Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild. Gustav von Bodelschwingh

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Friedrich v. Bodelschwingh: Ein Lebensbild - Gustav von Bodelschwingh

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den Konfirmator wiederzusehen, dessen Predigten ihm mehr zu Herzen gingen, als es sonst ein menschliches Wort bis dahin getan hatte. Aber für gewöhnlich ging es mit den Brüdern Franz und Ernst jeden Sonnabend Nachmittag auf Fußwegen quer durch die Felder die drei Stunden weit zu Eltern und Geschwistern nach Velmede. „Dabei begegnete es mir einmal,” erzählt er, „als das Elternhaus aus der Ferne winkte, daß ich mich wiederholt umblickte, weil es mir vorkam, als ob ein Reiter auf dem schmalen Fußpfade hinter mir her galoppierte, bis ich erkannte, daß es mein eigenes Herz war, welches so laut vor Freude und Wonne klopfte beim Anblick des geliebten Vaterhauses.” Und am letzten Busch kamen Vater und Mutter und die beiden Schwestern Frieda und Sophie den Brüdern entgegen. Dann ging es gemeinsam ins Elternhaus, das vorher nie so genossen worden war als jetzt, wo die Söhne nicht jeden Tag darin zubringen konnten.

      Am Sonntagmorgen stand der Vater, der in gesunden Tagen nie den Gottesdienst versäumte, für den Weg in die Kirche nach Methler bereit, und die Kinder folgten ihm, während die Mutter sich alle vierzehn Tage mit den Mägden abwechselte. Am Nachmittag ging es dann unter die Eichen des Mühlenbruchs, wo die Söhne einen lauschigen, stillen Sitzplatz für die Eltern und Schwestern errichtet hatten und wo nun an dem flackernden Feuer die Kartoffeln geröstet wurden. „Wie konnte der Vater jubeln durch den Mühlenbruch wie ein Kind!” schreibt der Sohn. Und in einem Brief der Tochter Sophie heißt es: „An jeder Blume, jedem Blatt und Strauch hatte er seine kindliche Freude. Es ist ja auch ein wahrhaft erfrischender Anblick, den Mann zu sehen, der durch alle Unnatur der Welt, alle Schlechtigkeit und Niedrigkeit der Menschen, alle die ertötendsten Geschäfte des täglichen Lebens und durch viel bittere Enttäuschungen sich hindurchgerettet und sich den reinen, heiteren, ungetrübten Sinn eines Kindes zu erhalten gewußt hat. So heiter, frisch und kräftig habe ich ihn eigentlich noch nie gekannt.”

      Ostern 1849 entließ das Gymnasium in Dortmund den jungen Friedrich von Bodelschwingh mit dem Zeugnis der Reife. Da er nur ein halbes Jahr in Berlin und nur ein Jahr in Dortmund die Prima besucht hatte, so würde er am liebsten noch ein halbes Jahr auf das geliebte Friedrich-Wilhelms-Gymnasium nach Berlin zurückgekehrt sein, um trotz des guten Dortmunder Zeugnisses die klassischen Studien zu vertiefen. Aber der Vater riet ab.

       Inhaltsverzeichnis

      Als Eleve im Oderbruch. 1849–1851.

      „Meine landwirtschaftliche Lehrzeit ist unzweifelhaft die reichste meines Lebens gewesen und wird mir auch wahrscheinlich immer die angenehmste Erinnerung bleiben, sodaß ich sie um keinen Preis missen möchte, sollte ich auch jede beliebige andere Karriere ergreifen. Wenn Zeit und Mittel es gestatten, so will ich einem jeden unbedingt raten, dem Juristen sowohl wie dem Forstmann und Bergmann, vor allem aber dem zukünftigen Soldaten, daß er sich durch ein landwirtschaftliches Lehrjahr für seinen späteren Beruf vorbereitet.”

      F. v. B. an seinen Vater 1853.

      Was nun werden? Schon während der Zeit in Dortmund hatte Bodelschwingh gelegentlich ein Bergwerk befahren und als Hauer mitgearbeitet. Eigentlich gefesselt hatte ihn diese Arbeit nicht. Sollte er Jura studieren? Aber die unsicheren politischen Verhältnisse schreckten ihn ab. Dagegen brachte ihn die vielfache Beschäftigung mit seinem Vater in Garten, Feld und Wald zu dem Gedanken, zunächst einmal die Landwirtschaft zu ergreifen. Um sich für die praktische Tätigkeit als Landwirt vorzubereiten, ging er zum Studium der Botanik und der Physik für den Sommer 1849 nach Berlin, wo er außer den beiden genannten Fächern Philosophie und Geschichte hörte. Im Herbst 1849 brachte ihn dann sein Vater auf seine neue Arbeitsstelle.

      „Ich besinne mich noch darauf,” schreibt er, „daß es gerade die Nacht vom 14. auf den 15. September war, wo wir in Begleitung meines neuen Lehrherrn, des alten Koppe, zu Wagen von Berlin nach Kienitz im Oderbruch fuhren. Die Nacht war für mich sehr lehrreich, weil der alte Herr meinem Vater, den er schon als früheren Finanzminister kannte und liebte, viel aus seinem Leben erzählte. Der alte Koppe war in der Tat eine ausgezeichnete und in vieler Beziehung für meinen neuen Beruf vorbildliche Persönlichkeit. Er war auf einem Gute in der märkischen Lausitz Hütejunge gewesen. Sein Gutsherr hatte ihn als einen munteren, geweckten Knaben, der in allen Stücken besonders treu war, kennen gelernt und liebgewonnen. Er hatte ihm dann zu seiner weiteren Ausbildung verholfen, sodaß er später zum Gutsverwalter aufrückte.

      Wir fuhren in jener Nacht durch die Güter eines der reichsten Herren dort in der Mark. Diese Güter hatte der alte Koppe lange Zeit verwaltet und hatte seinem Herrn in seinen Vermögensverhältnissen durch große Umsicht und Treue sehr fortgeholfen. Als dann die beiden wertvollen königlichen Domänen Kienitz und Wollup bei Küstrin pachtfrei wurden, reichte ihm sein Herr gegen die Teilung des Reingewinnes die Mittel dar, die Pachtung anzutreten. Mit großen Opfern kaufte sich Koppe später von dieser Verpflichtung, den Reingewinn zu teilen, frei. Trotzdem brachte er es so weit, daß er seiner Frau das Gut, auf dem er als Hütejunge gedient hatte, zum Geburtstagsgeschenk machen konnte und daß er seine sämtlichen Söhne und Schwiegersöhne ebenfalls entweder mit einem großen Gut oder mit großartigen Pachtungen auszustatten in die Lage kam.

      Dies alles verdankte er nächst dem Segen Gottes seiner großen Treue im Kleinen und seiner pünktlichen Sorgfalt. Er wurde der Begründer des landwirtschaftlichen Rechenwesens in seiner jetzigen Genauigkeit, wodurch man in die Lage gesetzt ist, von jedem Zweige der Landwirtschaft am Schluß des Jahres genau zu wissen, was er an Gewinn oder Verlust gebracht hat. Während, wie Koppe in jener Nacht erzählte, sein Vorgänger z. B. keine Ahnung gehabt hatte, ob er bei seiner Pferdezucht gewinne oder zusetze, — das zweite war tatsächlich der Fall — gab sich Koppe über jeden einzelnen Betrieb seiner Wirtschaft genau Rechenschaft. Bis in sein hohes Alter behielt er die gleiche Pünktlichkeit bei: Punkt fünf Uhr stand er fertig angezogen an seinem Schreibtisch und erwartete, daß auch auf denselben Glockenschlag die Inspektoren und Eleven hereintraten, um die Arbeitseinteilung zu besprechen. Dabei sorgte er treulich für seine Arbeiter und ging ihnen auch in seinem kirchlichen Leben mit gutem Beispiel voran.

      Ich wurde zunächst seinem zweiten Sohn, dem er die Bearbeitung der Domäne Kienitz übertragen hatte, als Eleve anvertraut. Die Domäne Kienitz war damals zwar nicht eins der größten, aber doch eins der bestbewirtschafteten Güter des Oderbruchs. Auch war sie das einzige Gut des Oderbruchs, das eine Zuckerfabrik besaß. Von den 2200 Morgen wurden jedes Jahr 700 mit Zuckerrüben bestellt. Der Viehbestand setzte sich zusammen aus 40 Ackerpferden, 24 Kühen, 100 Ochsen und mehreren 1000 Schafen. Das Gut lag nur eine halbe Stunde von der Oder entfernt. Die breiten mit Weiden bestandenen Wassergräben, die das Gut durchzogen, und ein einziger Sandhügel von 2 bis 3 Morgen, der mit Birken und Tannen bepflanzt war, bildeten die geringe Abwechslung in dieser einförmigen, aber überaus fruchtbaren Ebene.

      Mein Prinzipal war in einiger Verlegenheit, was er mit dem etwas ungewöhnlichen Lehrjungen anfangen solle, der als Studiosus von der Universität kam und von dem er zu denken schien, er würde besondere Ansprüche machen. Auf dem ersten Spaziergang mit ihm ins Feld hinaus kamen wir zu den Ochsenpflügern, die den Acker für die Rüben, die im nächsten Frühjahr gelegt werden sollten, aufbrachen. Es war eine lange außerordentlich dürre Zeit gewesen und darum der Acker so hart wie eine Dreschtenne. Die sogenannten Rigolpflüge waren jeder mit fünf starken Ochsen bespannt, zwei hinten und drei vorn, und der von ihnen umgebrochene Acker war anzusehen wie ein Feld voller aufgebrochener Steinblöcke. Die einzelnen Erdschollen waren zum Teil zentnerschwer. Ein Mann mußte den Pflug führen, während ein anderer die Ochsen langsam antrieb, die unter beständigem Keuchen und Stöhnen einen Erdblock nach dem andern herausholten.

      Ich fragte meinen Prinzipal, ob ich das Pflügen wohl lernen dürfe. Diese Frage schien ihm eine große Erleichterung zu gewähren. Denn ihm war nun aus der Verlegenheit geholfen, und ich war an der Arbeit. Etwa vier Wochen lang habe ich dann einen solchen Rigolpflug geführt. Das war freilich

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