Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

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Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio Literatur (Leinen)

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und nannte den Knaben Pierrot und das Mädchen Jeannette. Weil sie in dem armseligsten Aufzuge französischer Bettler nach London gekommen waren, pflegten sie umherzugehen und Almosen zu sammeln. Da sie nun eines Morgens ihrem Handwerk vor einer Kirche nachgingen, trug es sich zu, dass eine vornehme Dame, die Gemahlin eines königlichen Feldmarschalls, als sie aus der Kirche kam, den Grafen und seine Kinder gewahr ward, wie sie bettelten, und ihn fragte, woher er wäre und ob die Kinder ihm gehörten. Er antwortete, er wäre aus der Pikardie und hätte wegen einer Übeltat seines ungeratenen ältesten Sohnes mit seinen beiden Kindern landflüchtig werden müssen. Die mitleidige Dame heftete ihre Blicke auf das Mädchen, das ihr ungemein gefiel, weil es sehr schön, artig und einnehmend war. „Guter Mann“, sprach sie, „wenn Ihr mir Eure Tochter überlassen wollt, so will ich sie zu mir nehmen, weil sie mir gefällt, und wenn sie ein gutes Mädchen wird, so will ich sie zu rechter Zeit anständig verheiraten.“ Dem Grafen war das Anerbieten willkommen. Er willigte auf der Stelle ein und übergab ihr mit Tränen seine Tochter, indem er sie ihrer Sorgfalt empfahl. Als er sie untergebracht hatte und wusste, dass sie in guten Händen war, wollte er sich dort nicht länger aufhalten, bettelte sich quer durch die Insel und kam mit seinem Sohne nach Wales, nicht ohne große Beschwerlichkeit, weil er das Tippeln auf der Landstraße nicht gewohnt war. Hier befand sich ein anderer Marschall des Königs, der einen großen Hofstaat und viele Diener hielt, an dessen Hof der Graf mit seinem Sohn bisweilen ein Mittagessen abbekam. Einst versuchte sich der Sohn des Marschalls mit den Kindern einiger anderer Edelleute im Laufen, Springen und anderen jugendlichen Übungen. Pierrot mischte sich unter die Knaben und machte alles so geschickt mit wie die übrigen, und zum Teil noch besser. Als der Marschall dies einige Male bemerkt hatte und Wohlgefallen an dem Anstand und Betragen des Knaben fand, so fragte er, wer er sei. Man sagte ihm, er sei der Sohn eines armen Mannes, der bisweilen um Almosen nachsuche; worauf der Marschall ihn um den Knaben bitten ließ. Der Graf, der nur dies von Gott erfleht hatte, gab ihm gerne den Knaben, so ungern er sich auch sonst von ihm getrennt hätte. Er sah nun seinen Sohn und seine Tochter versorgt und wollte nicht länger in England bleiben. Er ging, sobald er konnte, nach Irland, und als er nach Stamford kam, begab er sich bei einem Edelmann auf dem Lande in Dienst. Hier verrichtete er alles, was gewöhnlich von einem Knecht oder Knappen gefordert wird, und führte lange Zeit im Verborgenen ein beschwerliches Leben. Violante, unter dem Namen Jeannette, nahm indessen zu an Jahren, an Wachstum und an Schönheit und war bei ihrer Dame in London und bei deren Gemahl in solcher Gunst und bei jedermann im Hause und bei allen, die sie kannten, so wohl beliebt, dass es zu verwundern war. Aber wer ihre Sitten und ihre Aufführung betrachtete, der musste gestehen, dass sie wert war, zu Glück und Ehren erhoben zu werden. Die Edelfrau, die sie von ihrem Vater empfangen hatte, allein nichts weiter von seinen Umständen wusste, als was er selbst ihr gesagt hatte, war demnach willens, sie so anständig zu verheiraten, wie es denjenigen Umständen angemessen wäre, in welchen sie glaubte, dass sie geboren sein könnte. Aber Gott, der am gerechtesten über die Verdienste der Menschen waltet, wusste wohl, dass sie ein adliges Mädchen war, das ohne Schuld für fremde Sünde büßte, und bestimmte ihr ein besseres Los, und man musste glauben, dass das, was sich begab, durch seine gütige Schickung geschah, damit sie nicht einem Menschen niedrigen Standes in die Arme geworfen würde.

      Die Dame, bei der Jeannette wohnte, hatte nämlich einen einzigen Sohn mit ihrem Gemahl, den beide Eltern sehr zärtlich liebten, nicht nur, weil er ihr Sohn war, sondern auch, weil er wegen seiner Tugenden und Gaben verdiente, es zu sein. Er war edel und vorzüglich von Sitten und schön und einnehmend von Gestalt. Er war ungefähr sechs Jahre älter als Jeannette, und ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit fesselten ihn so sehr, dass außer ihr nichts Schönes in der Welt für ihn zu finden war. Weil er aber glaubte, dass sie von niedrigerem Stande, so getraute er sich nicht, seine Eltern um ihre Hand zu bitten, sondern aus Besorgnis, dass sie ihm seine unanständige Neigung verweisen möchten, suchte er sie so viel wie möglich zu verbergen, wiewohl er eben deswegen ihren Stachel noch empfindlicher fühlte, als wenn er sie frei heraus bekannt hätte. So kam es endlich dahin, dass er vor tiefem Kummer zuletzt schwer erkrankte, worüber sich seine Eltern sehr grämten und ihn oft mit liebreichen Worten baten, ihnen die Ursache seines Schmerzes zu entdecken; allein er antwortete nur durch Seufzer, oder er sagte, er fühle, dass seine Lebenskräfte gänzlich entschwänden. Einmal traf es sich, indem ein junger Arzt (der aber alt an Einsicht und Gelehrsamkeit war) neben seinem Bette saß und ihm den Puls fühlte, dass Jeannette, die ihn aus Liebe zu seiner Mutter mit aller Sorgfalt bediente, wegen irgendeiner Besorgung in das Zimmer kam, wo der Kranke lag. Als der Jüngling sie erblickte, ließ er sich zwar durch Worte und Mienen nichts merken, allein sein Herz, welches in dem Augenblich die Glut der Liebe heftiger empfand, schlug stärker, und sein Puls ging schneller als gewöhnlich, was der Arzt mit Verwunderung bemerkte und auf die Dauer des vermehrten Pulsschlages desto genauer Achtung gab. Nachdem Jeannette das Zimmer verlassen hatte, ward auch der Puls wieder schwächer, daher der Arzt glaubte, der Ursache der Krankheit auf die Spur gekommen zu sein, und deswegen Jeannette nach Verlauf einiger Zeit wieder hereinrufen ließ, als ob er etwas nötig hätte, und inzwischen die Hand des Kranken immer in der seinigen hielt. Jeannette kam herein, und kaum betrat sie die Schwelle, so stieg der Pulsschlag des Kranken und ward wieder schwächer, sobald sie sich wieder entfernte. Der Arzt, der nunmehr völlige Gewissheit erlangt zu haben glaubte, stand auf und sagte im Vertrauen zu den Eltern des Kranken: „Die Gesundheit eures Sohnes liegt nicht in der Hand des Arztes, sondern in Jeannettes Hand, denn wie ich aus deutlichen Merkmalen schließe, liebt der Jüngling sie inbrünstig, obwohl sie nach meiner Meinung nichts davon zu merken scheint. Ihr wisst nun, was ihr zu tun habt, wofern euch sein Leben lieb ist.“

      Der Edelmann und seine Gemahlin wurden froh, als sie hörten, dass es wenigstens ein Mittel gebe, ihren Sohn zu retten, obgleich es ihnen sehr unangenehm war, dass es (wie sie fürchteten) darauf ankam, ihm Jeannette zur Gemahlin zu geben. Als sich der Arzt entfernt hatte, gingen sie zu dem Kranken hinein, und die Mutter sagte zu ihm: „Lieber Sohn, ich hätte nimmer geglaubt, dass du mir einen Wunsch verhehlen könntest, zumal da du merktest, dass seine Nichterfüllung dir deine Lebenskräfte raubte. Du solltest versichert sein, und musst es sein, dass nichts in der Welt ist, was ich dir nicht, wenn es dich glücklich machen kann, aus eigenem Antrieb gewährte. Weil du es aber dennoch getan hast, so ist unser Herrgott barmherziger gegen dich gewesen als du selbst, und damit du an dieser Krankheit nicht stirbst, so hat er mir die Quelle deines Leides entdeckt, welches nichts anderes ist als die innige Liebe, die du für ein Mädchen empfindest, es sei, welches es wolle. Du brauchst dich auch wahrlich nicht zu schämen, es zu gestehen, denn es ist deinen Jahren gemäß, und wenn du nicht liebst, so würde ich dich für sehr unempfindlich halten. Verhehle mir demnach nichts, mein Sohn, sondern entdecke mir mit Zuversicht deine Wünsche und entschlage dich der Traurigkeit und des Tiefsinns, die dir diese Krankheit zugezogen haben. Sei getrost und versichert, dass du nichts von mir zur Beförderung deiner Glückseligkeit begehren kannst, was ich nicht aus allen Kräften mich bestreben würde, dir zu verschaffen, indem ich dich mehr liebe als mein Leben. Entferne alle Furcht und Blödigkeit und sage mir, ob ich zur Beförderung deiner Liebe etwas beitragen kann, und wenn du nicht findest, dass ich mir alle mögliche Mühe gebe, dir zur Erreichung deines Zieles zu verhelfen, so halte mich für die grausamste Mutter, die jemals einen Sohn geboren hat.“ Der Jüngling errötete zuerst bei dieser Anrede seiner Mutter. Er überlegte aber, dass niemand besser als sie ihm zu seinem Glücke förderlich sein könne, verbannte seine Schamröte und gab ihr zur Antwort: „Liebe Mutter, es hat mich nichts anderes bewogen, meine Liebe zu verhehlen, als die öftere Erfahrung, dass die Leute, wenn sie alt werden, sich nicht erinnern wollen, dass sie jung gewesen sind. Weil Ihr aber in dieser Hinsicht nachsichtig seid, so will ich Euch nicht nur gestehen, dass alles richtig ist, was Ihr bemerkt habt, sondern ich will Euch auch die geliebte Person nennen, unter der Bedingung, dass Ihr Euer Versprechen nach Eurem besten Vermögen erfüllt; denn nur in diesem Falle könnt Ihr hoffen, mich gesund zu sehen.“

      Die Mutter, die sich zu gewisse Hoffnung machte, alles nach ihrem eigenen Kopf einrichten zu können (was ihr aber nicht gelang), versprach ihm ohne Bedenken, dass sie unverzüglich die Hand ans Werk legen wolle, seine Wünsche zu befriedigen und bat ihn, ihr sein Herz auszuschütten.

      „Liebe Mutter“, sprach darauf der Jüngling, „die große Schönheit und das liebenswürdige Betragen unserer

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