Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»In wenigen Wochen werden Sie mich um so besser verstehen. Sie werden dann, das hoffe ich sicher, die Veröffentlichung unserer Verlobung nicht mehr wie jetzt unter Bedenken und Zweifeln, sondern mit willigem Herzen vornehmen. Sie werden an diesem Tage wissen, Mr. Garvin, daß der Verlobte Ihrer Tochter etwas mehr ist als der einfache Berichterstatter, für den Sie ihn jetzt nehmen … für den die Welt ihn vorläufig noch nehmen muß.«
Georg Isenbrandt befand sich in seiner Station zu Wierny. Seit jener letzten Sitzung des Direktoriums der E. S. C., seitdem die maßgebenden Herren der E. S. C. den Beschluß gefaßt hatten, den Spruch des Schiedsgerichtes abzuwarten, die strittige Ilifrage bis dahin in der Schwebe zu lassen, war er in gedrückter Stimmung.
Die Ereignisse des heutigen Tages waren in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, einen Stimmungsumschwung bei ihm hervorzurufen. Zwar der Vormittag hatte ihm eine große, kaum erwartete Freude gebracht: Ein Telegramm in verabredeter Sprache von Wellington Fox. Georg Isenbrandt hatte es Wort für Wort dechiffriert, hatte tiefaufatmend die gute Nachricht gelesen, daß der treue Fox die Vermißten, Theodor Witthusen und Maria Feodorowna, in Urga entdeckt habe. Das Telegramm war nur kurz. Die erste knappe Nachricht von der glücklichen Entdeckung des Aufenthaltes der Vermißten. Wer aber Wellington Fox und seine Art so genau kannte wie Georg Isenbrandt, der konnte noch mancherlei zwischen den Zeilen herauslesen.
Nun beschäftigte Isenbrandt eine ganze Reihe von Fragen. In wessen Gewalt waren die Verschleppten? Wie wurden sie gehalten? Würde es Fox gelingen, mit ihnen in Verbindung zu treten? Würde es ihm glücken, sie zu befreien?
Die wenigen Worte des Telegramms klangen zuversichtlich. Isenbrandt kannte Fox als einen entschlossenen, tatkräftigen Mann, dem in kritischen Lagen auch List und Erfindung in weitgehendem Maße zu Gebote standen. So durfte er wohl hoffen, daß Wellington Fox bald weitere gute Nachrichten senden würde, und jenes Telegramm aus Urga wäre wohl geeignet gewesen, die Stimmung Isenbrandts zu heben.
Aber andere Nachrichten waren geeignet, sie wieder hinabzudrücken. Seit zwölf Stunden liefen unaufhörlich Hochwassermeldungen aus dem oberen Ilital bei seiner Station ein. Von Stunde zu Stunde stiegen die Zuflüsse des Stroms aus dem chinesischen Gebiete. Das ganze Quellgebiet des Flusses schien in Aufruhr geraten zu sein.
Die Sonne sank hinter die Berge. Dämmerung schlich durch den Raum, in dem Georg Isenbrandt an seinem Arbeitstische saß. Der Telegraphenapparat zu seiner Rechten begann zu ticken. Neue Meldungen von der Terekstation.
Die Vermutung, die ihm schon in den Nachmittagstunden durch den Kopf gegangen war, wurde jetzt zur Gewißheit. Das war nicht mehr ein zufälliges Naturereignis. Gewiß war im Frühjahr mit vorübergehendem Hochwasser zu rechnen. Aber die Wassermengen, die hier von allen Seiten des Quellgebietes gemeldet wurden, überstiegen das normal zu Erwartende in einer gewaltigen und unerklärlichen Weise.
Er verband sich direkt mit der Station von Terek. Dort hatte er den gewaltigen Staudamm anlegen lassen, um plötzlich einbrechende Wassermengen sicher auffangen und speichern zu können. Durch die Unfähigkeit eines Bauleiters hatten die Arbeiten sich stark verzögert. Erst in den letzten Wochen hatte Georg Isenbrandt mit eiserner Hand dazwischengegriffen, hatte die tüchtigsten Ingenieure an diese Stelle gesetzt und die Vollendung des riesigen Betondammes mit allen Mitteln betrieben.
Erst gestern hatte er die Baustelle besucht. Der Damm war jetzt fertig. Aber die letzten Teile der gewaltigen bergehohen Staumauer waren erst vor 48 Stunden in die Holzformen eingestampft worden. Diese Zeit war viel zu kurz, um den Beton schon erhärten zu lassen. Kamen jetzt plötzlich die schwersten Hochwasser, preßten die gestauten Mengen mit vollem Druck auf den noch frischen Teil der Mauer, so war ein Dammbruch, eine schwere Katastrophe zu gewärtigen.
Er fragte durch den Apparat und erschrak über die Antwort. Das Wasser schon zwei Meter unter dem frischgestampften Teile. Stieg die Flut in dem bisherigen Tempo weiter, mußte sie in kürzester Zeit die frischen Teile erreichen, und dann begann die schwere Gefahr.
Georg Isenbrandt sprang auf und lief unruhig im Raume hin und her. Einen Augenblick erwog er den Gedanken, selbst nach der Terekstation zu fahren, um ihn dann sofort wieder zu verwerfen. Etwas anderes … etwas Größeres mußte geschehen. Während er hin und her wanderte, fiel sein Blick auf die Apparatur, in der ihm neulich das Helium erstarrt war. Da … greifbar vor ihm lag das Mittel, alles zu verhindern, was er befürchtete. Mußte er es nicht auf jeden Fall anwenden? Ganz abgesehen von dem gewaltigen, mit Sicherheit zu erwartenden Materialschaden – waren nicht auch Hunderte von Menschenleben auf das schwerste bedroht, wenn die Hochwasser des Dammes von Terek Herr wurden?
Die Verantwortung war fürchterlich schwer. Ruhelos lief er durch den Raum.
Was tun? Was waren die Menschenleben, und wären es auch Hunderte, gegen die Tausende und aber Tausende, die ihr Leben lassen mußten, wenn er sein Spiel zu früh aufdeckte? Dann war alle Wirkung seiner wohldurchdachten Pläne verloren.
Das Mittel einmal anwenden, hieß eine vollkommen veränderte Lage schaffen, hieß die besten Waffen vorzeitig schartig werden lassen.
Einen Ausweg! Das Übel kam von den chinesischen Bergen … Das Unheil an der Quelle verstopfen … Sollte das möglich sein, ohne das Geheimnis preiszugeben?
Vielleicht! … Fox war der einzige, der außer ihm um das Mittel wußte. Wäre er hier, wäre es leicht auszuführen gewesen. Wen jetzt senden? … Wen einweihen? …
Der alte Schmelzmeister Franke trat ein. Der hauste jetzt seit einigen Wochen unten am Balkaschsee. Er kam, um sich Instruktionen zu holen. Die gewaltigen Wassermengen, die der Ili seit zwölf Stunden in den See trug, beeinflußten dort die Dampfentwicklung. Der Alte wollte wissen, ob neues Dynotherm in den See gegeben werden solle. Er meldete, daß die Rohrhorste am südlichen Seeufer schon zum Teil überflutet seien, und er fluchte grimmig auf die Gelben. Ebenso fest wie Isenbrandt war er davon überzeugt, daß diese plötzliche Flut nur auf Schmelzungen im chinesischen Iligebiet zurückzuführen sei.
Schon immer hatte er ihnen einen solchen Streich zugetraut. Es war ja bekannt, daß auch die Gelben über große Dynothermvorräte verfügten, wenn sie auch das neueste Präparat Isenbrandts noch nicht besaßen. Seit langem puderten sie auf ihren Bergkämmen herum. Bisher war das aber immer nur in kleinem Maßstabe geschehen und immer so, daß die erschmolzenen Wassermengen den chinesischen Strömen zugute kamen und die Nachbarn jenseits der Grenze nicht gefährdeten.
Isenbrandt war noch im Zweifel, ob das Unheil mit Absicht verursacht oder ob es durch einen unglücklichen Zufall, durch eine unvorsichtige Dosierung des Schmelzpulvers hervorgerufen worden sei. Der alte Franke war unerschütterlich davon überzeugt, daß es ein purer Schabernack der Gelben sei.
Isenbrandt unterbrach den Redefluß des Schmelzmeisters:
»Ob der Damm noch zu retten sein wird, ist fraglich. Aber die Möglichkeit besteht, den Schrecken zu kürzen, die Zeit der Furcht und der Gefahr zu verkleinern.«
Verständnislos blickte ihn der Alte an.
»Wie sollte das möglich sein, Herr Isenbrandt? Die Gelben haben in ihren Bergen gepudert. Das ist mir absolut klar … und da muß es im Laufe der nächsten Stunden und Tage doch immer noch schlimmer werden.«
Georg Isenbrandt ging zur Tür und schloß sie ab. Dann ging er zu dem Alten und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Hören Sie, alter Freund! Es gibt ein Mittel, um das Unheil zu bekämpfen. Ich habe es! … Aber ich kann es nicht selbst tun, und ich weiß keinen anderen und besseren als Sie, der sich schon so lange