Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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Читать онлайн книгу Das Dekameron - Giovanni Boccaccio страница 42
Hier rief er die Kaufleute zusammen, die bei der Unterredung und bei der Wette zugegen gewesen waren, und sagte in Bernabos Gegenwart zu ihnen, er habe die Wette gewonnen, die zwischen ihnen beiden geschlossen worden, indem er das ausgeführt habe, wozu er sich anheischig gemacht. Zum Beweise dessen beschrieb er zuerst die Lage der Kammer und die darin befindlichen Gemälde und zeigte hernach die Sachen vor, die er mitgebracht hatte und die er vorgab, von der Dame erhalten zu haben.
Bernabo gab zu, dass die Kammer so beschaffen wäre, wie er behaupte, und dass die vorgezeigten Sachen wirklich seiner Frau gehört hätten. Allein er meinte, jener könne leicht durch einen von der Dienerschaft des Hauses die Beschaffenheit des Zimmers erfahren und auf gleiche Weise die Sachen erhalten haben. Wenn er demnach nichts weiter für sich zu sagen hätte, so schienen ihm diese Beweise noch nicht hinreichend, um die Wette zu seinem Vorteil zu entscheiden. „In der Tat“, sagte Ambrogiuolo, „müsste dieses wohl hinreichend sein. Weil du aber verlangst, dass ich noch mehr sagen soll, so will ich es tun und will dir sagen, dass Madonna Ginevra, deine Frau, ein ziemlich großes Mal unter ihrer linken Brust hat, das mit einem halben Dutzend goldblonder Härchen umwachsen ist.“
Diese Worte fuhren Bernabo wie ein Dolchstich durchs Herz, und der Schmerz darüber verwandelte sein Gesicht so sehr, dass man, wenn er auch kein Wort gesagt hätte, deutlich sehen konnte, was Ambrogiuolo gesprochen habe, müsse wahr sein. Nach einer kleinen Pause sagte er: „Meine Herren, was Ambrogiuolo erzählt, ist wahr. Und da er gewonnen hat, so mag er sein Geld empfangen, wenn es ihm gefällt.“
Am folgenden Tage ward Ambrogiuolo das Geld wirklich ausbezahlt, und Bernabo entfernte sich von Paris und machte sich auf den Weg nach Genua, das Herz voll Rachgier gegen seine Frau. Als er in die Nähe von Genua kam, wollte er nicht hineingehen, sondern blieb in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Meilen in einem seiner Landhäuser und schickte einen vertrauten Diener mit zwei Pferden und mit einem Brief in die Stadt, in dem er seiner Frau seine Ankunft meldete und ihr befahl, mit dem Überbringer zu ihm zu kommen. Dem Diener aber gab er heimlich den Befehl, sobald er sich mit der Dame an einem entlegenen Orte befände, der ihm geeignet schiene, sie ohne Barmherzigkeit zu ermorden und zu ihm zurückzukehren.
Der Diener kam nach Genua und übergab den Brief. Die Dame empfing ihn mit großen Freuden, stieg mit ihm am folgenden Morgen zu Pferde und nahm den Weg nach dem Landhause. Indem sie unterwegs von mancherlei Dingen sprachen, kamen sie an ein tiefes, einsames, von hohen Felsen und Bäumen eingeschlossenes Tal, das dem Diener der Ort zu sein schien, wo er den Befehl seines Herrn am sichersten vollziehen könnte. Er zog demnach seinen Dolch, ergriff die Dame beim Arm und sagte: „Madonna, empfehlt Eure Seele Gott, Ihr müsst auf der Stelle sterben.“
Die Dame, die den gezückten Dolch sah und die schrecklichen Worte vernahm, rief voll Angst: „Um Gottes willen habe die Barmherzigkeit, ehe du mich tötest, mir zu sagen, womit ich dich beleidigt habe, dass du mich morden willst.“ „Madonna“, sprach der Diener, „mich habt Ihr nicht beleidigt. Was Ihr aber gegen Euren Gemahl müsst gesündigt haben, das weiß ich nicht. Aber er ist‘s, der mir befohlen hat, Euch ohne Barmherzigkeit auf dieser Reise ums Leben zu bringen, und wenn ich es nicht tue, so hat er mir gedroht, mich aufhängen zu lassen. Ihr wisst, wie viel ich ihm zu danken habe und dass ich ihm nichts abschlagen kann, das er von mir verlangt. Gott weiß, Ihr dauert mich. Allein ich kann‘s nicht ändern.“
„Um des Himmels willen“, bat ihn die Dame mit Tränen, „werde nicht zum Mörder an mir, einem anderen zu Gefallen, da ich dich nie beleidigt habe! Gott, der alles sieht, weiß, dass ich nie etwas begangen habe, wofür ich von meinem Gemahl einen solchen Lohn verdiente. Aber dies einmal beiseite gelassen, so kannst du doch zu gleicher Zeit Gott und deinem Herrn und mir gefällig sein, und zwar auf diese Weise: Du nimmst meine Kleider und gibst mir nur deinen Wams und einen Überrock und kehrst zurück zu deinem und meinem Herrn und sagst ihm, du habest mich umgebracht. Ich schwöre dir dagegen bei dem Leben, das du mir schenkst, mich von hier zu entfernen und so weit zu gehen, dass weder er noch du noch jemand in diesem Lande das Geringste wieder von mir erfahren soll.“
Der Diener, der ungern an ihr zum Mörder geworden wäre, ließ sich leicht zum Mitleid bewegen. Er nahm ihre Kleider, gab ihr ein schlechtes Wams und einen Überrock und ließ ihr das wenige Geld, das sie bei sich hatte. Und indem er sie nochmals bat, sich aus der Gegend zu entfernen, ließ er sie in dem Tal zu Fuß zurück und kam zu seinem Herrn, dem er versicherte, er habe seinen Befehl nicht nur ausgerichtet, sondern auch gesehen, wie die Wölfe bereits über den Leichnam hergefallen wären. Bernabo kam kurz darauf nach Genua, und als seine Tat bekannt ward, verdammte sie ein jeder.
Die verlassene und bekümmerte Frau verkleidete und machte sich unkenntlich, so gut sie konnte. Bei anbrechender Nacht schlich sie in ein nahegelegenes Dorf, wo sie von einer guten Frau das erhielt, was sie brauchte, um das Wams nach ihrem Leibe zurechtzuschneiden und den Mantel in ein Paar Pantalons umzuwandeln; worauf sie ihr Haar kurz abschnitt, sich das Ansehen eines Matrosen gab und sich alsdann aufmachte und nach der Seeküste ging, wo sie von ungefähr einen Edelmann aus Katalonien, namens Sennor Encarach, antraf, der sein Schiff, das nicht weit davon vor Anker lag, bei Alba verlassen hatte, um sich bei einem Brunnen zu erfrischen. Sie ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und ward mit ihm einig, bei ihm Dienst zu nehmen. Unter dem Namen Sicurano von Finale ging sie mit ihm an Bord. Sicurano ward nunmehr von seinem Herrn besser gekleidet und bediente ihn so geschickt und mit solchem Eifer, dass er sich sehr bei ihm in Gunst setzte.
Nicht lange danach schiffte der Katalonier mit einer Ladung Waren nach Alessandria und nahm einige auserlesene Falken für den Sultan mit, die er ihm überreichte. Dieser zog ihn einige Male zur Tafel, und wie er das Betragen des Sicurano, der ihn immer bediente, beobachtete und Gefallen an ihm fand, bat er den Katalonier, ihn ihm zu überlassen. Der tat es auch, obwohl er ihn ungern entbehrte. Sicurano erwarb sich in kurzer Zeit durch sein Wohlverhalten die Liebe und Zuneigung des Sultans in eben dem Maße, in dem er sich bei dem Katalonier beliebt gemacht hatte, daher es sich denn nach einiger Zeit begab, dass in Akka zu einer gewissen Jahreszeit ein öffentlicher Markt gehalten ward, wo sich eine große Menge christlicher und sarazenischer Kaufleute versammelten, und wohin der Sultan zur Sicherheit der Kaufleute und ihrer Waren jederzeit außer anderen Offizieren auch einen von den Großen seines Hofes mit einer gehörigen Wache zu schicken pflegte, um auf alles ein Auge zu haben. Als die Zeit herankam, entschloss der Sultan sich, Sicurano in dieser Eigenschaft dahin zu schicken, der die Sprache des Landes bereits genügend beherrschte.
Als nun Sicurano als Befehlshaber der Stadt und Hauptmann der