Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 23

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

Pfeifchen und sieht mir schmunzelnd zu, wie ich das alles anfange und zu Ende bringe, und greift letztlich wohl gar selber an. Oder es sind Kinder um mich, denen ich Märchen erzähle, oder die mit den Schnittspänen spielen, bis auch das Spielzeug in meiner Hand fertig ist. An Sonntagen sitzt gar der Förster stundenlang bei mir und hört meine Erfahrungen und Pläne wegen der Winkelwaldleute. Wir besprechen allerlei, und zuweilen schreibe ich einen langen Brief an den Herrn des Waldes.

      Die Holzschläger, die früher drüben in den Lautergräben gerodet haben, ziehen sich immer mehr gegen das Winkel herüber, und schon einige Male hab' ich durch den stillen Wald das Donnern eines fallenden Baumes vernommen. Von der Lauterkuppe schaut seit einigen Tagen eine blaßrote Tafel herab, die sich von Tag zu Tag ausdehnt und in der Morgensonne fremd zwischen dem Grün des Waldes niederleuchtet.

      In den Schluchten der Winkel gegen die Straße hinaus arbeiten Steinbrecher und Teichgräber; es wird ein Fahrweg angelegt, daß die Kohlen und Holzstämme besser hinausbefördert werden können.

      Ich gehe gern zu den Arbeitern herum und sehe ihnen zu und spreche mit ihnen, auf daß ich mir in den Dingen einige Erfahrungen sammle.

      Zuweilen aber sind die Leute doch ein wenig mißtrauisch gegen mich und begegnen mir mit ihren Vorurteilen. Ich trage gern ein Büchel von Wolfgang Goethe mit mir herum, und wo so ein schönes lauschiges Plätzel ist, da setzte ich mich auf einen Rasen oder auf einen Stein und lese in dem Buche. Dabei bin ich schon mehrmalen aus dem Hinterhalte beobachtet worden. Und da schleicht im Walde das Gerücht herum, ich sei ein Zauberer und hätte ein Büchlein mit lauter Zaubersprüchen.

      Ich habe nachgedacht, ob mir dieser seltsame Nimbus für meine Pläne anfangs nicht einigen Vorteil brächte. Gewiß sind die Eltern zu bewegen, ihre Kinder von mir das Lesen lernen zu lassen, wenn ich ihnen sage: versteht einer nur erst die Zaubersprüche in dem Büchlein, so kann er teufelbeschwören, schatzgraben, wettermachen, oder je nach Bedarf die Wettermacher unschädlich halten nach Belieben. Ich denke, daß selbst Erwachsene und gar Grauköpfe ihre Arbeitswerkzeuge fallen lassen und zu mir in die Schule gehen würden. – Von mir aber wäre es schändlich, und ich täte dadurch nur das Verkehrte erreichen von dem, was ich will. Nicht, daß die Leute lesen und schreiben lernen, ist die Hauptsache, sondern daß sie von den schädlichen Vorurteilen befreit werden und ein reines Herz haben. Freilich könnte ich ihnen später Bücher der Sittenlehre unterschieben und sagen: da drin stehen die echten Zaubersprüche, aber die Getäuschten hätten kein Vertrauen mehr zu mir, und das Übel wäre größer, anstatt kleiner.

      Nicht auf Umwegen wollen wir schleichen; eine gerade Straße hauen wir durch das Urgestämme.

      Ich habe aus dem Buche den Leuten einige Male Lieder vorgelesen; die Mädchen das »Heideröslein« und die Burschen das »Christi« gelehrt. Gleich haben sie – ich weiß gar nicht, woher – eine Weise dazu, und jetzt werden die Lieder im Walde schon gesungen.

       Und so ist nun der Herbst gekommen. Der Himmel ist, wenn die Morgennebel in den Tälern sich lösen, hell und rein, und alle Wolken sind aufgesogen. Die Nadelwälder sind dunkelbraun, die Laubhölzer sind gelb oder rot, und auf der Talwiese grünt es frisch, oder es liegt auf derselben das Silber des Reifes. In diesen Wäldern ist der Herbst buntfarbiger und fast lieblicher als der Lenz. Der Frühling ist ein übermütiges Glitzern und Schillern, Singen und Jauchzen allerwege; der Nachsommer hingegen ist wie ein stiller, feierlicher Sonntag. Da horcht und gehorcht nichts mehr der Erde; da lauscht alles ahnungsvoll dem Himmel, und der Atem Gottes säuselt stimmungsvolle Lieder durch die goldenen Saiten der milden Sonne.

      Der Himmel ist ja so redlich geworden, er hält tagsüber mehr, als er des Morgens mit seinen nebeltrüben Augen verspricht. Man schaut in sein blaues, stilles Aug'...

      Dort sitzt an einem Waldfeuer der Hirtenknabe. Er tut runde Dingelchen aus dem Sack und schiebt sie in die Glut.

      »Sage mir, Junge, woher hast du die Erdäpfel?«

      Er wird rot und sagt: »Die Erdäpfel, die – die hab' ich gefunden.«

      »Gesegne dir sie Gott, aber ein andermal finde sie nicht mehr, sondern gehe die Winkelhüterin an, wenn du Hunger hast; sie schenkt sie dir.« – Geschenkte schmecken nicht, gefundene tun's besser, ist auch das Salz schon dabei, gelt?

      Dort steht ein Strauch, der hat sich gestern abends mit einem Kettlein von Tauperlen geschmückt; heute ist der Tau erstarrt und brennt der Pflanze schier das Herze ab.

      Ich habe an einem solchen Nachsommertage einmal eine sehr alte Frau im Walde sitzen gesehen. Die Frau hat einst ein Kind gehabt. Das ist in die Neue Welt gegangen, ins heiße Brasilien, um das Gold zu suchen. Der herbstliche Gesichtskreis ist so grenzenlos klar, daß die Mutter in die ferne Vergangenheit vermag zu schauen, wo der liebe Knabe steht. Sie schaut ihn an, sie lächelt ihm zu, sie schlummert ein. Am andern Morgen sitzt sie noch auf dem Stein und hat einen weißen Mantel um. Der Schnee ist da, der Nachsommer ist vorbei. Und über das Wasser schifft ein Blatt Papier, das zieht gegen die heißen Zonen Südamerikas. Einem sonnenverbrannten Mann gibt es Nachricht vom fernen Daheim: Mutter im Walde gestorben. – Ein kleines Tränlein windet sich mühsam zwischen den Wimpern hervor, die Sonne saugt es rasch auf, und nach wie vor heißt die Losung: Gold! Gold!

      Käme noch ein einziger Brief zurück ins alte Mutterland, er müßte erzählen: der Sohn im Golde erdrückt. –

      Was träume ich hier? Es ist der Weltlauf, der mich nichts angeht. Ich will Frieden haben mitten im stillen Herbsten dieses Waldes.

      Dort oben in der Buchenkrone löset sich ein müdes Blättchen los, sinkt von Ast zu Ast und tänzelt an unendlich zarten schillernden Spinnfäden vorüber und hernieder zu mir auf den kühlen Grund. – Die Menschen in der Ferne, mit denen ich vormaleinst gelebt, was werden sie treiben? Wird der Sohn meiner Herrschaft, der liebe Knabe, ein einziges Mal an mich gedacht haben, und das außerordentliche Mädchen...

      Einsamkeit kann einsam Leid nicht bannen. – Ich muß mich nach Dingen umsehen, die mich zerstreuen und erheben und die mich nicht einseitig werden lassen in meiner Umgebung.

      Ich habe begonnen, Pflanzenkunde zu treiben; ich habe mit meinen Augen aus Büchern herausgelesen, wie die Eriken leben und die Heiderosen und andere; und ich habe mit meinen Augen dieselben Pflanzen betrachtet, stunden- und stundenlang. Und ich habe keine Beziehung gefunden zwischen dem toten Blatt im Buche und dem lebendigen im Walde. Da sagt das Buch von der Gentiane, diese Pflanze gehöre in die fünfte Klasse, unter dieser in die erste Ordnung, komme in den Alpen vor, sei blaublütig, diene zur Medizin. Es spricht von einer Anzahl Staubgefäßen, von Stempel und Fruchtknoten usw. Und das ist der armen Gentiane Tauf- und Familienschein. Oh, wenn so eine Pflanze ihre eigene, mit eitel Ziffern gezeichnete Beschreibung selbst lesen könnte, sie müßte auf der Stelle erfrieren! Das ist ja frostiger als der Reif des Herbstes.

      Das wissen die Waldleute besser. Die Blume lebt und liebt und redet eine wunderbare Sprache. Was wissen die nicht von der Schlüsselblume, vom Frauenschühlein, vom Muttergotteshäuberl, vom Schneeglöckel, vom Vergißmeinnicht für schöne Geschichten! So gaukeln die kleinen Blumenseelen im Gemüte des Älplers umher. – Aber ahnungsvoll zittert die Gentiane, naht ihr ein Mensch; und mehr bangt sie vor dessen leidenschaftglühendem Hauche als vor dem todeskalten Kusse des ersten Schnees.

      So bin ich der nicht Verstehende und Unverstandene. Sinnlos und planlos wirble ich in dem ungeheuren lebendigen Rade der Schöpfung.

      Verstünde ich mich nur erst selbst. Kaum nach dem Fieber der Welt zur Ruhe gekommen und mich des Waldfriedens freuend, drängt es schon wieder, einen Blick in die Ferne zu tun, so weit des Menschen Auge kann reichen. – Dort auf der blauen Waldesschneide möcht' ich stehen und weit hinaus ins Land zu anderen Menschen sehen. Sie sind nicht besser als die Wäldler

Скачать книгу