Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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      Auf der Himmelsleiter

       Inhaltsverzeichnis

      Eines schönen Herbstmorgens habe ich mich aufgemacht, daß ich den hohen Berg besteige, dessen höchste Spitze der graue Zahn genannt ist. – Bei uns im Winkel herunten ist doch allzuviel Schatten, und da oben steht man im Lichtrunde der weiten Welt. Es ist kein Weg, man muß geradeaus, durch Gestrüppe und Gesträuche und Gerölle und Zirmgefilze.

      Nach Stunden bin ich zu der Miesenbachhütte gekommen. Das junge heitere Paar ist schon davon. Die lebendige Sommerszeit ist vorbei; die Hütte steht in herbstlicher Verlassenheit. Die Fenster, aus denen sonst die Aga nach dem Burschen geguckt, sind mit Balken verlehnt; der Brunnen davor ist verwahrlost und sickert nur mehr, und das Eiszäpfchen am Ende der Rinne wächst der Erde zu. Die Glocke einer Herbstzeitlose wiegt daneben, die läutet der versterbenden Quelle zu ihren letzten Zügen.

      Das Gartenbeet, das die Sennin im Sommer so sorgsam gepflegt hat, auf welchem lieblich die hellen Blüten haben geflammt, wuchert jetzt wild, halbverdorrt, zernichtet. Oh, wie sehnsuchtsvoll wartet im jungen Frühling unser Auge auf die ersten Blumen des Gartens! Mit all unseren Mitteln stehen wir dem Beete bei in seinem Keimen; wie schützen wir es in seinem Grünen und Blühen, und mit welch' stolzer Freude bewundern wir sein hochzeitliches Prangen! – Nun aber beginnt unsere Liebe für den Garten mählich zu erkühlen, wir reichen ihm nicht mehr unsere Hände. Allein prangt er weiter und wird eine Wildnis von unsäglicher Schönheit. Aber umsonst – des Menschen Gemüt ist satt geworden, und der Garten verwuchert und verblaßt – unverstanden und unbeklagt.

      In meinem Gärtlein wachsen brennende Nesseln, und Hummeln summen darin. Ich sollt' wohl irgendwen haben, der es bestellt!... Geht hinweg, ihr bösen Geschichten! Ein Narr könnt' einer werden, wollt' man dran denken ...

      Ich habe mich auf den Kopf des Wassertroges gesetzt und mein Frühstück verzehrt. Das ist ein Stück Brotes aus Roggen- und Hafermehl gewesen, wie es hier allerwärts genossen wird. Das ist ein Essen, wie es – buchstäblich – den Gaumen kitzelt, recht grobkörnig und voll Kleiensplitter. Draußen im Land, wo Weizen wächst, tät' so ein Backwerk nicht schmecken; hier ist es ganz der Gegenstand der Bitte: Gib uns heut' unser täglich Brot! – Gibt aber auch Zeiten in dieser Gegend, in welcher der Herrgott selbst mit dem Haferbrote kargt; da kommt gedörrtes Stroh und Moos unter den Mühlstein. – Mir gesegne Gott das Stück Brot und den Schluck Wasser dazu! Mit dieser Zubereitung, ihr Herrenköche, schmeckt alles gut.

      Nachher heb' ich an, weiter zu steigen. Zuerst bin ich über das Kar hingegangen, aus dessen Mulden überall verwaschene Steine hervorquellen. Dazwischen stehen falbe Federgrasschöpfe und Flechtengefilze. Einige zarte, schneeweiße Blümlein wiegen sich auch und blicken ängstlich um sich, als hätten sie sich gar sehr verirrt in die Felsenöde herauf und möchten gerne wieder zurück. Von dem einst so schönen roten Meere der Alpenrosen stehen die spießigen Struppen des Strauches. Ich steige weiter, umgehe einige Felswände und die Kuppe des Kleinzahn, dann schreite ich einer Kante entlang, die sich gegen den Hauptgebirgsstock hinzieht. Da habe ich die augenblendenden Felder der Gletscher vor mir, glatt, leuchtend wie Elfenbein, sich hinlegend in weiten, sanften Lehnen und Mulden oder in schrundigen, vielgestaltigen Eishängen von Höhe zu Höhe. Dazwischen ragen starre Felstürme auf, und dort in luftiger Ferne über die lichten Gletscher erhebt sich ein dunkelgrauer, scharfzackiger Kegel, weit emporragend über die höchsten Gipfel des Gebirges: mein Ziel, der graue Zahn.

      Ein scharfkalter Luftstrom hat gerieselt von den Gletschern her, und das ganze unmeßbare Himmelsrund ist fast finsterblau gewesen, daß ich über den grauen Zahn herüber jenen Stern hab' erblickt, den wir zu ersten Morgen- oder Nachtstunde so wundersam leuchten sehen und den sie die Venus heißen. Es ist aber doch die Sonne gestanden hoch in dem Gezelt. Die fernen Schneeberge und Felshäupter sind so klar und niedlich gewesen, daß ich schier vermeint, sie lägen wenige Büchsenschußweiten vor mir und wären aus gleißendem Zucker geformt.

      Gegen Morgen hin fällt die Gegend ab in den welligen Grund des Waldes. Und die sonst so hochragenden Almweiden liegen tief wie in einem Abgrunde, und dort und da liegt das graue Würfelchen einer Almhütte. Von der Mitternachtsseite heran gähnen die schauerlichen Tiefen des Gesenkes, in deren Schatten das glanzlose Auge des Sees starrt.

      Nun bin ich ein paar Stunden den beschwerlichen und gefährlichen Weg der Kante entlang gegangen bis zu den Gletschern. Hier habe ich meine Steigeisen an die Füße gebunden, das Ränzlein enger geschnallt und den Bergstock fester in die Hand genommen. Der Bergstock ist ein Erbstück von dem schwarzen Mathes. Es ist in diesem Stocke eine Unzahl kleiner Einschnitte, die aber nicht andeuten, wie oft etwan sein früherer Eigner den Zahn oder einen anderen Berg bestlegen, sondern wie viele Leute er im Raufen mit diesem Knittel zu Boden geschlagen hat. Ein unheimlicher Geselle! – und mir hat er emporhelfen müssen über die weite, glatte Schneelehne, hinweg über die wilden Eisschründe und letztlich hinan den letzten steilen Hang auf die Spitze des Zahn. Hat's getreulich getan. Und wie gerne hätte ich von diesem hohen Berge aus dem Mathes nachgerufen in die Ewigkeit: Freund, das ist ein guter Stock, wärst hoch mit ihm gekommen, hättest ihn verstanden! –

      Stehe ich jetzt oben? Geht's nicht mehr weiter?

      Wenn ich so ein Wesen tät' sein, das sich an den Sonnenfäden könnt' emporspinnen in das Reich Gottes...

      Unter einem Steinvorsprung auf verwitterten Boden hab' ich mich hingesetzt, hab' die Dinge betrachtet. Hart um mich sind die feinen zerbröckelten Zacken der senkrecht liegenden Schiefertafeln gewesen. Über mir wogt vielleicht ein scharfer Luftstrom hin; ich höre und fühle ihn nicht; mich schützt der Felsvorsprung, die höchste Spitze des Zahn. Auf meine Glieder legt sich die freundliche Wärme des Sonnensternes. Die Ruhe und die Himmelsnähe tun wohl. Ich sinne, wie das wäre in der ewigen Ruh... Und selig sein! – ewig zufrieden und schmerzlos leben; nichts wünschen, nichts verlangen, nichts fürchten und hoffen durch alle Zeiten hin... Ob das nicht doch ein wenig langweilig wird? Ob ich mir nicht etwan doch einmal Urlaub nehmen möcht', daß ich hier unten wieder könnt' die Welt anschauen. Mein Gutsein dahier geht leichtlich in eine Nußschale hinein. Aber ich meine, wenn ich einmal oben wär': herunten wollt ich wieder sein. 's ist ein Eigenes um irdisch Freud' und Schmerz!

      Nur eines wollt' ich mir bedenken; ginge ich auf Urlaub zurück. Ein gutes Engelein müßte mir seine Flügel mitleihen; wie wollt' ich fliegen über die weißen Höhen und sonnigen Gipfel und Kanten, bis in die Ferne dort, wo die Säge der Gebirgskette den lichten Himmel durchschneidet; und auf jenem letzten weißen Zähnchen wollt' ich ruhen und hinblicken in die Weiten des Flachlandes und zu den Türmen der Stadt. Vielleicht könnte ich den Giebel des Hauses erblicken, oder gar das Gefunkel des Fensters, an dem sie steht...

      Und tät' ich das Gefunkel desselbigen Fensters erblicken, dann wollt' ich gern umkehren und zurück in den Himmel.

      Ob es wohl wahr ist, daß man von dieser Spitze aus das Meer kann sehen? – Meine Augen sind nicht klar, und dort im Mittag zittert das Graue der Erde mit dem Grauen des Himmels ineinander. – Den festen Boden kenne ich; was Moder ist, nennen sie fruchtbare Erde. Könntest du, mein Augenblick, nur ein einzigmal das weite Meer erreichen! – –

      Als endlich die Sonne sich so gewendet, daß der blaue Schatten ist erschienen auf meiner steinigen Ruhestatt, da habe ich mich erhoben und bin emporgestiegen auf den allerhöchsten Punkt. Ich habe den Rundblick getan in die Zackenkrone der Alpen.

      Und danach bin ich niedergestiegen an den Felshängen, den Gletscherschründen, den Schneefeldern; bin hingegangen auf dem langen Grat, bin endlich wieder herabgekommen auf die weichen Matten. Da sind vor mir wieder die Waldberge, gewesen; aus den Tälern ist die Dämmerung gestiegen. Diese hat mir fast wohlgetan; vor meinem überreizten Auge hat es noch lange geflimmert und gefunkelt. Eine Weile

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