Nathan der Weise. Gotthold Ephraim Lessing
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Trotz der literarischen Stellung, die L. nach diesen Werken einnahm, wollte sich eine seiner Natur entsprechende bürgerliche Stellung für ihn nicht finden. Er war 1765 nach Berlin zurückgekehrt, wo man ihm Hoffnungen auf eine Berufung als Bibliothekar gemacht hatte. Als diese Hoffnung trotz wertvoller Fürsprache des einflußreichen Obersten Quintus Icilius an dem Widerstand Friedrichs d. Gr. gescheitert war, erschien ihm Berlin als eine »verzweifelte Galeere«; er sehnte sich hinweg und nahm daher mit Freuden eine Aufforderung an, seine Kräfte dem »Nationaltheater« zu widmen, das man soeben in Hamburg errichtete. Als Dramaturg der neuen Bühne begab er sich im April 1767 nach Hamburg, das ihm als Stadt schon beim ersten Sehen sehr behagte. Seine Hauptaufgabe sollte die Abfassung einer kritischen Zeitschrift sein, die »jeden Schritt begleiten sollte, den die Kunst sowohl des Dichters als des Schauspielers tun würde« und als »Hamburgische Dramaturgie« in der Tat 1. Mai 1767 ins Leben trat. Die schlecht vorbereitete und schlecht geleitete, vom unreifen Publikum jener Tage noch schlechter unterstützte Unternehmung brach indes schon nach kurzer Zeit zusammen; ihr größter Ruhm bleibt, zu Lessings »Dramaturgie« den äußern Anlaß gegeben zu haben. Während ihres Erscheinens entfernte sich L. immer mehr von seiner ursprünglichen Absicht. In den ersten 25 Nummern (Stücken) kritisiert er eingehend die Schauspieler, namentlich Ekhof. Später wurde ihm diese Seite seiner Tätigkeit, die er mit großem Glück durchgeführt hatte, durch kleinliche Empfindlichkeiten, besonders der ersten Schauspielerin der Bühne, Frau Hensel, verleidet. Er sprach nur noch über die Dichter, und zwar sehr eingehend, indem er die Gelegenheit benutzte, den reichen Schatz seiner Gedanken über die dramatische Kunst, namentlich seine Ansichten über Aristoteles' »Poetik«, über Shakespeare, über die französische Tragödie und ihr Verhältnis zu Shakespeare und zum antiken Drama ausführlich darzulegen. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Stücken und den besprochenen Aufführungen wurde immer größer, das letzte Stück (im April 1768) behandelte eine Ausführung, die nach Lessings Angabe am 28. Juli, in Wahrheit am 11. Aug. 1767 stattgefunden hatte. So wurde die »Dramaturgie«, wie L. mit Recht bemerkt, etwas andres, als man anfangs beabsichtigt hatte, aber wahrlich nichts Schlechteres. Nach dem Scheitern des Theaters setzte L. noch kurze Zeit hindurch Hoffnungen auf den Erfolg eines Verlagsgeschäfts, das er mit Chr. Gode begründet hatte. Als auch dieser ausblieb, fand L., daß es ihm unmöglich sein werde, »des Sperlings Leben auf dem Dach« in dem geliebten Hamburg fortzusetzen, und entschloß sich im Herbst 1769, die ihm angetragene Stellung als Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel anzunehmen. Die letzte Zeit in Hamburg war durch die Abfassung der »Briefe antiquarischen Inhalts« (Berl. 1768–69) bezeichnet gewesen. In ihnen wurde der ränkesüchtige Professor Chr. A. Klotz, der sich als Führer einer literarischen Clique hohler und anmaßlicher Gesellen hervorgetan, mit unglaublicher Schärfe, aber auch mit gründlichster Gelehrsamkeit angegriffen. Auch die Untersuchung: »Wie die Alten den Tod gebildet« (Berl. 1769) ging aus den Klotzschen Händeln hervor. Kurz vor seiner Abreise von Hamburg hatte L. dann noch die Freude, dort mit Herder zusammenzutreffen.
In Wolfenbüttel, wo L. sein Amt im Frühjahr 1770 antrat, begann er eine Reihe von Veröffentlichungen aus den handschriftlichen Schätzen der Bibliothek, von denen die Schrift über »Berengarius Turonensis« (Braunschw. 1770) den Anfang machte, während sich die Abhandlungen und Fragmente »Zur Geschichte und Literatur« (das. 1773–81, 6 Bde.) über eine Reihe von Jahren erstreckten. Wie wertvoll einzelne dieser Publikationen auch sein mochten, so war es für die deutsche Literatur wichtiger, daß L. gleich in der ersten Zeit nach seiner Niederlassung in Wolfenbüttel ein poetisches Meisterwerk wie seine Tragödie »Emilia Galotti« (Berl. 1772) vollendete, deren Anfänge ins Jahr 1757 zurückreichen. Hier erscheint die Charakterzeichnung, die packende Lebenswahrheit, die epigrammatische Knappheit der Sprache auf gleicher Höhe wie in »Minna von Barnhelm«, die Diktion ist sogar geistreicher und gedankenhaltiger als in irgend einer andern Dichtung Lessings; dagegen wird gegen die tragische Lösung der Verwickelung jederzeit ein gewisser Einwand der Logik und Empfindung übrigbleiben, was die Wahrheit der Goetheschen Worte nicht aufhebt, daß in diesem Drama eine ungeheure Kultur enthalten sei. Auch ließ L. damals den ersten Band einer neuen Sammlung seiner »Vermischten Schriften« erscheinen (1771), der außer kleinern Gedichten auch eine eindringende und scharfsinnige Abhandlung über das Epigramm enthält. Leider gestalteten sich die Lebensverhältnisse