Gesammelte Sci-Fi-Romane in einem Band. Hans Dominik
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Andreas Termölen machte sich mit seiner Pfeife zu schaffen. Jane nahm den Faden seiner Rede auf.
»Lord Horace war nicht in froher Laune, als er vor vierzehn Tagen mit mir nach Deutschland fuhr. Er war ernster als ich ihn sonst kannte.«
»Das glaube ich dir aufs Wort, Hannchen. Die Engländer haben keinen Grund, fröhlich zu sein. Sie dachten, was Englisch spricht, gehört auch zum englischen Weltreich. Australien, Afrika, Amerika … alle Weltteile wurden englisch, und sie dachten, das würde in aller Ewigkeit so bleiben. Sie hatten das Schicksal von Spanien und Portugal vergessen. Glaubten, die gemeinsame Sprache und Sitte müßten die Kolonien ewig an London binden.
Jetzt ist das ganz anders gekommen. Die Kolonien verlangen ihre volle Selbständigkeit, und das Mutterland hat sie nicht halten können.
Die Welt gehört den English speakers! Das Wort kam wohl so um 1900 auf und schien mit jedem folgenden Jahrzehnt immer mehr Wahrheit zu werden …«
Die Gedanken des alten Termölen flogen die Jahrzehnte zurück.
»1904 … wir waren damals im ersten Jahr verheiratet … da ging der Kampf in Ostasien los. Zur höheren Ehre Englands schlug der Japaner den Russen.
Und dann kamen die Balkankriege … und dann kam der große Weltbrand Anno 14 bis 18 …«
Es war immer dämmriger in dem Raum geworden. Schon warfen die Straßenlaternen ihre Lichtreflexe gegen die Zimmerdecke. Schweigend saßen die beiden Frauen und lauschten den Worten des alten Mannes, der abgerissen die Erinnerungen seiner achtzig Jahre vorüberziehen ließ.
»… und da waren wir ganz unten. Man wußte in Deutschland nichts mehr von Bismarck und seinem Vermächtnis. Die anderen im Osten und Westen machten mit uns, was sie wollten, solange wir es uns gefallen ließen … gefallen lassen mußten … Europa war krank, weil sein Herz krank war. Die Welt gehörte den English speakers …
Und dann kam Rußland wieder hoch …
Und dann ging es im fernen Osten los. Der Japs überrannte den Amerikaner …
Und dann kam die amerikanische Revolution … und dann kam Cyrus Stonard …
Und dann kam der Englisch-Amerikanische Krieg … und dann kam die Macht … Die geheimnisvolle Macht. … Wie ein Komet glänzte sie plötzlich auf …«
Verhaltenes Schluchzen unterbrach das Selbstgespräch des alten Termölen. Es war Jane, die, von der Erinnerung an ihr kurzes Glück überwältigt, die Tränen nicht zurückhalten konnte.
»Silvester … Erik Truwor … Soma Atma … Wo sind sie? … Wo sind sie geblieben? Silvester ist tot, mir auf immer entrissen … Erik Truwor ging in Sturm und Brand zugrunde … Die Macht ist verschwunden, wie sie kam …«
Der alte Termölen antwortete:
»Verschwunden … vielleicht … verloren …? Es waren drei … drei Träger der Macht. Zwei sind tot. Der dritte, der Inder, lebt noch …«
»Ja! Einer von den dreien blieb übrig.« Jane sagte es. »Soma Atma blieb am Leben, während Silvester sterben mußte … Soma Atma. Warum … warum …?«
»Weil sein Geschick noch nicht erfüllt ist …«
Eine andere Stimme sprach die Worte, Jane wohlvertraut.
»Atma! … Soma Atma, bist du hier?«
Jane richtete sich auf, blickte gegen die Tür und meinte im letzten Dämmerschein die dunkle Gestalt Atmas vor sich zu sehen.
»Atma, du?«
»Ich bin hier, Jane. Ich bin bei dir. Mein Schicksal ist noch nicht erfüllt. Ich muß dir zur Seite stehen, bis der Erbe Silvesters sein Schicksal selber formt. Die Macht ist nicht verloren. Nur verwahrt und verborgen, bis der kommt, der mit reinem Herzen und mit reinen Händen nach ihr greift.«
Jane hörte die Stimme, fühlte, wie eine dunkle Hand sanft über ihren Scheitel strich, wie irgend etwas leise in ihren Schoß fiel. Sah die Gestalt Atmas nach der Tür zu lautlos verschwinden, wie sie gekommen.
Sie blickte um sich. Da saß der alte Termölen, wie er noch eben gesessen. Auf die dämmrige Straße schauend, auf der sich die ersten Lichter entzündeten. Da schaffte die alte Frau nach wie vor an den Tassen und Gläsern der Servante.
Jane wußte nicht, ob sie wache oder träume. War das alles nur ein Spiel ihrer überreizten Sinne oder Wirklichkeit?
Noch hörte sie die letzten Worte Atmas im Ohr klingen:
»Bis einer kommt, der mit reinem Herzen und mit reinen Händen nach der Macht greift.«
Sie dachte ihres Kindes, das hier nach dem Vermächtnis Silvesters in der alten deutschen Heimat aufwachsen sollte.
Sie griff in ihren Schoß, und ihre Finger fühlten kühles Metall.
Sie hob es langsam zu ihren Augen empor und sah den schweren alten Goldreif mit dem wunderlichen Stein, den sie sooft an der Hand Silvesters erblickt hatte. Den Ring, der Silvester an die Macht gebunden, ihn bis zu seinem Tod in den Dienst der Macht gezwungen hatte.
Es war eine Gabe des letzten noch lebenden Trägers der Macht für sie … für ihren Knaben.
Die Stimme des alten Termölen drang in ihr Sinnen:
»… Die Macht … die unendliche Macht. Woher kam sie? … Wohin ging sie? … Warum?« …
Die Spur des Dschingis-Khan
Archibald Wellington Fox, der Berichterstatter der Chikago-Preß, und Georg Isenbrandt, ein Oberingenieur der Asiatischen Dynothermkompagnie, gingen zusammen den Bismarckdamm in Berlin entlang. Ihr Ziel war ein mächtiges Sandsteingebäude, das sich in der Nähe der Havelbrücke in monumentaler Größe erhob und einen ganzen Straßenblock einnahm. Weithin glänzte von seiner Front ein goldenes Wappen. Drei Ähren, von einer Sichel umschlungen. Darunter ein Monogramm aus den drei Buchstaben E. S. C.
Wellington Fox sprach: »Das war ein guter Zufall, daß ich dich hier in Berlin auf der Straße treffen mußte. Sonst hätte ich dich im fernen Turkestan in deinem Abschnitt am Issi Kul aufsuchen müssen … wo es, wie mir scheint, für den Journalisten, das heißt in diesem Falle Kriegsberichterstatter, nächstens gute Arbeit geben kann.«
»Du meinst, Fox?«
»Allerdings, old fellow, meine ich. Willst du die Möglichkeit leugnen?«