Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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»Arme Jane! Ich will Euch zu ihr führen.«
Langsam und zögernden Schrittes ging sie vor den beiden Männern nach der Blutbuche hin, bei der sie Jane wußte. Bei dem Klang der nahenden Schritte blickte Jane empor. Ihre Augen wanderten von dem einen zum anderen. Dann erkannte sie Atma, sprang auf und lief ihm entgegen.
»Atma! Atma! Du … du hier?«
Glück und Freude strahlten auf ihren Mienen.
»Atma, du bist hier? Wo ist Silvester? Wo hast du Silvester? .. Wann kommt er? .. Wann holt er mich?«
Atma stand unbeweglich. Mit beiden Armen hatte er die Gestalt Janes aufgefangen, als sie ihm entgegenlief. Sie hing an seinem Halse. Er hielt sie nur noch mit der Linken umschlungen. Drückte die Linke fest auf ihr Herz, während er mit der Rechten das zarte blonde Haupt auf seine Schulter niederzog, ihr langsam über Stirn und Augen strich. Langsam, wie schwere Tropfen fielen die Worte von seinen Lippen: »Silvester … dein Mann … ist tot.«
Jane zuckte zusammen. Regungslos lag sie da im Arm Atmas, ließ sich von ihm zu der Bank führen, saß immer noch in seinem Arm neben ihm.
»Silvester Bursfeld ist tot.«
In der Stille des Herbstmorgens drangen die Worte bis an das Ohr Dianas, die sich an den Arm ihres Gatten klammerte.
Und noch ein drittes Mal wiederholte Atma die traurige Kunde, während seine Linke das stockende Herz Janes zusammenpreßte.
»Silvester Bursfeld, dein Gatte, ist tot.«
Jane Bursfeld hörte die Worte, ohne zu weinen, zu klagen. Langsam hob sie ihr blasses Haupt, starrte in den sonnigen Himmel, blickte, sann und hörte, was Atma sprach.
Von der letzten Stunde Silvesters sprach Atma. Wie ihm der letzte große Wurf gelungen. Wie er seine Entdeckung zur höchsten Vollendung gebracht.
Die starre Unbewegtheit Janes wurde durch ein leises Zittern erschüttert.
Weiter sprach Atma. Daß Silvester dahingegangen sei, die letzte Botschaft Janes im Herzen. Wie sie ihn fanden, im Tode noch ein Lächeln auf den Lippen, den Depeschenstreifen in den erstarrten Händen.
Jane hörte es, und ihr starrer Blick leuchtete auf. Ihre Lippen zuckten noch, ihre Mienen wurden ruhiger.
Atma sprach, und langsam ließ der Druck seiner Hand auf ihr tief und gleichmäßig pochendes Herz nach.
»Sein Name und sein Ruf leben in deinem Schoß fort. Sorge für Silvester, indem du für sein Kind sorgst und lebst …«
Er ließ seine Arme sinken. Frei stand Jane vor ihm. Doch sein gewaltiger Einfluß wirkte weiter. All ihr Fühlen, alle ihre Gedanken konzentrierte er auf das keimende Leben in ihrem Schoß.
Ein Lächeln trat auf ihre Züge. Ihr Antlitz gewann die zarte Röte wieder. So schritt sie an Soma Atma vorbei. So an Lord Horace und Lady Diana vorüber dem Schloß zu.
In den Armen Atmas hatte sie das Furchtbare des ersten Schmerzes überstanden. Ihr künftiges Leben, ihre ganze Zukunft war dem Erben Silvesters, dem Erben der Macht geweiht.
Diana Maitland sah Jane auf das Haus zugehen. Sie zitterte unter dem Eindruck der Szene. Sie hatte gefürchtet, Jane weinen, Jane niederbrechen, Jane sterben zu sehen. Und sah sie ruhig und gefaßt fortschreiten.
Sie fühlte die eigenen Knie wanken und stützte sich fester auf den Arm ihres Gatten.
Atma schritt langsam Jane Bursfeld nach. Er kam an Lady Diana und Lord Horace vorüber. Sein Schritt verzögerte sich. Er blieb stehen.
Sein Blick umfaßte die Gestalt Dianas, wie er vorher auf der Janes geruht hatte. Voll öffneten sich seine Lippen. Glanz strahlte aus seinen Blicken. Langsam sprach er … stockend, abgerissen, wie von einer fremden Macht getrieben:
»Gesegnet ist das Haus. Die Erben zweier Geschlechter werden in seinen Mauern geboren … Sorgt für sie! … Hütet sie! … Sie tragen die Zukunft … das Schicksal bestimmt sie zu … Großem …!«
Er ging weiter …
»Diana! Was sagte der Inder? … Was meinte er … Zwei Erben!«
Diana Maitland hatte den Blick zu Boden gerichtet. Lord Horace zwang sie mit sanfter Gewalt, den Kopf zu erheben, ihn anzusehen.
»Zwei Erben! Diana! Was meinte Atma?«
»Er sah und sagte, was ist.«
»Diana!«
»Horace!«
Es waren nur zwei Worte, zwei kurze Namen. Aber in ihnen lag ihre Zukunft.
So zärtlich und behutsam führte Lord Horace Lady Diana dem alten Stammschloß der Maitlands zu, als habe er den kostbarsten Schatz im Arm.
Dreifach hatte das Schicksal Glossin getroffen. Ehrlos, machtlos und mittellos mußte er die Staaten verlassen. Zu spät begriff der sonst so Schlaue, daß die Zeit für die Methoden und die Moral der Gewaltherrschaft vorüber war, daß Männer mit anderen Grundsätzen das Regierungssteuer ergriffen hatten.
Aus der Macht war er gestoßen, die zwanzig Jahre sein Element war, ohne die er nicht leben und atmen zu können glaubte. Die Millionen, die er in den Jahren der Macht errafft und an sich gebracht hatte, waren ihm genommen. Gerade so viel blieb ihm nach den Worten und dem Willen William Bakers, daß er bei England nicht zu betteln brauchte, um sein Leben zu fristen.
So kam er nach England zurück. Am Morgen nach jener Sturmnacht, in der die empörten Patrioten ihn aus Washington verjagten. Nur noch ein Gefühl hielt den Willen zum Leben in ihm aufrecht, fesselte ihn an das Leben. Seine Liebe zu Jane Bursfeld.
Jane war im Hause der Maitlands. Sollte er sich jetzt, ein verfemter Flüchtling, dort zeigen? Sollte er vor Lord Horace hintreten, das Mädchen, das er dort als seine Nichte gelassen, zurückverlangen?
Diese Fragen waren heikel. Zu viel war seit dem Tage, an dem er das Versprechen erhielt, geschehen. Die unbekannte Macht war aufgetreten, und ihr Auftreten hätte den Sturz des Diktators wohl auch ohne Glossin bewirkt. Der Umstand mußte auf die Größe der englischen Dankbarkeit verringernd wirken.
Eile tat not. An dem gleichen Morgen, an dem Soma Atma in Maitland-Castle war, kam Glossin dort an. Seine Kenntnis der Örtlichkeit ermöglichte es ihm, den Park ungesehen zu betreten, sich auf dicht verwachsenen Seitenwegen dem Schloß zu nähern. Sein Plan war überaus einfach, daß er zu jeder anderen Stunde sicher gelingen mußte. Sich Jane unbeobachtet nähern. Sie wieder voll unter seinen Einfluß zwingen. Mit ihr zusammen den Park verlassen. Und dann schnell fort. Weit fort aus England in irgendein fremdes Land, in dem man Dr. Glossin nicht kannte, in dem er, Jane an der Seite, auch mit den Trümmern seines einstigen Reichtums immer noch leben konnte.
Dr. Glossin kam dem Schloß immer näher. Der schmale windungsreiche Weg führte zu einem achteckigen Pavillon. Von der anderen Seite dieses Gebäudes lief ein breiterer Weg aus dem Park auf eine wiesenartige Lichtung, und dort unter einer großen Blutbuche sah er Jane allein sitzen.
Dr. Glossin stand und verschlang das anmutige Bild mit den Blicken. Er stand am Ziel seiner