Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
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Ambrogiuolo von Piacenza, der auch mit vielen Waren auf einem venezianischen Schiffe dahin gekommen war und hörte, dass der Befehlshaber der Wache nach diesen Sachen fragte, kam geschwind herzu und sagte lachend: „Herr, die Sachen gehören mir und sind mir nicht feil; wenn sie Euch aber gefallen, wird es mir eine Ehre sein, wenn Ihr sie als Geschenk annehmt.“
Sicurano schloss aus seinem Lachen, dass er an irgendeinem Zuge ihn vielleicht erkannt hätte, er nahm also eine ernsthafte Miene an und sagte: „Du lachst vielleicht darüber, dass ein Mann, der Waffen trägt wie ich, nach solchen Weibersachen fragt?“
„Herr“, sprach Ambrogiuolo, „ich lachte nicht darüber, sondern über die Art und Weise, wie ich zu diesen Sachen gekommen bin.“
„Wenn Ihr nicht besondere Ursache habt, ein Geheimnis daraus zu machen“, sprach Sicurano, „so erzählt uns doch bitte, wie Ihr sie gewonnen habt.“ „Herr“, sprach Ambrogiuolo, „sie wurden mir einst nebst anderen Sachen von einer hübschen Genueserin geschenkt, namens Madonna Ginevra, der Frau eines gewissen Bernabo Leomellin, nachdem ich die Nacht mit ihr zugebracht hatte, und sie bat mich, sie zum Andenken an sie zu behalten. Ich musste jetzt lachen, weil mir eben die Narrheit ihres Mannes einfiel, die so weit ging, dass er fünftausend Goldgulden gegen tausend mit mir wettete, dass ich bei seiner Frau meinen Willen nicht erreichen würde; allein es geschah, und ich gewann die Wette, und er, der sich lieber selbst für seine Dummheit hätte bestrafen sollen als seine Frau, die nichts mehr tat, als was alle anderen Weiber tun, ließ sein Weib umbringen, wie ich hernach gehört habe, sobald er von Paris nach Genua zurückkam.“
Sicurano merkte nun deutlich aus dieser Erzählung, was Bernabo so sehr gegen seine Frau aufgebracht hatte, und dass Ambrogiuolo an all ihrem Unglück schuld war. Er nahm sich augenblicklich fest vor, ihn nicht ungestraft entwischen zu lassen. Er stellte sich demnach gegen Ambrogiuolo, als ob er besonderes Wohlgefallen an dieser Geschichte hätte, und wusste sich so geschickt sein Zutrauen zu erwerben, dass er nach geendigtem Markt samt allen seinen Sachen mit ihm nach Alessandria zog, wo ihm Sicurano einen Laden einrichten ließ und ihm eine gute Summe Geldes vorstreckte, sodass er gern dablieb, weil er seinen Vorteil dabei fand.
Sicurano ließ es sich inzwischen sehr angelegen sein, Bernabo die Unschuld seiner Frau darzutun, und er ruhte nicht eher, bis er mit Hilfe einiger angesehener, genuesischer Kaufleute ein Mittel fand, ihn nach Alessandria zu locken, wo er endlich in armseligen Umständen ankam und wo ihn ein vertrauter Freund des Sicurano so lange heimlich beherbergen musste, bis es diesem schien Zeit zu sein, sein Vorhaben auszuführen. Er hatte bereits Gelegenheit genommen, Ambrogiuolo sein Märchen in Gegenwart des Sultans erzählen zu lassen und diesen damit zu ergötzen. Jetzt aber, da Bernabo angekommen war, säumte er nicht lange, sondern bat zu gelegener Zeit den Sultan, Ambrogiuolo und Bernabo zugleich vor sich kommen zu lassen und den Ersteren, wenn er sich nicht gutwillig dazu bequemen wolle, mit Gewalt zu zwingen, in Gegenwart des Bernabo die reine Wahrheit zu erklären, wie es mit dem Abenteuer zusammenhinge, das er mit der Gattin des Bernabo gehabt zu haben sich rühme. Als demnach Ambrogiuolo und Bernabo vorgeführt wurden, befahl der Sultan dem Ersteren in Gegenwart vieler Personen recht ungnädig, die reine Wahrheit zu erzählen, auf welche Art er Bernabo einst fünftausend Goldgulden abgewonnen habe. Auch Sicurano, der anwesend war und auf den Ambrogiuolo sein Vertrauen setzte, drohte ihm gleichfalls, Zorn im Blicke, die grausamsten Martern, wenn er nicht die Wahrheit bekenne, sodass Ambrogiuolo, dem man von allen Seiten zusetzte und der sich keine größere Strafe vermutete, als dass er die fünftausend Goldgulden dem Bernabo würde zurückgeben müssen, ohne dass es weiteren Zwanges bedurft hätte, in dessen Gegenwart und vieler anderen rein heraus bekannte, wie sich die ganze Sache verhielte.
Nachdem Ambrogiuolo alles gebeichtet hatte, wandte sich Sicurano, als des Sultans Stellvertreter, an Bernabo und fragte ihn: „Was tatest denn du infolge dieser Lüge mit deiner Frau?“
„Ich ließ mich“, sprach Bernabo, „von meinem Verdruss über den Verlust meines Geldes und über die Schande, die mir, wie ich glaubte, mein Weib zugefügt hatte, verleiten und befahl einem meiner Diener, sie umzubringen, der mir auch erzählt hat, sie sei alsobald von den Wölfen gefressen worden.“
Nachdem diese Geschichten in Gegenwart des Sultans waren erzählt und von ihm gehört und verstanden worden, und er aber noch immer nicht wusste, wohinaus Sicurano, der dieses alles verlangt und angestellt hatte, wolle, sprach dieser zu ihm: „Gnädiger Herr, Ihr seht nun klar genug, wie sehr sich die gute Frau ihres Ehemannes und ihres Liebhabers zu rühmen hatte. Der Liebhaber raubt ihr in einer einzigen Stunde ihre Ehre, indem er ihren guten Ruf durch Lügen befleckt, und zugleich die Liebe ihres Mannes. Und der Mann, der den Lügen eines Fremden mehr Glauben gibt als der Wahrheit, die ihm aus langer Erfahrung bekannt war, lässt sie totschlagen und von Wölfen zerreißen. Überdies gehen die Liebe und das Gefühl des Mannes und des Liebhabers für sie so weit, dass sie beide eine lange Zeit mit ihr an einem Orte wohnen, ohne dass einer von ihnen sie erkennt. Weil Ihr jedoch am besten wisst, was ein jeder von ihnen verdient hat, so will ich, wenn Ihr mir die besondere Gnade erweisen wollt, den Betrüger zu bestrafen und dem Betrogenen zu verzeihen, die Frau selbst vor Euch und ihnen hier erscheinen lassen.“
Der Sultan, der Sicurano zu willfahren wünschte, sagte es ihm zu und befahl ihm, die Frau kommen zu lassen. Bernabo, der sie ganz gewiss für tot hielt, erstaunte darüber gewaltig, und Ambrogiuolo, der sein Unglück kommen sah, fing schon an, zu besorgen, ob er mit einer Geldstrafe davonkommen würde, und wusste nicht, ob er die Ankunft der Dame mehr wünschen oder fürchten sollte, doch erwartete er mit ängstlicher Neugier ihre Ankunft.
Als nun der Sultan Sicurano seine Erlaubnis gegeben hatte, warf sich dieser weinend zu seinen Füßen, ließ auf einmal die männliche Stimme und alle Ansprüche auf männliches Wesen fahren und sagte: „Gnädiger Herr! Ich selbst bin diese arme, unglückliche Ginevra, die sechs Jahre lang in männlicher Kleidung in der Welt umherwanderte, von diesem Verräter Ambrogiuolo fälschlich und boshaft verleumdet, und von jenem hartherzigen und unbilligen Mann einem Knechte überantwortet, dass er mich töte und den Wölfen vorwerfe.“ Sie überführte zu gleicher Zeit den Sultan und alle Anwesenden, indem sie ihr Wams aufriss und ihre Brust entblößte, dass sie ein Weib war. Hierauf fragte sie mit ernstem, strafendem Blick Ambrogiuolo, ob er jemals, so wie er sich gerühmt, Gunstbezeigungen von ihr empfangen habe. Als er sie jetzt erkannte, verschloss die Scham ihm den Mund, und er konnte kein Wort antworten. Der Sultan, der sie beständig für einen Mann gehalten hatte, ward so verwundert über alles, was er sah und hörte, dass er mehr als einmal seinen eigenen Augen und Ohren nicht traute und alles mehr für einen Traum als für Wirklichkeit hielt. Wie endlich seine Verwunderung sich legte und die Wahrheit ihm einleuchtete, konnte er nicht aufhören, die kluge Führung, die Standhaftigkeit, die Sitten und Tugenden der Ginevra zu loben. Er ließ ihr schöne und vornehme Kleider geben und einige Damen zu ihrer Aufwartung bestellen und schenkte auf ihre Bitte Bernabo die verdiente Todesstrafe.
Dieser erkannte seine Schuld, warf sich ihr weinend zu Füßen und bat sie um Verzeihung, die sie ihm auch gern gewährte, so wenig er sie auch verdient hatte. Darauf befahl der Sultan, Ambrogiuolo unverzüglich an einem hochgelegenen Platz der Stadt an einen Pfahl zu binden, ihn mit Honig zu beschmieren und ihn nicht eher wieder abzunehmen, als bis seine Knochen von selbst auseinanderfielen. Solches geschah. Ferner befahl er, alles Eigentum des Ambrogiuolo der Ginevra zu überschreiben, welches reichlich zehntausend Dublonen betragen mochte. Er veranstaltete auch ein großes Fest, an dem er Bernabo als Madonna Ginevras Gemahl, und sie selbst als ein Muster vortrefflicher Frauen feierte, und ihr an Kleinoden, an Gold- und Silbergerät und barem Geld so viel schenkte, dass es zusammen mehr als noch