Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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General Bülow warf einen Blick auf die Karte.
»Man möchte verzweifeln, wenn man daran denkt, daß die russischen Luftstreitkräfte dort im Norden unbeschäftigt stehen und hier bitter fehlen. Wieviel Siedlerblut und -gut wird uns diese russische Hartnäckigkeit kosten?
Georg Isenbrandt hatte sich erhoben.
»Herr General, ich gehe jetzt zu den Standplätzen unserer Flugschiffe. Sobald das letzte Geschwader von hier fort ist, fliege ich nach Norden zum Saisan-Nor. Wir treffen uns später in Semipalatinsk in Ihrem Hauptquartier.«
*
Am Abend des 7. Juli war Toghon-Khan in Khami angekommen. Hier liefen die Nachrichten von allen Stellen seiner Front ein.
Georg Isenbrandt hatte seinen Plänen durch die Errichtung des Dammes von Telek ein schweres Hindernis entgegengesetzt. Wohl war es seinerzeit gelungen, den Damm durch die Hochwasserkatastrophe und die verräterische Sprengung zum größeren Teil zu zerstören. Aber auch die gewaltigen Reste des Riesenbauwerkes boten den vorstoßenden chinesischen Streitkräften noch ein schwer überwindliches Hindernis. Wenn die Kompagniekräfte ihrerseits eine plötzliche Schmelze in den Ilibergen verursachten, wenn die plötzlich zu Tal gehenden Wassermassen sich auch nur vor den Dammruinen stauten, war das Tal für jede größere Truppenmenge kaum passierbar. Die Gebirge des oberen Ilitales waren daher schon seit Wochen unter einer derartigen Bewachung durch gelbe Luftstreitkräfte, daß an ein Schmelzen in größerem Stile nicht gedacht werden konnte.
Trotzdem war der Weg durch das untere Ilital außerordentlich erschwert. Nur wenn es gelang, die Kompagniestellungen an den Berglehnen zu umgehen, den Damm selbst zu nehmen und in seine Trümmer breite Durchfahrten einzusprengen, war die Passage für größere Heeresmassen möglich. An diese Aufgabe hatte der Regent seine besten Truppen aus den mongolischen Randgebirgen gesetzt. Von der Schnelligkeit, mit der hier der Vorstoß gelang, hing viel vom Erfolg des ganzen Krieges ab.
Anscheinend viel einfacher gestaltete sich der Durchbruch im Irtyschtal. Durch seinen Nachrichtendienst hatte der Regent erfahren, daß die weißen Truppen jenes Tal beinahe bis Semipalatinsk hin geräumt hatten. Vergeblich hatte er mit seinem Stabe die Gründe für diese Bewegung zu erforschen gesucht. Er wußte zur Genüge, daß er an dem General von Bülow einen erfahrenen, verschlagenen Gegner hatte. Daß hinter dieser unerklärlichen Maßnahme eine Finte stecken müsse, sah er ein. Aber welche?
Nur mit halbem Herzen schloß er sich der Ansicht seiner Generalstäbler an, die den Standpunkt vertraten, daß die Kompagniekräfte sich dorthin und auch noch weiter zurückziehen würden, bis starke europäische Truppen zu ihrer Aufnahme da wären. Seine Besorgnis war so groß, daß er noch in letzter Stunde große Teile der Nordarmee auf die dsungarische Pforte dirigierte. Weil aber die Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsmittel schon durch die Transporte nach dem ersten Plane voll in Anspruch genommen waren, mußten diese zusätzlichen Streitkräfte in der Hauptsache marschieren.
Im Laufe des 8. Juli kamen die Meldungen der gelben Luftstreitkräfte nach Khami. Vorflug ohne Widerstand!
Der Regent vernahm es mit Verwunderung. Gerade an der Grenze hatte er den stärksten Widerstand der vorzüglichen Kompagniekräfte erwartet.
Bombardements der Siedlungen!
Er geriet in Unruhe. Wo steckten die Kompagniekräfte? Das kampflose Vordringen verstärkte sein Mißtrauen immer mehr …
Wo konnte die Kompagnieflotte stecken?
Die nächsten Meldungen brachten ihm Antwort. Eine Antwort, die freilich an Klarheit viel zu wünschen übrigließ.
Kleine Geschwader weit verteilt, überall in der Dsungarei! Aus unsichtbaren Höhen stießen sie, wie gemeldet wurde, herab.
Mit einem Gefühl der Erleichterung nahm der Regent die Meldungen auf. Die Entsendung vieler kleiner Geschwader schien darauf hinzudeuten, daß sie die Aufgabe hatten, den Anmarsch durch Bombenabwürfe zu stören. Die merkwürdige Tatsache, daß diese Geschwader allen Kämpfen fast ängstlich auswichen, mußte diese Auffassung bestärken.
Er hatte genug Luftkräfte in der Reserve, um diesen verstreuten Kompagniegeschwadern entgegenzutreten. Jetzt endlich glaubte der Schanti, den gegnerischen Plan zu durchschauen. Zeit gewinnen! Den Vormarsch in der Dsungarei erschweren und an der Front durch langsames Zurückgehen verzögern.
Der nächste Tag brachte Nachrichten von allen Seiten. Nachrichten, die wohl geeignet waren, den Regenten in seiner Auffassung der Lage zu bestärken.
Die Meldungen vom linken Flügel seiner Kräfte lauteten nicht günstig. Die Übergänge in das Ferghanatal waren durch Sprengungen und künstliche Hindernisse so erschwert, daß nur die Möglichkeit geblieben war, die Truppen in Transportkreuzern vorzubringen. Nur einem Teil dieser Kreuzer war es gelungen, Truppen unversehrt zu landen. Plötzlich waren hier starke Kampfschiffe der Kompagnie aufgetreten und hatten der gelben Flotte schweren Schaden zugefügt. Es sah gerade so aus, als ob die Luftstreitkräfte der Kompagnie hier bewußt Versteck gespielt hätten, um nach dem Durchflug der leichten gelben Luftkräfte nach Westen die schweren Panzerkreuzer, welche die Truppen Konvois begleiteten, mit unverbrauchten Kräften anfallen zu können. Die Lage der dort gelandeten chinesischen Truppen war besorgniserregend, da sie sofort in schwere Kämpfe mit den gegnerischen Truppen verwickelt wurden. Aber schließlich war der Stand der Dinge im Ferghanatal für die Gesamtlage nicht von großer Bedeutung.
Die weiteren schlechten Nachrichten aus dem Ilital hatte Toghon-Khan beinahe erwartet. Daß der General von Bülow hier in der Linie des Telekdammes einen scharfen Widerstand leisten würde, war für den alten Mongolenfeldherrn eine Selbstverständlichkeit. Deshalb hatte er ja seine Kerntruppen dort angesetzt. Aber die Stärke des Widerstandes überraschte ihn.
Die Berichte, soweit sie bisher vorlagen, meldeten ungeheure Verluste der Angreifer. Wenn Bülow seinerzeit Georg Isenbrandt gegenüber von einem Thermopylen gesprochen hatte, das er hier errichten wolle, so bewiesen diese Meldungen, wie ernst er seine Worte gemeint hatte. Auch die Truppen, welche die chinesische Heeresleitung zur Umgehung der Telekstellung angesetzt hatte, kamen nur Schritt für Schritt und unter schwersten Opfern vorwärts. Ein Forcieren des Durchbruches an dieser Stelle würde in jedem Falle ungeheure Verluste erfordern und im Erfolg zweifelhaft bleiben.
Der große Erfolg mußte im Irtyschtale gesucht werden. Die breite dsungarische Pforte erlaubte es, viel stärkere Kräfte vorzuwerfen. Waren sie hier erst einmal bis zum Siedlerland durchgedrungen, wo eine freie Entfaltung der Front möglich wurde, dann war die Ilistellung der Gegner so im Rücken bedroht, daß sie unhaltbar wurde.
Aus dieser Gesamtlage ergab es sich, den Vormarsch durch das Irtyschtal mit größter Schnelligkeit und stärksten Kräften zu betreiben. Noch am Abend dieses Tages ergingen die Befehle nach allen Seiten, und im Laufe der Nacht begab sich der Regent mit seinem Stabe von Khami nach der dsungarischen Grenze. Hier erreichten ihn am frühen Morgen des 10. Juli die Meldungen, daß seine Spitzen den Gebirgszug zwischen Ust Kamenogorst und Arkatsk gegen schwachen feindlichen Widerstand genommen hätten. Wo einst einhundertvierzehn Kosaken unter dem General Licharew den Feinden widerstanden und ein Bollwerk gegen die gelbe Flut errichteten, da waren die so viel stärkeren Truppen der E. S. C. jetzt fast kampflos gewichen.
Das strategische Spiel schien gewonnen. Weit offen stand das Völkertor, durch welches sich seit Tausenden von Jahren die asiatischen Stämme nach Westen ergossen hatten.
Als die Sonne über die Bergkämme des Altai heraufkam, stand