Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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und nach einer Zeit liegt das nackte, bleiche Gerippe da, das immer mehr und mehr in die Erde hinein versinkt, aus der das Bäumchen einst hervorgewachsen war.

      Und doch muß eine Zeit gewesen sein, in welcher der Wald hier glücklicher gediehen ist; es ragt ja noch hier und da der graue, gespaltene Rest eines gewaltigen Tannenbaumes empor oder eines uralten Ahorns, in dessen Höhlen das Wiesel wohnt oder durch die der Fuchs den Eingang hat zu seiner unterirdischen Behausung.

      Die Kiefer allein ist noch kampfesmutig, sie will die steilen Lehnen hinanklettern zwischen den Wänden, will wissen, wie es da oben aussieht bei dem Edelweiß, bei den Alpenrosen, bei den Gemsen, und wie weit es noch hinauf ist bis zum Schnee. Aber die gute Kiefer ist doch keine Tochter der Alpen, balde faßt sie der Schwindel, und sie bückt sich angstvoll zusammen und kriecht mühsam auf den Knien hinan, mit ihren geschlungenen, verkrüppelten Armen immer weiter vorgreifend und rankend, die Zapfenköpfchen neugierig emporreckend, bis sie letztlich in den feuchten Schleier des Nebels kommt und in demselben planlos umherirrt zwischen dem Gestein.

      Auf einem der niedergestürzten Felsblöcke dieses letzten Tales des Waldlandes steht ein Kreuz. Es ist unbeholfen aus zwei rohen Holzstücken gezimmert; es hängt stellenweise noch die Rinde daran. Still steht es da in der verlorenen Öde; es ist wie die erste Kunde von dem Welterlöser, welche der heilige Bonifaz vormaleinst in den deutschen Wildnissen aufgepflanzt hat. Die Eidechse schlüpft auf dem Felsengrunde dahin; ein Reh trippelt heran mit seinen schlanken Füßen und blickt mit hochgehobenem Kopf und klugen Augen zu dem Kreuzbilde empor. Es will ihm schier bedünken, das Ding sei nicht so geradewegs gewachsen auf dem Stein; es hebt ängstlich an, hin und her zu lugen, es schwant ihm von jenem schrecklichen Wesen, das schlank wie ein Baum auf zwei Beinen einherzieht und den knallenden Blitzstrahl schleudert nach ihm, dem armen, harm- und wehrlosen Tiere. Des Entsetzens voll, schlägt es seine Beine aus und eilt von dannen.

      Ich habe schon mehrmals nach der Bedeutung jenes Kreuzes gefragt. Seit Gedenken steht es auf dem Stein, kein Mensch kann sagen, wer es aufgestellt. Der Sage nach sei es gar nicht aufgestellt worden. Alle tausend Jahre flog' ein Vöglein in den Wald und das brächte ein Samenkorn mit aus unbekannten Landen. Alle anderen Körner seien bislang verlorengegangen, oder man wisse nicht, sei die Giftpflanze mit der blauen Beere oder der Dornstrauch mit der weißen Rose oder ein anderes Schlimmes oder Gutes daraus entwachsen. Das letzte Korn aber habe jenes Vöglein auf den Klotz im Felsentale gelegt, und daraus sei das Kreuz entsprossen. Man gehe zuweilen hin, um davor zu beten; manchmal habe das Gebet daselbst schon Segen gebracht, manchmal aber sei auch ein Unglück darauf gekommen. Man wisse also auch vom Kreuze nicht, ob es zum Heile oder zum Unheile sei. Den Einspanig sehe man noch am öftesten im Felsentale, und er verrichte seine Andacht vor dem Bilde; aber man wisse auch vom Einspanig nicht, ob er Gutes oder Schlimmes bedeute.

      Nach mehreren Tagen der Wanderung bin ich wieder einmal zurückgekehrt in mein Haus an der Winkel. Mehrmals über das Kreuz im Felsentale und den Einspanig nachdenkend, hab' ich im Winkel ein weniges erfahren.

      Erstlich, wie ich eintrete in das Haus, wundere ich mich baß, daß meine sonst recht gutmütige Hauswirtin heute gar aufgebracht ist. Die Sache soll so gewesen sein; am Försterhause geht der Einspanig vorüber. Die Haushälterin schaut just zur Tür hinaus und denkt: Ei, wenn sich nur mit diesem seltsamen Menschen einmal ein kleines Plaudern anheben ließ, daß eins doch ein bißchen was von ihm erfahren könnt'. Und kaum er so zufällig sein Haupt gegen die Tür wendet, lädt sie ihn artig ein, an der Bank ein wenig abzurasten. Er tut's, sie bringt ihm eilig Milch und Brot herbei und fragt ihn in ihrer Weise: »Ihr guter Mann Gottes, wo kommt Ihr denn her?«

      »Von dem Felsentale hernieder«, ist die Antwort.

      »Ihr Närrchen!« ruft das Weib aus, »das soll ja so viel eine böse Gegend sein. Da oben im Felsental ist die Welt mit Brettern verschlagen.«

      Darauf der Einspanig: »Wo ist die Welt mit Brettern verschlagen? Gar auf keinem Fleck. Die Berge gehen weit, weit zurück hinter den Hochzahn, dann kommen die Hügelländer, dann kommen die Ebenen, dann kommt das Wasser. Viele tausend Stunden breitet sich das Wasser, dann kommt wieder Land mit Berg und Tal und Hügeln, und wieder Land und Wasser und Land und Land –«

      Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: »Jesus, Einspanig, wie weit denn noch?!«

      »Bis heim, bis in unser Land, in unseren Wald, in das Winkel, ins das Felsental. – Ehrsame Frau, gibt Euch Gott Flügel und Ihr fliegt fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immerfort, der Nase und der Sonne nach, so kommt Ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen gegen Euer friedsam Haus.«

      Darauf die Hauswirtin: »O du Fabelhans, fable wen andern an, ich bin die Winkelhüterin. Die Milch schenk' ich Euch und redlicher alter Leut' Wort dazu: Es ist ein Fleck, da ist die Welt mit Brettern verschlagen. So ist der alte Glauben, und in dem will ich leben und sterben.«

      Der Mann soll darauf gesagt haben: »Weib, Eueren alten Glauben hoch in Ehren! Aber ich bin den Weg schon gegangen, gegen Niedergang hin und von Aufgang her.«

      Und dieses Wort hätte das Weib vollends erbittert: »Du bist eine Lugentafel!« soll sie gerufen haben, »auf dich hat der Teufel seinen Heimatschein geschrieben!«

      Und hierauf sei der Mann kopfschüttelnd davongezogen.

      Das gute Weib muß schon schwer auf mich gewartet haben, um sich weiters Luft zu machen. Als ich nach Hause komme, ruft sie mir über den Gadern (Bretterzaun) her entgegen: »Mein Eid, mein Eid! Was es doch auf der lieben Erde Gottes für Leute gibt! Jetzund glauben sie gar nimmer ans End' der Welt! Ich aber sag: Unser Herrgott hat's recht gemacht, und ich bleib' bei meinem alten Glauben, und die Welt ist mit Brettern verschlagen!«

      »Freilich, freilich, Winkelhüterin!« gebe ich bei und steige über die Bretter des Hausgaderns: »Wohl richtig – mit Brettern verschlagen!«

      Und so bleiben wir beim alten Glauben!

      Bei den Holzern

       Inhaltsverzeichnis

      Daß doch der Wald, wie er sich so hinbreitet über Höhen und Täler – unabsehbar, wie er daliegt, grün und dunkel und weiterhin duftig blauend am sonnigen Sehkreis – der stille, unendliche Wald –, daß er doch auch seine Feinde hat!

      Wie ist das eine schöne, säuselnde, rauschende, brausende, all-lebendige Ringmauer, schützend vor dem wüsten Unfrieden draußen! Aber – Waldfried ist gestorben.

      Im Forste braust der Sturmwind, schlägt manchem jungen Tannling den lustig winkenden Arm weg, bricht manchem trotzigen Recken das Genick. Und in der Tiefe rauscht und schäumt in weißen Gischten und Flocken – wie ein brandender Wolkenstrom – der Wildbach und wühlt und gräbt und nagt das Erdreich von den Wurzeln, immer weiter und weiter hinein, daß der wuchtige Baum zuletzt schier in der Luft dasteht und sich oben mit starken Armen nur noch an den Nachbarn hält, um nicht zusammenzubrechen, endlich aber doch niederstürzt in das Grab, das ihm jenes Wasser heimtückisch gegraben hat. Jenes Wasser, welches er durch seinen Nebeltau gestärkt, durch seine dichte Krone vor dem Lechzen des Windes geschützt, durch seinen Schatten vor dem zehrenden Kusse der Sonne bewahrt hat. – Und auf den luftigen Wipfel hackt der Specht, und unter den Rinden frißt die Borke, und das Sägerad der Zeit geht allerweg, und die Späne fliegen – im Frühlinge als Blüten, im Herbst als gedörrte Nadeln und Blätter.

      Es geht ewig zu Ende, und im Ende keimt ewig der Anfang.

      Da naht nun erst der Mensch mit seiner Zerstörungsgier. Da schallt das Schlagen und Pochen, da surrt die Säge, da klingt das Beil

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