Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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Doch bei all diesem viehischen Leben vermieden sie die Kranken soviel als möglich. Bei dem großen Unglück und Elend, das unsere Stadt betraf, war die ehrwürdige Gewalt der Gesetze, sowohl göttlicher als auch menschlicher, fast gänzlich herabgesunken und aufgelöst, weil ihre Diener und Vollstrecker, ebenso wie die anderen Einwohner, entweder tot oder krank oder so sehr von Helfern entblößt waren, dass sie ihre Dienste auf keine Weise verrichten konnten; daher es einem jeden freistand, zu handeln, wie er wollte.
Manche hielten auch zwischen denen, von welchen wir vorher gesprochen, die Mittelstraße, indem sie im Essen und Trinken sich kein so strenges Maß vorschrieben wie die zuerst erwähnten und sich doch auch der Völlerei und anderen Ausschweifungen nicht überließen wie die andern, sondern sie bedienten sich aller Dinge in hinreichendem Maße, um ihre Wünsche zu befriedigen, und statt sich einzusperren, gingen sie umher, einige mit Sträußen von wohlriechenden Blumen und Kräutern, einige mit verschiedenen Spezereien in den Händen, die sie oft an die Nase hielten. Denn sie glaubten, es wäre heilsam, durch Wohlgerüche das Gehirn zu stärken, da die Luft überall mit Gestank und Ausdünstung von Leichen, Kranken und Arzneien geschwängert schien. Einige andere dachten noch hartherziger – und gingen darin wohl sicherer – und sagten, die beste Arznei gegen die Pest wäre die Flucht. Von diesem Beweggrunde getrieben, und ohne sich um jemand anders als um sich selbst zu kümmern, verließen sehr viele Männer und Frauen die Stadt und ihre Häuser, Wohnungen, Verwandten und Habseligkeiten und flohen in die Fremde oder wenigstens aufs Land, auf ihre eigenen Güter, als wenn Gottes Zorn, der die Sünden der Menschen durch diese Pestilenz strafte, ihnen nach dem Orte ihrer Zuflucht nicht hätte folgen können, sondern nur die aufzureiben bedacht gewesen wäre, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden, als wollte die Pest nur in der Stadt keinen Menschen leben lassen, und die Stunde ihres Unterganges wäre gekommen.
Obwohl nun diese verschieden gesinnten Menschen nicht alle starben, so kamen sie doch auch nicht alle mit dem Leben davon. Sondern, indem viele von den Anhängern jeder Meinung erkrankten, so wurden sie nach dem Beispiele, das sie jederzeit, solange sie gesund waren, selbst gegeben hatten, von denen, die jetzt gesund blieben, wieder verlassen und mussten fast einsam dahinschmachten. Es mochte noch hingehen, dass ein Bürger den andern verließ und dass fast kein Nachbar sich des andern annahm, dass Verwandte einander selten oder gar nicht besuchten und sich nur von Ferne sahen. Aber so tief hatte der Schrecken dieser Heimsuchung die Brust der Menschen beiderlei Geschlechts durchdrungen, dass ein Bruder den andern verließ, der Oheim den Neffen, die Schwester den Bruder, ja, nicht selten, das Weib den Mann, und was noch weit mehr und schier unglaublich ist: Väter und Mütter ließen sogar ihre Kinder, als ob sie ihnen nicht angehörten, ohne Besuch und ohne Pflege. Deswegen blieb auch für die unbeschreibliche Menge der Kranken, Männer und Weiber, keine andere Hilfe und Beistand übrig als das Mitleid der Freunde (und deren gab es wenige) oder die Gewinnsucht der Wärter, die sich durch großen und unerschwinglichen Lohn anlocken ließen, wiewohl auch diese nicht in großer Anzahl zu finden und die meisten nur Menschen von groben Begriffen waren und wenig gewohnt an dergleichen Dienste, daher man sie denn auch fast zu nichts weiter gebrauchen konnte, als um den Kranken dieses und jenes zu reichen, das sie verlangten, und achtzugeben, wenn sie starben. Bei diesem Geschäfte kostete ihr Verdienst ihnen selbst oft das Leben.
Da nun die Kranken von ihren Nachbarn, Verwandten und Freunden verlassen wurden und die Zahl der Krankenwärter so gering war, so entstand daher eine Unsitte, die bis dahin nicht erhört gewesen war. Keine Dame nämlich, sie mochte so schön, liebenswürdig oder wohlerzogen sein, wie sie wolle, trug Bedenken, sich von Mannspersonen bedienen zu lassen, gleichviel, ob sie jung oder alt waren, und wenn es die Umstände der Krankheit notwendig machten, vor ihnen, wie vor ihren weiblichen Bedienten, ohne alle Scham jeden Körperteil zu entblößen, welches denn vielleicht manchen, die mit dem Leben davonkamen, in der Folge Anlass gab, weniger streng auf ihre Ehrbarkeit zu halten. Überdies fanden manche dabei ihren Tod, die vielleicht wieder gesund geworden wären, wenn sie die gehörige Aufwartung gehabt hätten. So aber war, teils wegen Mangel an gehöriger Bedienung und Verpflegung der Kranken, teils wegen der Bösartigkeit der Seuche, die Menge derer, die Tag und Nacht daran hinstarben, so groß, dass es schrecklich war, davon zu hören, und noch mehr, es zu sehen, denn die Not trieb die Überlebenden zu solchen Handlungen, die sonst den Gebräuchen