Nathan der Weise. Gotthold Ephraim Lessing

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Nathan der Weise - Gotthold Ephraim Lessing

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Er bereitete sich ernsthaft auf die Reise vor, die in der Tat 10. Mai angetreten wurde und L. durch das nördliche Deutschland nach den Niederlanden führte, wo von Amsterdam aus die vorzüglichsten Städte besucht wurden. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges aber und die Besetzung Leipzigs durch preußische Truppen trieben Winkler nach Leipzig zurück, wohin ihm L. notgedrungen folgen mußte. Da es hier rasch zu einem Zerwürfnis zwischen L. und seinem seitherigen Genossen kam, das in einen erst nach Jahren (1764) zu Lessings gunsten erledigten Prozeß auslief, so sah sich der Schriftsteller, der auf drei Jahre der Sammlung und Muße gehofft hatte, wieder auf seine Feder angewiesen und mußte mehr als je zuvor zu Übersetzungen, Korrekturen und andern Notbehelfen greifen. Zunächst hielt ihn der Verkehr mit dem preußischen Major Ew. v. Kleist (dem Dichter) in Leipzig zurück; als aber dieser im Mai 1758 zur preußischen Feldarmee ging, zog es auch L. wieder nach Berlin. Hier lebte er von 1758–60 unter den Eindrücken der Taten und Wechselfälle des Siebenjährigen Krieges. Mit seinen Freunden vereinigte er sich zur Herausgabe eines neuen kritischen Organs für Besprechung der neuern deutschen schönwissenschaftlichen Literatur: der »Briefe die neueste Literatur betreffend« (Berl. 1759–65, 24 Bde.), für die er besonders 1759 tätig war; hervorzuheben sind die Briefe, in denen er Wieland und Klopstock bespricht, die Gottschedsche Richtung in der dramatischen Literatur bekämpft, Shakespeare als den größten dramatischen Dichter feiert und eine Szene aus seinem unvollendeten Faustdrama mitteilt (Brief 17). Er veröffentlichte nebenbei drei Bücher seiner »Fabeln« in Prosa nebst Abhandlungen, in denen er zum erstenmal nicht nur als Kritiker, sondern auch als Theoretiker auftrat (Berl. 1759), und das kleine, in einer knappen, scharfen Prosa abgefaßte Trauerspiel »Philotas« (das. 1759), in dem sich trotz dem antiken Schauplatz der Handlung doch die patriotische Erregung der Zeit widerspiegelt. Auch schrieb er damals sein erst später aus Lessings Nachlaß von Eschenburg (1790) veröffentlichtes »Leben des Sophokles«, gab »Logaus Sinngedichte« (Leipz. 1759) heraus und übertrug »Das Theater des Herrn Diderot« (Berl. 1760, 2 Bde.), die verwandten Bestrebungen des französischen Kritikers und Dichters teils richtig würdigend, teils überschätzend. Die Unsicherheit seiner Lage, der erneut wiederkehrende Wunsch, sich größern Arbeiten in aller Muße und ohne Rücksicht auf ihre frühere oder spätere Vollendung widmen zu können, veranlaßten L., eine Stellung als Sekretär des Generals Tauenzien, des Gouverneurs von Schlesien, anzunehmen und im Herbst 1760 nach Breslau zu gehen. Wenn auch die Freunde darüber den Kopf schüttelten, daß sich L. in eine Flut von ganz unliterarischen, militärischen und bürgerlichen Geschäften hineingestürzt habe und er selbst in einigen Briefen über die Last ermüdender, unbedeutender Beschäftigungen, erlogener Vergnügen und Zerstreuungen klagte, so ward ihm doch der mehrjährige Aufenthalt in Breslau fruchtreich: während die Freunde, zumal nach dem Heldentode des von L. tief betrauerten Kleist (1759), dem rastlos vorwärts strebenden nicht mehr viel zu bieten vermochten, konnte er hier »in sich selbst Wurzel fassen«, sich in ernste Studien, z. B. des Spinoza und der Kirchenväter, versenken, lebendiger Wirklichkeit, die ihn umgab, die poetische Seite abgewinnen und fand Gelegenheit, nicht nur seine Familie reichlich zu unterstützen (was er übrigens auch in seinen dürftigsten Lagen über seine Kräfte hinaus getan), sondern auch eine beträchtliche Bibliothek zu sammeln, die er freilich schon in den nächsten Jahren als Notpfennig betrachten und wieder veräußern mußte. Die wichtigsten Erträgnisse der (bis 1765 währenden) Breslauer Zeit waren das Lustspiel »Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück« (Berl. 1767) und »Laokoon, oder über die Grenzen der Malerei und Poesie« (das. 1766, erster Teil; der zweite ward nie vollendet): ersteres das klassische Lustspiel der Deutschen, nach Goethe »die wahrste Ausgeburt des Siebenjährigen Krieges, die erste aus dem bedeutenden Leben gegriffene Theaterproduktion«; letzterer eine der ästhetisch-kritischen Hauptschriften Lessings, durch die er die Überschätzung der beschreibenden Poesie beseitigte, die Handlung in der Poesie und damit die dramatische und erzählende Dichtung in ihr Recht einsetzte und nach der literarischen Seite hin klärend und grundlegend im höchsten Sinne wirkte. Der Satz, daß der Dichter nicht malen solle, gehört seitdem, um mit Vischer zu reden, »zum A B C der Ästhetik«.

      Trotz der literarischen Stellung, die L. nach diesen Werken einnahm, wollte sich eine seiner Natur entsprechende bürgerliche Stellung für ihn nicht finden. Er war 1765 nach Berlin zurückgekehrt, wo man ihm Hoffnungen auf eine Berufung als Bibliothekar gemacht hatte. Als diese Hoffnung trotz wertvoller Fürsprache des einflußreichen Obersten Quintus Icilius an dem Widerstand Friedrichs d. Gr. gescheitert war, erschien ihm Berlin als eine »verzweifelte Galeere«; er sehnte sich hinweg und nahm daher mit Freuden eine Aufforderung an, seine Kräfte dem »Nationaltheater« zu widmen, das man soeben in Hamburg errichtete. Als Dramaturg der neuen Bühne begab er sich im April 1767 nach Hamburg, das ihm als Stadt schon beim ersten Sehen sehr behagte. Seine Hauptaufgabe sollte die Abfassung einer kritischen Zeitschrift sein, die »jeden Schritt begleiten sollte, den die Kunst sowohl des Dichters als des Schauspielers tun würde« und als »Hamburgische Dramaturgie« in der Tat 1. Mai 1767 ins Leben trat. Die schlecht vorbereitete und schlecht geleitete, vom unreifen Publikum jener Tage noch schlechter unterstützte Unternehmung brach indes schon nach kurzer Zeit zusammen; ihr größter Ruhm bleibt, zu Lessings »Dramaturgie« den äußern Anlaß gegeben zu haben. Während ihres Erscheinens entfernte sich L. immer mehr von seiner ursprünglichen Absicht. In den ersten 25 Nummern (Stücken) kritisiert er eingehend die Schauspieler, namentlich Ekhof. Später wurde ihm diese Seite seiner Tätigkeit, die er mit großem Glück durchgeführt hatte, durch kleinliche Empfindlichkeiten, besonders der ersten Schauspielerin der Bühne, Frau Hensel, verleidet. Er sprach nur noch über die Dichter, und zwar sehr eingehend, indem er die Gelegenheit benutzte, den reichen Schatz seiner Gedanken über die dramatische Kunst, namentlich seine Ansichten über Aristoteles' »Poetik«, über Shakespeare, über die französische Tragödie und ihr Verhältnis zu Shakespeare und zum antiken Drama ausführlich darzulegen. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Stücken und den besprochenen Aufführungen wurde immer größer, das letzte Stück (im April 1768) behandelte eine Ausführung, die nach Lessings Angabe am 28. Juli, in Wahrheit am 11. Aug. 1767 stattgefunden hatte. So wurde die »Dramaturgie«, wie L. mit Recht bemerkt, etwas andres, als man anfangs beabsichtigt hatte, aber wahrlich nichts Schlechteres. Nach dem Scheitern des Theaters setzte L. noch kurze Zeit hindurch Hoffnungen auf den Erfolg eines Verlagsgeschäfts, das er mit Chr. Gode begründet hatte. Als auch dieser ausblieb, fand L., daß es ihm unmöglich sein werde, »des Sperlings Leben auf dem Dach« in dem geliebten Hamburg fortzusetzen, und entschloß sich im Herbst 1769, die ihm angetragene Stellung als Bibliothekar der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel anzunehmen. Die letzte Zeit in Hamburg war durch die Abfassung der »Briefe antiquarischen Inhalts« (Berl. 1768–69) bezeichnet gewesen. In ihnen wurde der ränkesüchtige Professor Chr. A. Klotz, der sich als Führer einer literarischen Clique hohler und anmaßlicher Gesellen hervorgetan, mit unglaublicher Schärfe, aber auch mit gründlichster Gelehrsamkeit angegriffen. Auch die Untersuchung: »Wie die Alten den Tod gebildet« (Berl. 1769) ging aus den Klotzschen Händeln hervor. Kurz vor seiner Abreise von Hamburg hatte L. dann noch die Freude, dort mit Herder zusammenzutreffen.

      In Wolfenbüttel, wo L. sein Amt im Frühjahr 1770 antrat, begann er eine Reihe von Veröffentlichungen aus den handschriftlichen Schätzen der Bibliothek, von denen die Schrift über »Berengarius Turonensis« (Braunschw. 1770) den Anfang machte, während sich die Abhandlungen und Fragmente »Zur Geschichte und Literatur« (das. 1773–81, 6 Bde.) über eine Reihe von Jahren erstreckten. Wie wertvoll einzelne dieser Publikationen auch sein mochten, so war es für die deutsche Literatur wichtiger, daß L. gleich in der ersten Zeit nach seiner Niederlassung in Wolfenbüttel ein poetisches Meisterwerk wie seine Tragödie »Emilia Galotti« (Berl. 1772) vollendete, deren Anfänge ins Jahr 1757 zurückreichen. Hier erscheint die Charakterzeichnung, die packende Lebenswahrheit, die epigrammatische Knappheit der Sprache auf gleicher Höhe wie in »Minna von Barnhelm«, die Diktion ist sogar geistreicher und gedankenhaltiger als in irgend einer andern Dichtung Lessings; dagegen wird gegen die tragische Lösung der Verwickelung jederzeit ein gewisser Einwand der Logik und Empfindung übrigbleiben, was die Wahrheit der Goetheschen Worte nicht aufhebt, daß in diesem Drama eine ungeheure Kultur enthalten sei. Auch ließ L. damals den ersten Band einer neuen Sammlung seiner »Vermischten Schriften« erscheinen (1771), der außer kleinern Gedichten auch eine eindringende und scharfsinnige Abhandlung über das Epigramm enthält. Leider gestalteten sich die Lebensverhältnisse

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