Der Kunstreiter, 2. Band. Gerstäcker Friedrich

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Der Kunstreiter, 2. Band - Gerstäcker Friedrich

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habt den Knaben also noch nicht vergessen, Barthold?«

      »Ich? – das Kind? nein, mein gnädiger Herr. Ich weiß nicht, weshalb – es war nicht mein Kind, und ging mich auch weiter nichts an, als daß es eben der Herrschaft angehörte und vielleicht einmal später selber mein Herr geworden wäre; denn uns alten Dienstboten geht es wie dem Inventar auf den Gütern, zu dem wir auch mitgehören – wir wechseln die Besitzer. Aber ich glaube, der kleine Bursch hatte es mir damals mit seinen klugen, treuen Augen angetan – vielleicht mit einer Kleinigkeit, die aber bei uns Menschen oft wunderbaren Einfluß ausübt.«

      »Und die war?«

      »Ich hatte die Kinder gebeten, mich – ich weiß eigentlich selber nicht weshalb, bei meinem Vornamen Franz zu nennen, der Aelteste aber, unser gnädiger Herr Graf jetzt, der auch schon ein bißchen besser mit den Leuten umzugehen wußte, konnte oder wollte es nicht merken und nannte mich nicht anders als Barthold oder Forstwart. Der kleine Georg aber – Sie dürfen es mir aber nicht übel deuten, daß ich ihn noch so nenne, denn für mich ist er der kleine Georg geblieben, alle Zeit – tat mir den Willen und nannte mich Franz, und einmal, wie er Abschied von mir nahm, hat er mich sogar geküßt, und von der Zeit an, wo ich die Kinder in die große Kutsche steigen und mir noch einmal mit den Tüchern winken sah, war es mir, als ob alles, was ich noch auf der Welt mein nenne, mit dem Kinde auf Nimmerwiedersehen geschieden sei. Aber, lieber Gott! ich schwatze und schwatze da von Dingen, die Euer Gnaden unmöglich interessieren können. Halten Sie es einem alten Manne zugute, dem es überdies selten genug gestattet ist, sein Herz einmal einem Nebenmenschen auszuschütten. Ich fühle, daß ich Sie gelangweilt habe.«

      »Das habt Ihr nicht, Barthold,« sagte Georg, der gewaltsam die in ihm aufsteigende Rührung niederkämpfen mußte, um sich nicht zu verraten. »Ihr habt mir überdies vorher gesagt, daß Ihr Euer Herz nur Euren Freunden gegenüber öffnen möchtet, zählt mich dazu von jetzt an, ich meine es gut mit Euch. Nehmt meine Hand, sie ist Euch gern geboten, wenn ich auch – Euer kleiner Georg nicht bin, für den Ihr mich gehalten.«

      »Gnädiger Herr,« sagte der alte Forstwart verlegen, indem er schüchtern seine Hand in die ihm dargebotene Rechte seines Begleiters legte – »Sie sind so gütig…«

      »Wohin führt dieser Weg?« unterbrach ihn jetzt Georg, der das Gespräch abzubrechen wünschte, denn er vermochte nicht länger dem Alten gegenüber kalt und gleichgültig zu scheinen.

      »Mitten in den Wald,« lautete die Antwort, »ich muß tausendmal um Verzeihung bitten, wenn ich Sie einen falschen geführt habe. Wir sind hier gleich an der Grenze, und ich wollte eigentlich nur nach einem Fuchsbau sehen; ich habe gar nicht daran gedacht, daß Sie…«

      »Es schadet nichts; ich habe nur einen Spazierritt gemacht, und jede Richtung bleibt sich da gleich. Aber ich will jetzt umkehren. Adieu, Barthold, sorgt nur hübsch für Eure kleinen gefiederten Freunde, die Singvögel, denn ich habe sie ebenfalls gern, und – wenn Ihr einmal etwas habt, das Euch auf dem Herzen liegt und das andere Hilfe verlangt, als sie Euch gewähren können, dann kommt ungescheut zu mir. Wenn es in meinen Kräften steht, helfe ich Euch. Lebt wohl!« Mit den Worten wandte er sich zu seinem Pferde, das auf sein Zeichen rasch herbeigetrabt kam, schwang sich in den Sattel und ritt langsam den Weg wieder zurück, den er mit dem Alten heraufgekommen.

      Barthold blieb noch lange, wie ihn Georg verlassen hatte, im Wege stehen und schaute ihm schweigend nach, dann setzte er seine Pelzmütze, die er beim Abschied abgenommen, wieder auf und murmelte leise, während er sich jetzt in den Wald wandte: »Gerade so würde mein kleiner Georg wohl auch zu seinem alten Freunde gesprochen haben; gerade so sähe er vielleicht auch aus, aber – du lieber Gott! alter Franz, was hilft es dir? er ist es ja doch nicht, und wenn er wiedergekommen wäre? – wer weiß, ob er dann noch so freundlich mit dem alten Forstwart, der eben doch nichts weiter als ein Forstwart ist, gesprochen hätte, und dann – dann hätt' es mir freilich noch viel, viel weher getan, als so, wo er gar nicht wiedergekommen ist.« – Und leise noch viel mehr vor sich hinsprechend und langsam dazu mit dem Kopfe nickend, verfolgte er seinen Weg.

      16

      Georg ritt langsam den Weg, den er gekommen, zurück, das Herz aber mit anderen Gedanken erfüllt als denen, die er so toll und wild auf schnaubendem Rosse in den Wald hinausgetragen. Es war die Jugendzeit, die liebe, holde Jugendzeit, die wieder vor seinem innern Blicke emportauchte, und doch auch brachte sie kein Lächeln auf die zusammengepreßten Lippen, doch drängte sie keine Freudenträne in das fest und starr auf dem Wege haftende Auge. Erst als sich der Wald lichtete, sah der Reiter wieder auf, und durch seine Umgebung zur Gegenwart zurückgekehrt, lenkte er sein Pferd hinter dem Dorfe weg, um unten am See nach seinen Arbeitern zu schauen. Er fühlte sich noch nicht ruhig genug, nach Hause zurückzukehren.

      Die Straße selber, als er sie endlich erreichte, war heute außerordentlich belebt, und er erinnerte sich jetzt, gehört zu haben, daß an diesem Abend im Stern zu Schildheim eine Hochzeit gefeiert werden sollte. Die einzige Tochter des Wirtes heiratete hinüber nach Oledorf, und der Vater hatte bestimmt, die Feierlichkeit mit einem solennen Schmaus und Tanz zu beschließen, zu dem eine Menge Verwandte und Gäste aus Oledorf sowohl, wie aus Schildheim selber geladen waren.

      Eine Strecke hinter dem Dorfe sah der Reiter einen Knäuel Menschen auf der Straße stehen, die um ein umgeworfenes Fuhrwerk versammelt waren. Fast unwillkürlich lenkte er sein Pferd dorthin und entdeckte bald einen vornehm aussehenden Herrn, der in Reisekleidern neben einem zerbrochenen Wagen stand. Das linke Hinterrad war in Stücken, augenscheinlich an einem der Wegsteine zerschellt und lag im Straßengraben, während ein Kutscher mit Hilfe des Bedienten und einiger gefälligen Bauern bemüht war, das Riemenzeug der Pferde wieder in Ordnung zu bringen. Der Reisende selber bekümmerte sich jedoch weder um Pferde noch Wagen, sondern schien nur damit beschäftigt, seinen etwas beschmutzten und sogar beschädigten Rock wieder zu reinigen, wie die Stöße ungeschehen zu machen, die sein Hut, wahrscheinlich beim Herausfallen aus dem Wagen, erhalten hatte.

      Durch die Umstehenden, die Georg kannten, wurde er jedoch auf den Nahenden aufmerksam gemacht und wandte sich jetzt höflich gegen diesen.

      »Herr von Geyfeln – wie ich höre, ist das Ihr Name – ich bedaure sehr, mich Ihnen in dieser Situation und diesem Zustande vorstellen zu müssen; mein Name ist Baron von Zühbig, und ich bin hier auf abominable Art mit meinem Geschirr erst fest und dann auseinander gefahren. Könnten Sie uns nicht helfen lassen, daß wir wenigstens mit dem Wagen das dort liegende Dorf erreichten?«

      »Das kann ich allerdings, Herr Baron,« erwiderte Georg, »und es tut mir leid, daß Sie der Unfall hier betroffen hat. Ich begreife freilich nicht, wie es auf der trocknen Straße möglich war.«

      »Ein Leiterwagen voll junger Bauern kam in gestreckter Karriere hinter uns drein,« erzählte der Baron. »Die jungen übermütigen Burschen, die wahrscheinlich zu irgend einem Feste zogen, jauchzten und schrieen und schwenkten die Hüte, meine Pferde scheuten dadurch etwas zur Seite, das Vorderrad vermied jenen Stein, aber das Hinterrad wurde dagegen gerissen, brach wie Glas und warf mich in diesem Zustande, wie Sie mich hier erblicken, in den Graben hinein.«

      »Ich bedaure Sie innig; die Leute haben heute im Dorfe eine Hochzeit und sind dabei gern ein wenig laut; aber ich darf Sie nicht länger als nötig hier auf der Straße lassen. Dort drüben arbeiten meine Leute – die Hinterräder Ihres Wagens sind ziemlich hoch; ich denke, eins von meinen Schlammwagen kann Ihr Geschirr wenigstens bis zum Dorfe bringen, und dort werde ich Sorge tragen, daß Ihr Schade, trotz der Hochzeit heute, augenblicklich wieder verbessert wird. Entschuldigen Sie mich nur auf wenige Minuten, ich bin gleich wieder bei Ihnen.«

      Und damit wandte er sein Pferd und ritt in scharfem Trabe über die Wiese hinüber der Stelle zu, wo seine Leute arbeiteten, um diese zur Hilfe des beschädigten Wagens herbeizuholen. Er kehrte auch bald mit ihnen zurück. Das Fuhrwerk wurde wieder so weit instand gesetzt, die kurze Strecke bis zum Dorfe wenigstens

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