Die beiden Freunde. Hendrik Conscience

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Die beiden Freunde - Hendrik Conscience

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Doktor, der ein kräftiger Mann war und den Weg genau kannte, schritt langsam einher, er gedachte der Unterredung mit seinem Freunde und der Worte, die dieser ihm betreffs einer Verbindung seines Sohnes mit Fräulein Walter gesagt hatte. Sollte es Bernhard wirklich gelingen, ihre Hand zu erwerben, so mußte er jetzt reich werden, denn der alte Walter hatte nur zwei Kinder. Zwar stand die Aussicht einstweilen noch im weiten Felde, aber wer konnte es wissen? Wie der Viehhändler richtig bemerkt hatte, Gott war sichtlich mit ihm, und bist jetzt hatte das Glück ihn stets begünstigt.

      War es nun schon an und für sich eine angenehme Sache, wenn der gute Bernhard Herr eines großen Vermögens wurde, so knüpfte sich daran für unsern Doktor noch ein persönlicher Vortheil. Er konnte dann an seine eigne Ruhe denken, seinen Beruf als Arzt aufgeben, um ihn nur bei Unbemittelten noch anzuwenden. Die übrige freie Zeit blieb ihm für seine Studien und für die Pflege von Blumen und fremdartigen Pflanzen, sowie für den angenehmen Verkehr mit guten Freunden.

      Bis so weit hatte der Doktor seine freundlichen Zukunftsbilder fortgesponnen Der Pfad bog jetzt in einen Hohlweg ein, der von tiefen Wagengeleisen durchfurcht und schlecht zu passieren war.

      Plötzlich sprang er einen Schritt zurück und hob zur Vertheidigung seinen Stock empor; er glaubte eine schwarze Gestalt, sei es die eines niederduckenden Menschen, sei es die eines Thieres, auf sich zuschleichen zu sehn. Was konnte das bedeuten?

      Da hörte er eine Stimme, die ihm in seltsam heiserem Tone zurief:

      »Halt! das Geld oder dass Leben!«

      Eines Angriffs gewärtig stand der Doktor bereit, seinen Stock mit Nachdruck zu gebrauchen. Der Räuber aber hielt sich aus seinem Bereich und in einer Weise, die Entschlossenheit und Zaudern verrieth, rief er:

      »O Herr, wer Sie auch sein mögen, bitte zwingen Sie mich nicht, Ihr Blut zu vergießen! Geben Sie mir, was Sie bei sich haben, sonst muss ich Sie umbringen!«

      Wiewohl der Doktor sich keineswegs behaglich fühlte, um so weniger, als er ein Messer in der Hand seines Angreifers glaubte blinken zu sehen, so wollte er ihm doch scheinen, daß er es mehr mit einem Unglücklichen, als mit einem bösartigen Mörder zu thun habe.

      »Zehn Schritt vom Leibe! Ich will meine Börse, welche etwa dreißig Franken enthält, an den Fuß dieser Birke niederlegen.«

      »Nein, das ist nicht genug, ich muß auch Ihre Uhr haben, Alles! Alles!«

      »Meine Uhr ist ein Andenken an meinen seligen Vater, ich werde sie mit den Preis meines Lebens vertheidigen,« sagte Christians entschlossen. »Komm heran, Elender, und ermorde, wenn Du kannst, den Doktor von Elsene.«

      Der Mensch, welcher schon mit aufgehobenem Messer vorgesprungen war, fuhr bei diesem Namen entsetzt zurück, ließ seine Waffe fallen und rief:

      »Sie sind Herr Christians, der gute Doktor von Elsene? Großer Gott, was wollte ich thun! . . . Setzen Sie ruhig Ihren Weg fort und fürchten Sie nichts. Sehen Sie, ich flehe auf den Knien um Ihre Vergebung. Könnte ich der Hölle entgehn durch ein Haar, das ich aus Ihrem Kopfe risse, ich würde es nicht thun!«

      In der That kniete er mit gefalteten Händen am Wege.

      Alles dies war mit solcher Blitzesschnelle vor sich gegangen, dass der Doktor nicht wußte, ob er wache oder träume und einiger Augenblicke Ruhe bedurfte, um sich zu sammeln. Der Gedanke, daß er einen von Verzweiflung Getrieben vor sich habe, war inzwischen in ihm zur Gewissheit geworden; die Stimme des Räubers, die nun sanft und bittend klang, konnte nur aus der Brust eines jungen Menschen kommen.

      Von einer plötzlichen Anwandlung des Mitleidens bewegt ging der Doktor auf seinen Angreifer zu, der jetzt aufgestanden war und erschöpft und wie vernichtet den Kopf an einen Baum lehnte. Er faßte seine Hand, als wollte er ihm den Puls fühlen, und sagte leise:

      »Sie sind unglücklich?«

      »Bodenlos unglücklich.«

      »Außerdem haben Sie Fieber, ein hitziges Fieber.«

      »Der Kopf brennt mir, als wenn mein Gehirn glühendes Eisen wäre, Alles dreht sich nur vor den Augen . . . Sie wollte ich tödten, den guten Doktor Christians! Ach, wie oft habe ich als Kind in meinen Gebeten Ihren Namen genannt, – und in ihr Blut wollte ich meine Hände tauchen!«

      Er begann nun hörbar zu schluchzen.

      Das Mitgefühl des Doktors steigerte sich.

      »Sie kennen mich?« fragte er, »Sie legen Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen mich an den Tag? Habe ich Ihnen Vielleicht in früherer Zeit etwas Gutes erweisen können.«

      »Sie haben einst meiner Mutter das Leben gerettet.«

      »Wie heißen Sie?«

      »Das ist eine beängstigende Frage! Meinen Namen soll ich Ihnen sagen! Davon hängt vielleicht das Elend meiner Mutter ab.«

      »So lieben Sie Ihre Mutter?«

      »Das weiß Gott, der in meinem Herzen liest!« rief der junge Mann in einem Ton, der einen weniger gefühlvollen Menschen als unsern Doktor gerührt hätte.

      »Aber wie ist das möglich?« murmelte er, »Sie lieben Ihre Mutter, und können . . . «

      »Aus Liebe zu ihr . . . «

      »Werden Sie ein Dieb und Mörder?«

      »Ihre Ehre, Ihr Leben, ist es, das ich Ihnen entreißen wollte.«

      »Ich verstehe Sie nicht, Sie bringen mich in Verwirrung,« sagte der Doktor mit einem leisen Anflug von Ungeduld. »Wie soll ich mir Ihre seltsamen Worte erklären, wenn ich nicht annehme, daß Sie wahnsinnig sind.«

      »Ja ja, wahnsinnig, das ist der rechte Ausdruck,« rief immer noch weinend der junge Mann, »ein Fieberanfall hatte mich ergriffen. Jetzt ist er vorüber, aber er wird wiederkehren, ach und dann . . . «

      »Und dann?«

      »Dann bleibt mir nichts übrig, als zu sterben. Wenn man meine Leiche nicht findet, so wird meine Mutter zwar tief unglücklich aber die Schande bleibt ihr doch erspart.«

      »Wenn ich nicht irre, so ist Ihrer Verzweiflung mit Geld abzuhelfen,« sagte der Doktor mitleidig. »Kommen Sie mit zu meinem Hause und erzählen Sie mir dort, was Sie so elend macht; sehe ich daß Sie meiner Hilfe nicht unwürdig sind so werde ich thun was in meinen Kräften steht, um Sie zu retten.«

      Damit nahm er die Hand des jungen Mannes und wollte ihn veranlassen, voranzugehn, doch erschreckt sprang dieser zurück.

      »Ich soll Sie zu Ihrer Wohnung begleiten? Ihnen im Hellen gegenüberstehn? O das kann ich nicht, das ist unmöglich!«

      »Fürchten Sie etwa, daß ich Sie verrathen werde?«

      »Nein, aber nun und nimmermehr gehe ich mit Ihnen! Seien Sie großmüthig, Herr Doktor, überlassen Sie mich meinem Schicksal und sagen Sie Niemanden, was hier geschehen ist. Gott segne Sie, den Retter einer armen Mutter, den Retter ihres unglücklichen Sohnes, denn nun werde ich wenigsten nicht mit einer Blutschuld beladen vor den ewigen Richter treten.«

      Damit wandte er sich rasch ab und ging nach Etterbeck hin.

      Der Doktor aber eilte ihm nach und hielt ihn zurück.

      »Sie glauben mir Dank zu schulden,«

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