Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter  Rosegger

Скачать книгу

schritt er gegen das Dörfchen hinab; ich ging mit ihm und suchte ein Gespräch anzufangen. Er sah mir mehrmals treuherzig ins Gesicht, aber er sagte kein Wort; und er wendete sich bald und schritt abseits gegen den Bach. Nachher habe ich erfahren, daß er stumm ist.

      Und endlich saß ich im Wirtshause bei meinem Frühstück. Es bestand aus einer Schale Milch mit gebranntem Kornmehl gewürzt. Das ist der Winkelsteger Kaffee.

      Und nun – was gedachte ich zu tun?

      Ich teilte der heiteren Wirtin meine Absicht und meinen Wunsch mit: das ungünstige Wetter in Winkelsteg abzuwarten, im Stübchen des Schulhauses zu wohnen und die Schriften des Schulmeisters zu lesen – »wenn ich dazu Erlaubnis hätte«.

      »O mein Gott, Ja, von Herzen gern!« rief sie, »wen wird der Herr denn irren da oben! Und das alte Papierwerk schaut sonst auch kein Mensch an – wüßt' nicht, wer! Davon kann sich der Herr aussuchen, was er will. Der neue Schulmeister wird schon selber so Sachen mitbringen. Glaub's aber dieweil noch gar nicht, daß einer kommt. Ja, freilich mag der Herr oben bleiben, und ich laß ihm fein warm heizen.«

      So ging ich wieder hinauf zum Schulhause. Nun sah ich es von außen an. Es war recht bequem und zweckmäßig gebaut, es hatte ein flaches, weit vorspringendes Schindeldach, und es hatte in diesem Vorsprunge und in seinen hellen Fenstern eine Art Verwandtschaft mit dem gutmütig schalkhaften schildkäppchenbedeckten Antlitze jenes Alten auf dem Bilde.

      Dann trat ich in das Stübchen. Es war bereits aufgeräumt, und im Ofen knisterte frisches Feuer. Durch die hellen Fenster starrte zwar der düstere Tag mit dem tief auf die Bergwälder hängenden Nebel herein, aber das machte das Stübchen nur noch traulicher und heimlicher.

      Die Blätter, die ich am Morgen in Ordnung gebracht hatte, die rauh und grau vergilbt waren und eng beschrieben, Zeile an Zeile, die nahm ich nun aus der Schublade und setzte mich damit zum rein gescheuerten Tisch am Fenster, so daß das Tageslicht freundlich auf ihnen ruhen konnte.

      Und was hier ein seltsamer Mann niedergeschrieben hatte, das begann ich nun zu lesen.

      Was ich las, das gebe ich hier, besonders dem Inhalte nach, schlecht und recht wieder.

      Doch mußte an der Urschrift in der Form manches geändert und geglättet, es mußte gestrichen, ja beigefügt werden, wie es zum Verständnisse nötig, und soweit es mir nach Durchforschung der Zustände erlaubt und möglich war. Ferner mußten die absonderlichen Ausdrücke in Klarheit, die regellos hingeworfenen Sätze in Regeln und Zusammenhang gebracht werden. Indes sei bemerkt, daß ältere Sprachformen und Wendungen, die in den Blättern sich vorfanden, tunlichst beibelassen wurden, um der Schrift von ihrer Eigenart zu wahren.

      Erster Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Lieber Gott! Ich grüße Dich und schreibe Dir eine Neuigkeit. Heute ist mein Vater gestorben. Er ist schon zwei Jahre krank gewesen. Die Leut' sagen, es ist ein rechtes Glück. Die Muhme-Lies sagt es auch. Jetzt haben sie den Vater schon fortgetragen. Der Leib kommt in die Totenkammer, die Seel' geht durch das Fegefeuer in den Himmel hinauf. Lieber Gott, und da hätt' ich jetzt eine recht schöne Bitt'. Schick meinem Vater einen Engel entgegen, der ihn weist. Für den Engel leg ich mein Patengeld bei; es sind drei Groschen. Mein Vater wird recht eine Freud' haben im Himmel, und führ' ihn gleich zu meiner Mutter. – Ich grüß Dich tausendmal, lieber Gott, den Vater und meine Mutter.

      Andreas Erdmann

      Salzburg, im 1797iger Jahr, am Apostel Simonitag

      Dieser Brief ist zufällig erhalten geblieben, mit ihm hebe ich an. Ich weiß noch den Tag. Ich habe in meiner sehr großen Einfalt die drei Groschen wollen in das Papier legen. Kommt selbunter die Muhme-Lies herbei, liest mit ihren Glasaugen die Schrift und schlägt die Hände zusammen. »Du bist ein dummer Junge!« ruft sie aus, »ein sehr dummer Junge!« Eilends nimmt sie mein Patengeld, läuft davon und erzählt meine Sach' im ganzen Hause, vom Torwartgelaß an bis hinauf zum dritten Stock, wo ein alter Schirmmacher wohnt. Jetzt kommen die Leut' alle miteinander zusammen in unser Zimmer herein, zu sehen, wie ein sehr dummer Junge denn ausschaut.

      Gelacht haben sie, und so lang' haben sie gelacht, bis ich anfang' zu weinen. Jetzund haben sie noch ärger gelacht. Der alte Schirmmacher mit seinem himmelblauen Schurz ist auch da; der hebt die Hand auf und sagt: »Ihr Herrschaften, das ist ein närrisches Lachen; etwan ist er gescheiter als ihr alle miteinand. Geh her zu mir, Büblein; heute ist dein guter Vater gestorben; deine Muhme ist viel zu gescheit und ihr Haus zu klein für dich, du kleinwinziger Bub'. Geh mit mir, ich lehre dich das Regenschirmmachen.«

      Was hat jetzo die Muhme gegreint überlaut! Aber das kann ich mir denken: insgeheim ist es ihr recht gewesen, da ich mit dem Alten die zwei Treppen hinaufgestiegen bin.

      Selbunter, wie mir mein Vater gestorben, werd' ich im siebenten Jahr gewesen sein. Ich weiß nur, daß meine Eltern mit mir bis zu meinem fünften Jahr im Waldland gelebt haben. Im Waldland am See. Felsberge, Wald und Wasser haben die Ortschaft eingefriedet, in der mein Vater Salzwerksbeamter gewesen. Wie die Mutter gestorben, hebt mein Vater an zu kränkeln; hat seine Stelle aufgeben müssen, ist mit mir zu seiner wohlhabenden Schwester in die Stadt gezogen. In einem leichteren Amt hat er wieder arbeiten wollen, um seiner Schwester, die sich stets der Tugend der Sparsamkeit beflissen, Dach und Nahrung redlich erstatten zu können. Aber in der Stadt ist er krank Jahr und Tag; nur daß er mich zur Not das Lesen und Schreiben lehrt, sonst hat er gar nichts getan. Und es ist gekommen, wie ich es im frühern Blatt aufgeschrieben habe.

      Bei dem alten Mann im dritten Stock bin ich mehrere Jahre gewesen. Wie er, so habe auch ich einen himmelblauen Brustschurz getragen. Man erspart dadurch an Gewand. In der ersteren Zeit bin ich mehrmals zur Muhme hinabgegangen auf Besuch; aber sie hat mich fortweg und so lange einen sehr dummen Jungen geheißen, bis ich nicht mehr hinabgegangen bin. Selbunter hat mein Meister einmal das Wort gesagt: »Gib acht, Andreas, daß du nicht so gescheit wirst wie deine Frau Muhme!«

      Wir haben lauter blaue und rote Regenschirme gemacht, haben sie dann in großen Bünden auf Jahrmärkte getragen und verkauft. Einen breiten Schirm haben wir über unsere Ware gespannt, und die Marktbude ist fertig gewesen. Und wenn das Geschäft so gut ist gegangen, daß wir letztlich auch die Bude verkauft, so sind wir allbeide in ein Wirtshaus gegangen und haben uns was gut sein lassen. Ansonsten aber haben wir die Ware in Bünden wieder nach Hause getragen und daheim eine warme Suppe genossen.

      Wie mein Meister über die siebzig Jahre alt ist, wird ihm die Welt nicht mehr recht; hat müssen eine andere haben – ist mir gestorben. Gestorben wie mein Vater.

      Ich bin der Erbe gewesen. Zweithalb Dutzend Schirme sind da; die pack' ich eines Tages auf und trag sie dem Markte zu. Auf demselbigen Markt hab' ich Glück gehabt. Er ist in einem Tal gar weit von der Stadt; Menschen in Überfluß, aber die wenigsten werden sich zur Morgenfrühe gedacht haben, sie gehen auf den Markt, daß sie Regenschirme kauften.

      Kommt zur Mittagszeit jählings ein Wetterregen; wie weggeschwemmt sind die Leute vom Platz, und mit ihnen meine Schirme. Ein alleinziger ist mir noch geblieben für mich selber, daß ich trocken bliebe mitsamt meinem gelösten Geld. Was läuft doch über den Platz ein Mann daher, daß alle Lachen spritzen! Meinen Regenschirm will er kaufen.

      »Hätt' ich selber keinen!« sage ich.

      »Hab' schon manchen Schuster barfuß laufen sehen«, lachte der Mann. »aber hörst, Junge, wir richten uns die Sach' schlau ein. Bist du aus der Stadt?«

      »Ja«,

Скачать книгу