Neues Altes. Peter Altenberg

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Neues Altes - Peter Altenberg

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ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts Unmögliches. Man hält sich an ihre »besonderen« exzeptionellen Eigenschaften. Diese wohlwollend-sentimentale Art von Nervengutmütigkeit heißt: Freundschaft. Jede andere ist tief verlogen. Diese edle »ewige Gutmütigkeit« ist von Gottes Gnaden! Man hat sie zumeist erst mit Verstorbenen. Da kommt man erst zur Besinnung über besondere Werte, dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen Lebendigsein uns nicht mehr stört. So lange er lebte, beging er die störende Ungeschicklichkeit, ein anderer zu sein an Denken und Empfinden als wir selbst!

       Inhaltsverzeichnis

      Er sah am »Gänsehäufel« ein fremdes junges Mädchen, ganz lang und schlank, goldbraune wehende Haare, lange, schmale Hände und Füße, ein ockergelbes seidenes Trikot an dem mulattenbraunen Leibe.

      Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

      Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein fünfjähriges Mäderl, gelber Teint, Stumpfnäschen, schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig gewordenes Kinderspielzeug!

      Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

      Er las von einer wunderschönen Preisfechterin in Venedig, aus reicher, geachteter Familie, die ohne Grund, neunzehnjährig, sich aus ihrem Zimmer, drei Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb.

      Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.

      Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, hart neben sich, bei Tag und bei Nacht.

      Die konnte er aber vergessen, vergessen, vergessen!

       Inhaltsverzeichnis

      Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!

      Mein Aug’, mein Ohr, mein Denken und mein Träumen

      gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von den

      Sundainseln, romantischen Gebilden fremder Welten,

      die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald — — —.

      Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!

      Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit,

      oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen,

      wie sie heut’ noch sind in Krankenhäusern und in

      Klöstern — — —.

      Belohnung war dein eigenes Gefühl in dir!

      Im Geben nahmst du tausendfach zurück,

      was du gespendet. Und davon lebtest du!

      Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele

      krank geworden — — —

      der magische Schein der Selbstaufopferung verlischt — — —

      du kannst nicht mehr grenzenlos ergeben sein!

      Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines

      Lebens Not — — —.

      Du gabst mir alles — — — und ich gab dir nichts!

      Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner

      armen Seele — — —. Denn, glaube mir, sie starb!

       Inhaltsverzeichnis

      Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue naturgemäße Sache entdecken, und die, die es gläubig erfassen und verwerten. Der Glaube an die Genialität des anderen ist die nächstfolgende Genialität. Glaube an neue Erkenntnisse ist bisher unterschätzt worden. Es ist ein zweiter Grad von Genialität. Die anderen sind Skeptiker, also ungenial. Dann gibt es noch die Mitläufer mit den Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die ganz Ungenialen, die einem ebenso Ungenialen wie sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie leben von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen, weil sie einem nicht ernst zu Nehmenden ernstlich Gefolgschaft leisten! Aber in Gottes Buche ist alles verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buchführung über Reelles und Unreelles unterliegt schließlich alles! Alles wird aufgedeckt, die reellen und die gefälschten Ziffern, und man sollte eben deshalb schicksalsergeben sein. Entwicklungskonjunkturen ausnützen ist jedoch eine der feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die »Frauenseele« zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines langen schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran auch elend verblutet sein. Die jungen Gänseriche haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das Ihrige wie eh und je zu leisten. Der Entdecker leidet, und der Gläubige an ihn leidet. Aber der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht dabei seinen Rebbach.

      Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne sind niemandem heilig, sondern man erstrebt es einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation zum Durchbruche zu verhelfen! Freaks sind noch lange keine Genies, obzwar Genies oft Freaks waren. Sie waren es eben doch nur scheinbar. Denn hinter ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein wenig in allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche, in denen man Symphonien dichtet; und es gibt Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber Rausch und Rausch sind nicht gleich; und nicht jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in seinem einsamen Zimmer Schubert-Lieder!

       Inhaltsverzeichnis

      Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen Toren der Tuberkulose stehe, sagte sie: »Na, na, dös tun mer net, mit achtzehn Jahren?!«

      Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der Sankt-Martins-Insel mutterseelenallein, mit ihren Proviantvorräten, von sieben morgens bis sieben abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um die Heilkraft der Natur zu empfangen.

      Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich zweimal eine halbe Stunde lang einreiben und nahm einen halben Liter Kakao mit sechs eingesprudelten rohen Eidottern. Ferner Bouillons mit eingesprudelten rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen.

      Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die Lebenslust über sie, und sie fand ein Engagement in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle war die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte durchaus nichts damit anzufangen, aber ein junger Herr schickte ihr in die Garderobe seine Visitenkarte.

      Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und bemerkte nun bald, daß das Leben es nicht wert sei, sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war dieser Gefahr »Tod« entronnen — nun kam diese größere Gefahr »Leben«! Dem konnte man nicht mit

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