Pfarre und Schule. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Pfarre und Schule. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich

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versprach ich ihr Arbeit. Sie hatte die Thür schon in der Hand als Du hereintratst.«

      »Ja – aber sie ging nicht – sie horchte wahrscheinlich nach dem, was ich in der Nebenstube sprach,« brummte in augenscheinlich höchst übler Laune der Herr Oberpostdirector. »Sonderbare Leute suchst Du Dir übrigens zu Deiner Beschäftigung aus – ich sollte doch wenigstens erwarten können, daß Du Dir anständig gekleidete und reinliche Menschen in's Haus nähmst – aber Gott bewahre.«

      »Du hättest nur sehen sollen, wie sauber sie ging,« unterbrach ihn Frau von Gaulitz, »wie sorgfältig war ihr Haar gekämmt und geflochten – wie schneeweiß der kleine zerrissene Kragen, den sie um den Hals trug, und ihre Hände sahen ebenfalls fein und zierlich aus – das arme Kind muß jedenfalls früher einmal bessere Verhältnisse gesehen haben.«

      »Ach was – Unsinn!« polterte der Oberpostdirector, dem es an einer Gelegenheit fehlte, seinem Unmuth Raum zu geben, so daß er sie endlich vom Zaune brach, – »Gesindel ist's, das sich hier schon seit ein paar Tagen im Dorfe herumtreibt, und das ich durch den Gerichtsdiener wahrscheinlich schon morgen werde wieder hinausschaffen lassen – Lumpenpack ist's, das in die Häuser schleicht, um sich eine Gelegenheit zum Stehlen auszusuchen. Und auf mich hörst Du dabei gar nicht – wie oft hab' ich Dir schon gesagt, Dich nicht mit solchem Pack einzulassen, aber Du scheinst ein ordentliches Wohlgefallen daran zu finden, nicht nur meine Wünsche zu vernachlässigen, sondern Dir auch nach wie vor die möglichst schlechteste Gesellschaft auszuwählen. Dadurch wirst Du Dein eigenes Benehmen wahrhaftig nicht bessern, und nur ein klein wenig mehr Manieren annehmen, und mit solchen Vorbildern mag ich es dann nur ganz aufgeben, eine Frau heranzubilden, die den Kreisen, in die ich sie hineinzog, wenigstens keine Schande macht, und das ist doch beim Himmel das Bescheidenste, was ich in aller Welt verlangen kann.«

      »Aber bester Gaulitz!«

      »Ach was – das Bitten und Weinen hilft mir Nichts! Wie hast Du Dich gestern Abend wieder betragen, es war ja doch ein Schimpf und eine Schande, und ich habe mich selbst vor dem Pastor bis in meine innerste Seele hinein geschämt.«

      »Aber was hab' ich denn in aller Welt gethan?« bat zitternd und hocherröthend die Frau.

      »Was Du gethan hast?« wiederholte der Zürnende, der sich jetzt einmal in das rechte Gleis hineingearbeitet hatte, »gar Nichts hast Du gethan, und das ist es gerade was mich so ärgert – wie ein Stock hast Du da gesessen und kein Wort gesprochen, und nur manchmal laut aufgelacht, wenn der – Strohwisch seine faden unanständigen Reime vorlas; wenn Du Dich in gebildeten Kreisen bewegen willst, so mußt Du Dir auch Mühe geben zu lernen, wie man sich in solchen bewegt. Hier auf dem Lande möcht' es noch gehen, denn gewöhnlich wird hier nicht jeder Schritt und Tritt so beobachtet, wie in der Residenz, aber gerade gestern war es mir um so fataler, da diese alten Schachteln, diese Geheimenraths-Fräuleins Seiffenberger Deine Beschreibung haarklein in ihre wässrigen Theegesellschaften hineinbringen – ich sah recht gut, wie sie Dich immer von der Seite betrachteten, dann zusammen flüsterten und mit einander lachten.«

      »Lieber Gaulitz,« bat die Frau.

      »Sei ruhig und ärgere mich nicht jetzt auch noch mit Deinem Wimmern und Winseln!« rief ihr Gatte, »daß mich doch der« – Er brach plötzlich ab – riß die Thür auf, verließ das Zimmer und warf sie hinter sich mit wilder Gewalt in's Schloß zurück.

      Seine Frau schlich auf's Sopha, sank in die eine Ecke desselben, und barg ihr Gesicht schluchzend in den Händen.

      Marie verließ langsam und sinnend den Hof. Die wenigen Worte, die sie von des Gutsherrn Lippen gehört, gingen ihr im Kopfe herum, und es war kaum möglich, daß sie noch eine andere Bedeutung haben konnten, als die eine – »die Kutsche muß bis heute Abend neun Uhr fertig sein und angespannt im Hofe stehen – ich will den Burschen noch in dieser Nacht aus meinen vier Pfählen haben, sonst stürmen sie am Ende das Nest, und stecken es mir über dem Kopfe an!«

      Wie mit feurigen Buchstaben waren ihr die Sätze in das Hirn eingebrannt. Wahlert gefangen – noch in dieser Nacht den Gerichten überliefert. – Was, um Gott, konnte der Unglückselige nur so Entsetzliches verbrochen haben? – Aber das durfte nicht geschehen – nimmer, so lange sie noch Kraft zum Denken – Kraft zum Handeln behielt.

      Langsam war sie den Weg hinangeschritten, der zur Pfarrerwohnung führte, – dabei mußte sie an des Stellmachers Werkstätte vorüber, und dort – ein eigenes wunderliches Gefühl von Schreck und Freude durchzuckte ihren Körper – dort stand die Kutsche, und der Meister war mit Gesellen und Lehrburschen emsig beschäftigt, neue Speichen in eins der arg mitgenommenen Hinterräder zu setzen, und die sonst schadhaften Stellen wieder auszubessern. – Also hatte sie recht gehört, – in diesem Fuhrwerk sollte der Gefangene seinen Henkern ausgeliefert werden, und doch – doch war es den Männern von Horneck gestern versprochen worden, den Eingebrachten, wenn er nicht ein schweres und bösartiges Verbrechen begangen hätte – ohne Weiteres in Freiheit zu setzen.

      Großer allmächtiger Gott – wie ihr das Herz schlug vor Angst und Zagen – wenn nun – wenn sie nun den Wagen so hätte wieder beschädigen können, daß es unmöglich gewesen wäre, ihn zu gebrauchen? – Oder wenn sie jetzt hinauf ins Dorf ging, und den Bauern die Nachricht brachte, daß der Gutsherr sein ihnen verpfändetes Wort im Begriff stehe zu brechen – oder wenn sie gar den Herrn von Gaulitz um Erbarmen – Hilf Himmel, wie ihr die tollen wirren Gedanken im Kopfe herum sausten und schwirrten, und es ihr unmöglich machten, zu einem festen geregelten Entschluß zu kommen – fast ihrer unbewußt und mechanisch verfolgte sie den Weg, den sie früher zu gehen beabsichtigt, und stieg zur Pfarre hinauf, von deren Fenstern ihr die funkelnden Strahlen der Sonne warm und glühend entgegenspiegelten.

      Drittes Kapitel.

      Marie und Sophie

      Herr Pastor Scheidler saß daheim in seiner Wohnstube, und in dem breitlehnigen, weich gepolsterten Armstuhle, der zwischen dem Ofen und Fenster in warmer, und doch dem Lichte nicht abgeschlossener Nische stand. Nicht weit von ihm entfernt, an dem Fenster, das nach dem gegenüber liegenden kleinen Friedhof hinausschaute, hatte Sophie, des Pastors ältestes Töchterlein, ihren Nähtisch stehen, säumte neues, selbst gesponnenes Tischzeug, oder besserte die Wäsche aus, die unsere alte Bekannte Rieke – oder auch Grethe, wie sie der Pastor noch ziemlich hartnäckig nannte, da ihr letztes Mädchen Grethe geheißen – eben in dem weißgescheuerten Korbe hereingeschafft hatte.

      »Aber Vater, was hast Du nur«, brach endlich Sophie das lange, lange Schweigen, denn Vater wie Tochter schienen sich an diesem Morgen beide ihren Gedanken vollständig überlassen zu haben, da keines mit dem anderen, wohl seit einer guten halben Stunde, auch nur ein einziges Wort gesprochen – »Du starrst so still und finster vor Dich hin, ist Dir etwas Unangenehmes widerfahren?«

      Der Vater antwortete eine Zeit lang nicht, und es war, als wenn er eben bei sich überlege, ob er der Tochter auch das, was ihn eigentlich drücke, mittheilen solle und könne – endlich schien er aber doch zu einem Entschlusse gekommen, rückte sich das schwarze Käppchen zurecht, wechselte seine Stellung vom linken auf den rechten Ellbogen, und sagte, zur Tochter gewandt, die über ihre Arbeit hinüber seinem Blicke begegnete.

      »Du magst's auch wissen, was mir im Kopfe herum geht – hast vielleicht einen guten Rath für mich, wenn's Dich auch selber nicht groß interessiren kann.«

      »Nun Väterchen?« sagte die Tochter gespannt.

      »Du weißt, daß sie gestern einen Gefangenen eingebracht haben.«

      Sophie ließ ihre Arbeit in den Schooß sinken und hätte sie ihr Vater in diesem Augenblicke angesehen, so mußte er bemerken, was für eine Veränderung bei der bloßen Erwähnung jenes Mannes in ihren Zügen vorging – so aber haftete sein Blick schon wieder brütend an dem

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