Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
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Inhalt
Alexander von Schoenecker war müde, aber in bester Laune. Sein Antrag auf der landwirtschaftlichen Tagung war angenommen worden, und die Sitzung hatte glücklicherweise nicht allzu lange gedauert. Denn gerade an diesem Tag lag ihm daran, einen gemütlichen Abend mit Denise zu verbringen. Es war schließlich der Jahrestag ihrer Hochzeit.
Alexander lächelte, weil es ihm vorkam, als sei es erst gestern gewesen, dass er die bildschöne junge Witwe heimgeführt hatte, die für seine beiden verwaisten Kinder zur innig geliebten zweiten Mutter geworden war. Ihm selbst aber war ihr Sohn aus erster Ehe, Dominik, inzwischen so ans Herz gewachsen, als wäre er sein eigen Fleisch und Blut. Ja, es war tatsächlich schon eine Reihe von Jahren her, dass er Denise geheiratet hatte, denn auch ihr gemeinsamer Sohn Henrik drückte nun bereits die Schulbank.
Der einsame Mann hinter dem Steuer seines Wagens warf einen Blick auf seine Armbanduhr. In einer knappen halben Stunde würde er daheim sein auf Gut Schoeneich! Er holte tief Atem, vergewisserte sich, dass die Straße frei war, und gab mehr Gas, um die Zeit etwas zu verkürzen.
In Bachenau sah Alexander ein paar Bekannte und winkte ihnen freundlich zu, ohne anzuhalten. Ich bin verliebt wie damals, belächelte er sich selbst. Ich kann es kaum erwarten, endlich meine Denise in die Arme zu schließen.
Der kleine Ort blieb hinter ihm zurück. Felder und Waldstücke säumten nun die Landstraße. Als er an einer Waldwiese vorüberkam, verlangsamte er unwillkürlich die Fahrt, weil sich ihm dort ein besonders reizendes Bild bot. Vielleicht hätte er nicht so gebannt hingeschaut, wenn es sich nicht um ein Kind gehandelt hätte. Kinder aber waren Denises Lebensinhalt. Auf Sophienlust – dem Gut, das unweit von Gut Schoeneich lag – bot sie heimatlos gewordenen Kindern oder solchen, die in Not geraten waren, Geborgenheit und Schutz. Sophienlust war eigentlich ihrem Sohn Dominik als Erbe von seiner Urgroßmutter Sophie von Wellentin zugefallen. Aber Denise verwaltete den schönen Besitz und hatte das Vermächtnis der Erblasserin getreulich zu erfüllen gewusst. ›Das Haus der glücklichen Kinder‹ nannte Nick das Kinderheim Sophienlust gern. Obwohl noch Gymnasiast, fühlte er sich doch schon für Gut und Kinderheim mitverantwortlich.
Ja, und hier auf der Wiese spielte ein Kind! Ein ganz besonders reizendes Kind in einem gelben Kleidchen. Sein Spielzeug war ein großer blauer Luftballon. Es sah aus, als wäre das kleine Mädchen vom Himmel heruntergekommen.
Die Kleine schien die Welt vergessen zu haben. Sie tanzte und sprang glückselig mit dem Ballon umher, sodass Alexander von Schoenecker das Herz aufging. Erstaunlich erschien ihm allerdings, dass das Kind ganz allein war. Weit und breit konnte er keinen Erwachsenen erblicken.
Alexander fuhr noch langsamer und hielt schließlich an. War das kleine Mädchen vielleicht aus Sophienlust fortgelaufen? Von hier führte ein Waldweg hinüber nach Sophienlust. Es wäre immerhin denkbar. Doch nein, er hatte dieses kleine Mädchen noch nie gesehen. Aber er erkannte, obwohl im Kinderheim ein ständiges Kommen und Gehen herrschte, die kleinen Heimbewohner doch recht genau.
Alexander von Schoenecker fühlte sich trotzdem für das kleine Ding verantwortlich. In einer Stunde würde es hier im Wald dunkel sein. Wohin gehörte das Kind?
Eine Weile wartete er. Die Kleine beachtete ihn nicht. Sie spielte fröhlich und unbekümmert. Dann schien sie müde geworden zu sein, denn sie setzte sich ins Gras, wobei sie die Schnur des Ballons fest mit der kleinen Hand umklammerte.
»Hallo, kleines Mädchen, bist du ganz allein hier?«, rief Alexander ihr vom Wagen aus zu.
Das Kind schaute zu ihm auf, freundlich, ohne Verwunderung.
»Ja, ich bin allein. Die böse Tante ist fortgefahren.«
Alexander stieg aus. »Kommt deine Tante wieder zurück, um dich zu holen? Sollst du auf sie warten?«
Ratlosigkeit zeigte sich deutlich auf dem süßen Gesichtchen. »Ich weiß nicht.«
Alexander schätzte das Alter des Kindes auf knapp drei Jahre. Es war ein besonders entzückendes Persönchen.
»Was hat denn die Tante gesagt?«, setzte der Mann das Verhör geduldig fort.
»Gar nichts.«
»Hm – aber sie hat dir den Luftballon geschenkt?«, versuchte Alexander es auf andere Weise.
Eifriges Nicken.
»Und was war dann?«
»Sie ist weggefahren. Mit ihrem Auto.«
»Aber sie kann dich doch nicht allein im Wald gelassen haben. Wie heißt du überhaupt?«
Das waren offensichtlich zu viele Fragen auf einmal. Das Kind sah ernst und nachdenklich aus, gab jedoch keine Antwort.
»Soll ich dich mitnehmen?«, schlug Alexander vor. »Ich weiß ein Haus, in dem viele Kinder wohnen. Da ist bestimmt Platz für dich. Oder sucht dich deine Tante dann?«
»Die Tante ist böse«, verkündete das namenlose kleine Ding. »Ich mag sie nicht.«
»Wir können einen Zettel schreiben, wo du zu finden bist«, überlegte Alexander halblaut. »Du darfst nicht allein hierbleiben, wenn es dunkel wird.«
»Ich … ich mag gern zu den Kindern«, sagte die Kleine stockend. »Die Tante soll mich nicht mehr holen. Sie mag mich nämlich auch nicht.«
Alexander von Schoenecker sah auf die Uhr und stellte fest, dass er nun schon eine Menge Zeit geopfert hatte. Immerhin wollte er keinen Fehler machen und nahm sich vor, zunächst noch eine Viertelstunde zu warten. Länger würde ein verantwortungsbewusster Erwachsener das Kind gewiss nicht allein auf der kleinen Wiese lassen.
Alexander nahm einen Zettel aus seiner Aktenmappe und schrieb in deutlich lesbaren Buchstaben darauf, dass das Kind mit dem blauen