Miss Sara Sampson. Gotthold Ephraim Lessing

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Miss Sara Sampson - Gotthold Ephraim Lessing

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welcher wird es denn endlich sein?

      Mellefont. Aber überlegen Sie denn nicht, Miß, daß unserer Verbindung hier diejenige Feier fehlen würde, die wir ihr zu geben schuldig sind?

      Sara. Eine heilige Handlung wird durch das Feierliche nicht kräftiger.

      Mellefont. Allein—

      Sara. Ich erstaune. Sie wollen doch wohl nicht auf einem so nichtigen Vorwande bestehen? O Mellefont, Mellefont! wenn ich mir es nicht zum unverbrüchlichsten Gesetze gemacht hätte, niemals an der Aufrichtigkeit Ihrer Liebe zu zweifeln, so würde mir dieser Umstand— Doch schon zuviel; es möchte scheinen, als hätte ich eben itzt daran gezweifelt.

      Mellefont. Der erste Augenblick Ihres Zweifels müsse der letzte meines Lebens sein! Ach, Sara, womit habe ich es verdient, daß Sie mir auch nur die Möglichkeit desselben voraussehen lassen? Es ist wahr, die Geständnisse, die ich Ihnen von meinen ehemaligen Ausschweifungen abzulegen kein Bedenken getragen habe, können mir keine Ehre machen: aber Vertrauen sollten sie mir doch erwecken. Eine buhlerische Marwood führte mich in ihren Stricken, weil ich das für sie empfand, was so oft für Liebe gehalten wird und es doch so selten ist. Ich würde noch ihre schimpflichen Fesseln tragen, hätte sich nicht der Himmel meiner erbarmt, der vielleicht mein Herz nicht für ganz unwürdig erkannte, von bessern Flammen zu brennen. Sie, liebste Sara, sehen und alle Marwoods vergessen, war eins. Aber wie teuer kam es Ihnen zu stehen, mich aus solchen Händen zu erhalten! Ich war mit dem Laster zu vertraut geworden, und Sie kannten es zu wenig—

      Sara. Lassen Sie uns nicht mehr daran gedenken—

      Achter Auftritt

      Norton. Mellefont. Sara.

      Mellefont. Was willst du?

      Norton. Ich stand eben vor dem Hause, als mir ein Bedienter diesen.

      Brief in die Hand gab. Die Aufschrift ist an Sie, mein Herr.

      Mellefont. An mich? Wer weiß hier meinen Namen? (Indem er den Brief betrachtet.) Himmel!

      Sara. Sie erschrecken?

      Mellefont. Aber ohne Ursache, Miß, wie ich nun wohl sehe. Ich irrte mich in der Hand.

      Sara. Möchte doch der Inhalt Ihnen so angenehm sein, als Sie es wünschen können.

      Mellefont. Ich vermute, daß er sehr gleichgültig sein wird.

      Sara. Man braucht sich weniger Zwang anzutun, wenn man allein ist.

      Erlauben Sie, daß ich mich wieder in mein Zimmer begebe.

      Mellefont. Sie machen sich also wohl Gedanken?

      Sara. Ich mache mir keine, Mellefont.

      Mellefont (indem er sie bis an die Szene begleitet). Ich werde den Augenblick bei Ihnen sein, liebste Miß.

      Neunter Auftritt

      Mellefont. Norton.

      Mellefont (der den Brief noch ansieht). Gerechter Gott!

      Norton. Weh Ihnen, wenn er nichts als gerecht ist!

      Mellefont. Kann es möglich sein? Ich sehe diese verruchte Hand wieder und erstarre nicht vor Schrecken? Ist sie's? Ist sie es nicht? Was zweifle ich noch? Sie ist's! Ah, Freund, ein Brief von der Marwood! Welche Furie, welcher Satan hat ihr meinen Aufenthalt verraten? Was will sie noch von mir?—Geh, mache sogleich Anstalt, daß wir von hier wegkommen.—Doch verzieh! Vielleicht ist es nicht nötig; vielleicht haben meine verächtlichen Abschiedsbriefe die Marwood nur aufgebracht, mir mit gleicher Verachtung zu begegnen. Hier! erbrich den Brief; lies ihn. Ich zittere, es selbst zu tun.

      Norton (er liest). "Es wird so gut sein, als ob ich Ihnen den längsten Brief geschrieben hätte, Mellefont, wenn Sie den Namen, den Sie am Ende der Seite finden werden, nur einer kleinen Betrachtung würdigen wollen—"

      Mellefont. Verflucht sei ihr Name! Daß ich ihn nie gehört hätte!

      Daß er aus dem Buche der Lebendigen vertilgt würde!

      Norton (liest weiter). "Die Mühe, Sie auszuforschen, hat mir die Liebe, welche mir forschen half, versüßt."

      Mellefont. Die Liebe? Frevlerin! Du entheiligest Namen, die nur der Tugend geweiht sind!

      Norton (fährt fort). "Sie hat noch mehr getan—"

      Mellefont. Ich bebe—

      Norton. "Sie hat mich Ihnen nachgebracht—"

      Mellefont. Verräter, was liest du? (Er reißt ihm den Brief aus der Hand und liest selbst.) "Sie hat mich Ihnen—nachgebracht.—Ich bin hier; und es stehet bei Ihnen—ob Sie meinen Besuch erwarten—oder mir mit dem Ihrigen—zuvorkommen wollen. Marwood."—Was für ein Donnerschlag! Sie ist hier?—Wo ist sie? Diese Frechheit soll sie mit dem Leben büßen.

      Norton. Mit dem Leben? Es wird ihr einen Blick kosten, und Sie liegen wieder zu ihren Füßen. Bedenken Sie, was Sie tun! Sie müssen sie nicht sprechen, oder das Unglück Ihrer armen Miß ist vollkommen.

      Mellefont. Ich Unglücklicher!—Nein, ich muß sie sprechen. Sie würde mich bis in dem Zimmer der Sara suchen und alle ihre Wut gegen diese Unschuldige auslassen.

      Norton. Aber, mein Herr—

      Mellefont. Sage nichts!—Laß sehen, (indem er in den Brief sieht) ob sie ihre Wohnung angezeigt hat. Hier ist sie. Komm, führe mich.

      (Sie gehen ab.)

      (Ende des ersten Aufzugs.)

      Zweiter Aufzug

      Erster Auftritt

      Der Schauplatz stellt das Zimmer der Marwood vor, in einem andern Gasthofe.

      Marwood im Negligé. Hannah.

      Marwood. Belford hat den Brief doch richtig eingehändiget, Hannah?

      Hannah. Richtig.

      Marwood. Ihm selbst?

      Hannah. Seinem Bedienten.

      Marwood. Kaum kann ich es erwarten, was er für Wirkung haben wird.—

      Scheine ich dir nicht ein wenig unruhig, Hannah? Ich bin es auch.—

      Der Verräter! Doch gemach! Zornig muß ich durchaus nicht werden.

      Nachsicht, Liebe, Bitten sind die einzigen Waffen, die ich wider ihn brauchen darf, wo ich anders seine schwache Seite recht kenne.

      Hannah. Wenn er sich aber dagegen verhärten sollte?—

      Marwood. Wenn er sich dagegen verhärten sollte? So werde ich nicht zürnen—ich werde rasen. Ich fühle es, Hannah; und wollte es lieber schon itzt.

      Hannah. Fassen Sie sich ja. Er kann vielleicht den Augenblick kommen.

      Marwood. Wo er nur gar kömmt! Wo er sich nur nicht entschlossen hat, mich festes Fußes bei sich zu erwarten!—Aber weißt du, Hannah, worauf ich noch meine meiste Hoffnung gründe, den Ungetreuen von dem neuen Gegenstande seiner Liebe

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