Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

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hatte in diesem Augenblick das Mostglas an den Mund gesetzt, um den Rest des frischenden Trankes zu schlürfen. Und das war, als hätte es dem Manne die Sprache verschlagen. Er starrte nun auf das leere Glas, wollte dann sein Gespräch wieder fortsetzen, schien aber kaum mehr zu wissen, wovon er geredet.

      »Ich denk' mir meinen Teil«, versetzte einer der Kohlenbrenner, »und ich sag' dasselb', just und gerade dasselb', was der Wurzentoni sagt. Der alte Schulmeister, sagt er, hat ein Stückel mehr verstanden als Birnsieden, ein gut Stückel mehr. Der Wurzentoni – nicht einmal, zehn- und hundertmal hat er den Schulmeister gesehen aus einem kleinwinzigen Büchlein beten, und sind alles so Sprüchel drin gewesen und Zauber- und Hexenzeichen, lauter Hexenzeichen. Wär' der Schulmeister im Wald wo gestorben, sagt der Wurzentoni, so hätt' man den Toten finden müssen, und hätt' ihn der Teufel geholt, so wär' das Gewand zurückgeblieben, denn das Gewand, sagt der Wurzentoni, ist unschuldig, über das hat der Teufel keine Gewalt, hat keine! – Ganz was anders ist geschehen, meine Leut'! Der Schulmeister – verzaubert hat er sich, und so steigt er unsichtbar Tag und Nacht in Winkelsteg herum – Tag und Nacht, zu jeder Stund'. Das ist es, weil er will wissen, was die Leut' in der Heimlichkeit tun und über ihn reden, und weil – –. Ich sag' nichts Schlechtes über den Schulmeister, ich nicht. Wüßt' auch nicht, was, bei meiner Treu, wüßt' nicht, was!«

      »Ei, tät der Teufel nicht mehr wissen wie der schwarz' Kohlenbrenner«, hüstelte die Stimme hinterm Ofen, »noch heut' tät' der alt' Grauschädel die Winkelsteger bei der Nasen herumführen!«

      Ein gereizter Löwe könnte nicht wütender aufspringen, als es jetzt der derbe, finstere Wirt tat. Ordentlich stöhnend vor Begier, stürzte er hin in den Ofenwinkel, und dort war ein angstvolles Aufkreischen.

      Da eilte die Wirtin herbei: »Geh, Lazarus, wirst dich scheren mit diesem dummen Schorschl da! Ist nicht der Müh' wert, daß du desweg einen Finger krumm tust. Geh, sei fein gescheit, Lazarus; schau, jetzt hab' ich dir dort dein Tröpfel hingestellt.«

      Lazarus ließ nach; der Schorschl huschte wie ein Pudel zur Tür hinaus.

      Lazarus hatte Haarlocken in der Faust. Knurrend schritt er gegen den Kasten, auf welchen ihm sein Weib ein Glas Apfelmost gestellt hatte. Fast lechzend, zitternd griff er nach dem Glase, führte es zum Mund und tat einen langen Zug. Dann hielt er starren Auges ein wenig inne, dann setzte er wieder an und leerte das Glas bis auf den letzten Tropfen. Das mußte ein fürchterlicher Durst gewesen sein. Langsam sank die Hand mit dem leeren Gefäß nieder; tief aufatmend glotzte der Wirt vor sich hin.

      So verging die Zeit, bis die Wirtin zu mir kam und sagte: »Wir haben ein gutes Bett, da oben auf dem Boden; aber sag's dem Herrn fein g'rad heraus, der Wind hat heut' ein paar Dachschindeln davongetragen, und da tut's ein klein wenig durchtröpfeln. Im Schulhaus oben wär' wohl ein rechtschaffen bequemes Stübel, weil es für den neuen Lehrer schon eingerichtet ist; und fein zum Heizen wär's auch, und wir haben den Schlüssel, weil mein Alter Richter ist und auf das Schulhaus zu schauen hat. Jetzt, wenn sonst der Herr nicht gerade ungern im Schulhaus schläft, so tät ich schon dazu raten. Ei beileib', es ist nicht unheimlich, gar nicht; es ist fein still und fein sauber. Mich deucht, das ganze Jahr wollt' ich darin wohnen.«

      So zog ich das Schulhaus dem Dachboden vor. Und nicht lange nachher geleitete mich ein Küchenmädchen mit der Laterne hinaus in die stockfinstere, regnerische Nacht, den Hütten entlang, an der Kirche hin über den Friedhof, an dessen Rande das Schulhaus stand. Das Rasseln des Schlüssels an der Tür widerhallte im Innern. Im Vorhause war es öde, und die Schatten der Laternsäulchen zuckten wie gehetzt an den Wänden hin und her.

      Da traten wir in ein kleines Zimmer, in dessen Tonofen helle Glut knisterte. Meine Begleiterin stellte ein Licht auf den Tisch, schlug die braune Decke des Bettes über und zog aus dem Wandkasten eine Lade hervor, damit ich meine Sachen dort unterbringe. Da rief sie auf einmal: »Nein, das ist richtig, daß wir uns alle miteinander schämen müssen, jetzt liegen diese Fetzen noch da herum!« Sofort faßte sie einen Armvoll Papierblätter, wie sie in der Lade wirr herumlagen; »Will euch gleich helfen, ihr verzwickelten Wische, in den Ofen steck' ich euch!«

      »Mußt nicht, mußt nicht«, kam ich dazwischen, »vielleicht sind Dinge dabei, die der neue Lehrer noch brauchen kann.«

      Verdrießlich warf sie die Blätter wieder in die Lade. Es wäre ihr in ihrer Aufräumungswut sicher eine große Lust gewesen, sie zu verbrennen, wie ja unwissende Leute häufig das Verlangen haben, alles, was ihnen nutzlos dünkt, sogleich zu vernichten.

      »Der Herr kann des alten Schulmeisters Schlafhauben aufsetzen«, sagte das Mädchen hernach etwas schelmisch und legte eine blaugestreifte Zipfelmütze auf das Kopfkissen des Bettes. Dann gab es mir noch einige Ratschläge wegen der Türschlüssel, sagte: »So, in Gottesnamen, jetzt geh' ich!« – und sie ging.

      Die äußere Tür sperrte sie ab, an der inneren drehte ich den Schlüssel um, und nun war ich allein in der Wohnung des in Verlust geratenen Schulmeisters.

      Was war das für ein sonderbares Geschick mit diesem Manne, und was waren das für sonderbare Nachreden der Leute? Und wie verschieden waren diese Nachreden! Ein guter, vortrefflicher Mann, ein Narr, und gar einer, den der Teufel holt! –

      Ich sah mich in der Stube um. Da war ein wurmstichiger Tisch und ein brauner Kasten. Da hing eine alte, schwarze Pendeluhr mit völlig erblindetem Zifferblatte, vor welchem der kurze Pendel so emsig hin und her hüpfte, als wollte er nur hastig, hastig aus banger Zeit in eine bessere Zukunft eilen. – Und meint ihr, ich hätte von draußen herein nicht auch die Unruh der Kirchturmuhr gehört?

      Neben der Uhr hingen einige aus Wacholder geschnittene Tabakspfeifen mit übermäßig langen Rohren; ferner eine Geige und eine alte Zither mit drei Saiten. Sonst war überall das gewöhnliche Hausgeräte, vom Stiefelzieher unter der Bettstatt bis zu dem Kalender an der Wand. Der Kalender war vom vorhergegangenen Jahre. Die Fenster waren bedeutend größer, als sie sonst bei hölzernen Häusern zu sein pflegen, und mit geflochtenen Gittern versehen.

      In diesen Gittern steckten verdorrte Birkenzweige.

      Da ich einen der blauen Vorhänge beiseite geschoben hatte, blickte ich hinaus ins Freie. Es war finster, nur von einer Ecke des Kirchhofes her schimmerte es wie ein verlorener Strahl des Mondes. Das war wohl das Moderleuchten eines zusammengebrochenen Grabkreuzes oder eines Sargrestes. Der Regen rieselte; es zog ein frostiger Windhauch durch die Luft wie gewöhnlich nach Hagelgewittern.

      Ich hatte die Alpenfahrt für den nächsten Tag aufgegeben. Ich beschloß, entweder in Winkelsteg schön Wetter abzuwarten, oder mittels eines Kohlenwagens wieder davonzufahren. Brauen im Gebirge selbst zur Sommerszeit ja doch oft wochenlang die feuchten Nebel, während draußen im Vorlande der helle Sonnenschein liegt.

      Ehe ich mich ins Bett legte, wühlte ich noch ein wenig in den alten Papieren der Schublade herum. Da waren Musiknoten, Schreibübungen, Aufmerkblätter und allerhand so Geschreibe auf grobem, grauem Papier. Es war teils mit Bleistift, teils mit gelblichblasser Tinte, bald flüchtig, bald mit Fleiß geschrieben. Und da lagen zwischen Blättern gepreßte Pflanzen, entstaubte Schmetterlinge und eine Menge Tier- und Landschaftszeichnungen, auch eine Karte von Winkelsteg, zumeist gar recht unbeholfen gemacht. Aber ein Bild fiel mir doch auf, ein mit bunten Farben bemaltes, komisches Bild. Es stellte einen alten Mann dar. Der kauerte auf einem Baumstrunk und schmauchte eine langberohrte Pfeife. Auf dem Haupte, dessen Haare nach hinten gekämmt waren, hatte er eine plattgedrückte, schwarze Kappe mit einem breiten, waagrecht hinausstehenden Schilde. Aber ein Künstler war es doch, der das Bild gemacht; im Ausdruck des Angesichts war er zu spüren. Aus dem einen Auge, das ganz offenstand, blickte eine ernste und doch milde Seele heraus; aus dem andern, das halb geschlossen nur so blinzelte, sah ein wenig Schalkheit hervor. In einem Hause, aus dessen Fenstern solche Gäste lugen, ist's nicht gar sonderlich arm und öde. Über den vom

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