich es nennen soll – eine solche unglückselige Idee festgesetzt hat, die Du für eine Ahnung nahen Todes hältst. Wenn Du mich nur ein ganz klein wenig liebst, so bekämpfe diesen Gedanken mit allen Kräften, und von dem Uebrigen fürchte ich Nichts für Dich. Willst Du mir das versprechen?«
»Aber lieber Theodor,« fragte die Frau – »kann man denn eine Ueberzeugung noch bekämpfen?«
Der Mann seufzte recht aus voller Brust. Endlich sagte er:
»Dagegen läßt sich nicht streiten, und wir können nur hoffen, daß der liebe Gott noch Alles zum Besten wendet. Ich selber werde mir aber jetzt die größte Mühe geben, um Dir den Patron, der mich heute Abend mit seinem Besuch beehrte, als ein sehr körperliches Wesen vorzustellen, und wenn ich erst einmal eine Flanke Deines Luftschlosses niedergerannt habe, dann hoffe ich auch mit dem Uebrigen fertig zu werden. Bis dahin bitte ich Dich nur um eins und das mußt Du mir versprechen: Dich nicht absichtlich trüben Gedanken hinzugeben, sondern sie, so viel das nur irgend in Deinen Kräften steht, zu bewältigen – das Uebrige findet sich dann. Thust Du mir den Gefallen?«
»Von Herzen gern,« sagte die Frau seufzend, »ach Du weißt ja nicht, Theodor, wie furchtbar schmerzlich mir selber das Gefühl ist und ich will ja gern Alles thun um es zu ersticken.«
»Dann wird auch noch Alles gut gehen, mein Kind,« erwiderte mit erleichtertem Herzen Bertling, indem er sie an sich zog und küßte – »und nun gilt es vor allen Dingen, meinen flüchtig gewordenen Besuch aufzutreiben, und da mir die Polizei zu Gebote steht, hoffe ich, daß das nicht so schwer sein soll.«
»Ich fürchte, Du wirst ihn nicht finden,« sagte Auguste.
»Das laß meine Sorge sein,« lächelte ihr Mann – »und nun wollen wir Thee trinken.«
Bertling stand sonst nicht gern vor acht Uhr Morgens auf, und liebte es seinen Caffee im Bett zu trinken. Er gehörte auch zu den ruhigen Naturen, die sich durch kein Ereigniß, durch keine Sorge den Nachtschlaf rauben lassen, sondern Alles, was sie bedrücken oder quälen könnte, über Tag abmachen. Heute war er aber doch schon um sieben Uhr auf den Füßen und vollständig angezogen, und ging jetzt selber aus, um vor allen Dingen der Polizei eine genaue Personalbeschreibung seines gestrigen Besuches zu geben, wie ebenfalls eine gute Belohnung auf dessen Ausfindigmachung zu setzen. Natürlich durfte der Mann, wenn wirklich gefunden, durch Nichts belästigt werden; nur seinen Namen und seine Wohnung wollte er wissen, und ihn dann selber aufsuchen.
Die Polizei entwickelte auch eine ganz besondere Thätigkeit, denn zehn Thaler waren nicht immer so leicht zu verdienen. Nach allen Seiten breiteten sich ihre Diener aus und hatten auch in der That schon den ersten Tag in den verschiedenen Revieren einige zwanzig Leute aufgetrieben, die der gegebenen Beschreibung allenfalls entsprachen, den Justizrath aber in nicht geringe Verlegenheit setzten. Er bekam nämlich dadurch einige zwanzig Adressen von ihm völlig unbekannten Leuten, die in den verschiedensten Theilen der Stadt sämmtlich die 3te oder 4te Etage zu bewohnen schienen und wohl oder übel mußte er seine Wanderung danach beginnen, denn zu sich citiren konnte er sie natürlich nicht.
Wie man sich denken kann, fand er auch die Hälfte von ihnen nicht einmal beim ersten Besuch zu Haus, und wenn er sie fand, sah er sich wieder und wieder getäuscht, denn der Rechte war nicht unter ihnen. Vier Tage lang aber setzte er mit unverdrossener Mühe seine Versuche fort, immer aufs Neue getäuscht, aber immer auf's Neue hoffend, daß ihm der nächste Name den Gesuchten vorführen würde.
Dabei hegte er noch immer den stillen Glauben, daß der Mann, der an jenem Abend jedenfalls etwas von ihm gewollt, vielleicht sogar von selber wiederkehren würde – aber er sah sich darin ebenso getäuscht, wie in seinen eigenen Versuchen ihn aufzufinden. Der räthselhafte Mensch schien wie in den Boden hinein verschwunden.
Am Meisten beunruhigte ihn dabei seine Frau. Sie wußte recht gut, wen er die ganzen Tage über, mit Vernachlässigung aller seiner nothwendigsten Geschäfte, gesucht habe; nie aber, wenn er körperlich ermattet und geistig abgespannt zum Mittags- oder Abendbrot heim kam, frug sie ihn nach dem Resultat seiner heutigen Suche – sie schien das schon vorher zu wissen, sondern nickte nur immer still und schweigend mit dem Kopf, als ob sie hätte sagen wollen: Es ist ja natürlich – wie kannst Du ein Wesen in der Stadt finden wollen, das gar nicht auf der Erde körperlich existirt – und dem