Frau Bovary. Gustave Flaubert

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Frau Bovary - Gustave Flaubert

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aus Mahagoniholz. Auf einer Kommode thronte eine mit Muscheln besetzte kleine Truhe, und auf dem Schreibpult am Fenster leuchtete in einer Kristallvase ein Strauß von Orangenblüten, umwunden von einem Seidenbande: ein Hochzeitsbukett, die Brautblumen der andern! Emma betrachtete sie. Karl bemerkte es, nahm den Strauß aus der Vase und trug ihn auf den Oberboden. Währenddem saß sie in einem Lehnstuhl. Ihr eigenes Brautbukett kam ihr in den Sinn, das in einer Schachtel verpackt war. Eben trug man ihr ihre Sachen in das Zimmer und baute sie um sie herum auf. Nachdenklich fragte sie sich, was wohl mit ihrem Strauße geschähe, wenn sie zufällig auch bald stürbe.

      In den ersten Tagen beschäftigte sich Emma damit, sich allerlei Änderungen in ihrem Hause auszudenken. Sie nahm die Glasglocken von den Leuchtern, ließ neu tapezieren, die Treppe streichen und Bänke im Garten aufstellen, um die Sonnenuhr herum.

      Sie erkundigte sich, ob nicht ein Wasserbassin mit einem Springbrunnen und Fischen darin angelegt werden könnte. Karl wußte, daß sie gern spazieren fuhr, und da sich gerade eine Gelegenheit bot, kaufte er ihr einen Wagen. Nach Anbringung von neuen Laternen und gesteppten Spritzledern sah er ganz aus wie ein Dogcart.

      So war Karl der glücklichste und sorgenloseste Mensch auf der Welt. Die Mahlzeiten zu zweit, die Abendpromenaden auf der Landstraße, die Gesten von Emmas Hand, wenn sie sich das Band im Haar zurechtstrich, der Anblick ihres an einem Fensterkreuze hängenden Strohhutes und noch allerhand andre kleine Dinge, von denen er nie geglaubt hätte, daß sie einen erfreuen könnten, all das trug dazu bei, daß sein Glück nicht aufhörte. Frühmorgens im Bette, Seite an Seite mit ihr auf demselben Kopfkissen, sah er zu, wie die Sonnenlichter durch den blonden Flaum ihrer von den Haubenbändern halbverdeckten Wangen huschten. So aus der Nähe kamen ihm ihre Augen viel größer vor, besonders beim Erwachen, wenn sich ihre Lider mehrere Male hintereinander hoben und wieder senkten. Im Schatten sahen diese Augen schwarz aus und dunkelblau am lichten Tage; in ihrer Tiefe wurden sie immer dunkler, während sie sich nach der schimmernden Oberfläche zu aufhellten. Sein eigenes Auge verlor sich in diese Tiefe; er sah sich darin gespiegelt, ganz klein, bis an die Schultern, mit dem Seidentuche, das er sich um den Kopf geschlungen hatte, und dem Kragen seines offen stehenden Nachthemdes.

      Wenn er aufgestanden war, schaute sie ihm vom Fenster aus nach, um ihn fortreiten zu sehen. Eine Weile blieb sie, auf das Fensterbrett gestützt, so stehen, in ihrem Morgenkleide, das sie leicht umfloß, zwischen zwei Geranienstöcken. Karl unten auf der Straße schnallte sich an einem Prellsteine seine Sporen an. Emma sprach in einem fort zu ihm von oben herunter, währenddem sie mit ihrem Munde eine Blüte oder ein Blättchen von den Geranien abzupfte und ihm zublies. Das Abgerupfte schwebte und schaukelte sich in der Luft, flog in kleinen Kreisen wie ein Vogel und blieb schließlich im Fallen in der ungepflegten Mähne der alten Schimmelstute hängen, die unbeweglich vor der Haustüre wartete. Karl saß auf und warf seiner Frau eine Kußhand zu. Sie antwortete winkend und schloß das Fenster. Er ritt ab.

      Dann, auf der endlos sich hinwindenden staubigen Landstraße, in den Hohlwegen, über denen sich die Bäume zu einem Laubdache schlossen, auf den Feldwegen, wo ihm das Korn zu beiden Seiten die Knie streifte, die warme Sonne auf dem Rücken, die frische Morgenluft in der Nase und das Herz noch voll von den Freuden der Nacht, friedsamen Gemüts und befriedigter Sinne, – da genoß er all sein Glück abermals, just wie einer, der nach einem Schlemmermahle den Wohlgeschmack der Trüffeln, die er bereits verdaut, noch auf der Zunge hat.

      Was hatte er bisher an Glück in seinem Leben erfahren? War er denn im Gymnasium glücklich gewesen, wo er sich in der Enge hoher Mauern so einsam gefühlt hatte, unter seinen Kameraden, die reicher und stärker waren als er, über seine bäuerische Aussprache lachten, sich über seinen Anzug lustig machten und zur Besuchszeit mit ihren Müttern plauderten, die mit Kuchen in der Tasche kamen? Oder etwa später als Student der Medizin, wo er niemals Geld genug im Beutel gehabt hatte, um irgendein kleines Mädel zum Tanz führen zu können, das seine Geliebte geworden wäre? Oder gar während der vierzehn Monate, da er mit der Witwe verheiratet war, deren Füße im Bett kalt wie Eisklumpen gewesen waren? Aber jetzt, jetzt besaß er für immerdar seine hübsche Frau, in die er vernarrt war. Seine Welt fand ihre Grenzen mit der Saumlinie ihres seidnen Unterrocks, und doch machte er sich den Vorwurf, er liebe sie nicht genug. Und so überkam ihn unterwegs die Sehnsucht nach ihr. Spornstreichs ritt er heimwärts, rannte die Treppe hinauf, mit klopfendem Herzen … Emma saß in ihrem Zimmer bei der Toilette. Er schlich sich auf den Fußspitzen von hinten an sie heran und küßte ihr den Nacken. Sie stieß einen Schrei aus.

      Er konnte es nicht lassen, immer wieder ihren Kamm, ihre Ringe, ihr Halstuch zu befühlen. Manchmal küßte er sie tüchtig auf die Wangen, oder er reihte eine Menge kleiner Küsse gleichsam aneinander, die ihren nackten Arm in seiner ganzen Länge von den Fingerspitzen bis hinauf zur Schulter bedeckten. Sie wehrte ihn ab, lächelnd und gelangweilt, wie man ein kleines Kind zurückdrängt, das sich an einen anklammert.

      Vor der Hochzeit hatte sie fest geglaubt, Liebe zu ihrem Karl zu empfinden. Aber als das Glück, das sie aus dieser Liebe erwartete, ausblieb, da mußte sie sich doch getäuscht haben. So dachte sie. Und sie gab sich Mühe, zu ergrübeln, wo eigentlich in der Wirklichkeit all das Schöne sei, das in den Romanen mit den Worten Glückseligkeit, Leidenschaft und Rausch so verlockend geschildert wird.

      Sechstes Kapitel

      Emma hatte „Paul und Virginia“ gelesen und in ihren Träumereien alles vor sich gesehen: die Bambushütte, den Neger Domingo, den Hund Fidelis. Insbesondre hatte sie sich in die zärtliche Freundschaft irgendeines guten Kameraden hineingelebt, der für sie rote Früchte auf überturmhohen Bäumen pflückte und barfuß durch den Sand gelaufen kam, ihr ein Vogelnest zu bringen.

      Als sie dreizehn Jahre alt war, brachte ihr Vater sie zur Stadt, um sie in das Kloster zu geben. Sie stiegen in einem Gasthofe im Viertel Saint-Gervais ab, wo sie beim Abendessen Teller vorgesetzt bekamen, auf denen Szenen aus dem Leben des Fräuleins von Lavallière gemalt waren. Alle diese legendenhaften Bilder, hier und da von Messerkritzeln beschädigt, verherrlichten Frömmigkeit, Gefühlsüberschwang und höfischen Prunk.

      In der ersten Zeit ihres Klosteraufenthalts langweilte sie sich nicht im geringsten. Sie fühlte sich vielmehr in der Gesellschaft der gütigen Schwestern ganz behaglich, und es war ihr ein Vergnügen, wenn man sie mit in die Kapelle nahm, wohin man vom Refektorium durch einen langen Kreuzgang gelangte. In den Freistunden spielte sie nur höchst selten, im Katechismus war sie alsbald sehr bewandert, und auf schwierige Fragen war sie es, die dem Herrn Pfarrer immer zu antworten wußte. So lebte sie, ohne in die Welt hinauszukommen, in der lauen Atmosphäre der Schulstuben und unter den blassen Frauen mit ihren Rosenkränzen und Messingkreuzchen, und langsam versank sie in den mystischen Traumzustand, der sich um die Weihrauchdüfte, die Kühle der Weihwasserbecken und den Kerzenschimmer webt. Statt der Messe zuzuhören, betrachtete sie die frommen himmelblau umränderten Vignetten ihres Gebetbuches und verliebte sich in das kranke Lamm Gottes, in das von Pfeilen durchbohrte Herz Jesu und in den armen Christus selber, der, sein Kreuz schleppend, zusammenbricht. Um sich zu kasteien, versuchte sie, einen ganzen Tag lang ohne Nahrung auszuhalten. Sie zerbrach sich den Kopf, um irgendein Gelübde zu ersinnen, das sie auf sich nehmen wollte.

      Wenn sie zur Beichte ging, erfand sie allerlei kleine Sünden, nur damit sie länger im Halbdunkel knien durfte, die Hände gefaltet, das Gesicht ans Gitter gepreßt, unter dem flüsternden Priester. Die Gleichnisse vom Bräutigam, vom Gemahl, vom himmlischen Geliebten und von der ewigen Hochzeit, die in den Predigten immer wiederkehrten, erweckten im Grunde ihrer Seele geheimnisvolle süße Schauer.

      Abends, vor dem Ave-Maria, ward im Arbeitssaal aus einem frommen Buche vorgelesen. An den Wochentagen las man aus der Biblischen Geschichte oder aus den „Stunden der Andacht“ des Abbé Frayssinous und Sonntags zur Erbauung aus Chateaubriands „Geist des Christentums“. Wie andachtsvoll lauschte sie bei den ersten Malen den klangreichen Klagen romantischer Schwermut, die wie ein Echo aus Welt und Ewigkeit erschallten! Wäre Emmas Kindheit im Hinterstübchen eines Kramladens in einem Geschäftsviertel dahingeflossen, dann wäre

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