Selbstbetrachtungen. Marc Aurel

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Selbstbetrachtungen - Marc  Aurel Kleine philosophische Reihe

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überzeugte mich von der Pflicht der Menschen, sich selbst zu beherrschen, sich durch nichts vom rechten Wege abbringen zu lassen, unter allen Umständen und namentlich in Krankheiten guten Mutes zu bleiben, einen aus Milde und Würde gemischten Charakter sich anzueignen und ohne Murren die vorliegenden Geschäfte zu besorgen. Von ihm selbst glaubte jedermann, er rede, wie er denke, und tue nichts von dem, was er tue, in schlimmer Absicht. Nie ließ er sich von Bewunderung oder Staunen hinreißen, nirgends zeigte er Übereilung oder Saumseligkeit, nie war er ratlos, niedergeschlagen, ausgelassen freundlich oder zornig oder argwöhnisch. Wohltätig, versöhnlich, ein Feind der Lüge, gewährte er das Bild eines edlen Mannes, an dem nichts zu bessern ist. Nie glaubte jemand, von ihm verachtet zu sein, und nie wagte es jemand, sich über ihn zu erheben. Auch im Scherze war er auf Anmut bedacht.

      Das Leben meines Vaters war für mich eine Schule der Milde und doch zugleich auch der unerschütterlichen Beständigkeit in allem, wofür er sich einmal nach reiflicher Erwägung entschieden hatte. Er war unempfindlich gegen jede Eitelkeit auf anscheinende Ehrenbezeigungen, ein Freund der Tätigkeit und unverdrossen darin, hörte er gern gemeinnützige Vorschläge anderer an, ließ sich durch nichts abhalten, jeden nach Verdienst zu behandeln, wusste recht wohl, wo man die Zügel anziehen und wo nachlassen müsse. Von der Knabenliebe entwöhnt, hatte er nur noch Sinn fürs Gemeinwohl; seinen Freunden erließ er den Zwang, immer mit ihm zu speisen oder auf seinen Reisen ihn stets zu begleiten; diejenigen aber, welche dringender Umstände wegen hatten zurückbleiben müssen, fanden ihn bei seiner Rückkehr gleichgestimmt. In seinen Erwägungen prüfte er zuerst gründlich, bestand aber dann auch auf ihrer Ausführung; auch trat er nie vor der Zeit von der Untersuchung zurück, noch begnügte er sich mit den ersten besten Einfällen. Seine Freunde suchte er sich zu erhalten und wurde ihrer weder überdrüssig, noch war er unvernünftig für sie eingenommen. In jeder Lage zufrieden, war er stets heiter; auf die Zukunft nahm er von ferne schon Bedacht und traf ohne viel Aufhebens für die geringsten Dinge Vorkehrungen. Allen Beifall und jede Schmeichelei wies er zurück. Auf die Staatsbedürfnisse war er jederzeit wachsam und haushälterisch beim Ausgeben öffentlicher Gelder, und ließ den Tadel solcher Grundsätze willig über sich ergehen. Um die Gunst der Götter buhlte er ebensowenig auf abergläubische Weise, als um die Gunst der Menschen durch Künste der Gefallsucht oder durch Begünstigung des Pöbels; vielmehr war er in allem nüchtern und fest, nirgends unanständig, noch neuerungssüchtig. Die Güter, welche das Leben angenehm machen und die ihm das Glück in Fülle darbot, benutzte er ebenso fern von Übermut als von Ausflüchten, und genoss daher das Vorhandene ebenso ungesucht, als er das Fehlende nicht vermisste. Niemand konnte von ihm sagen, er sei ein Sophist oder ein Schwätzer oder ein Pedant; vielmehr musste jeder zugestehen, er sei ein Mann von reifem Verstand und großer Vollkommenheit, erhaben über Schmeichelei und gleich geschickt, eigene wie fremde Angelegenheiten zu besorgen. Zudem wusste er den Wert wahrer Freunde der Weisheit zu schätzen, ohne die anderen herabzusetzen oder sich von ihnen verleiten zu lassen. Dabei war er umgänglich und liebte den Scherz, jedoch ohne Übertreibung. So pflegte er auch seines Leibes mit Maßen, nicht wie ein Mensch von zu großer Lebenslust, um ihn herauszuputzen; aber ebensowenig vernachlässigte er ihn, weshalb er bei der ihm eigentümlichen Aufmerksamkeit der Heilkunst mit ihren inneren und äußeren Mitteln sehr selten bedurfte. Insbesondere aber ist an ihm das zu rühmen, dass er Männern, welche in etwas eine vorzügliche Stärke besaßen, wie in der Beredsamkeit, der Gesetzeskunde, der Sittenlehre oder in anderen Fächern, ohne Neid den Vorrang einräumte und ihnen sogar dazu behilflich war, dass jeder nach dem Maße seiner besonderen Geschicklichkeit Anerkennung fand. Obgleich er alles gemäß den Einrichtungen der Vorfahren behandelte, so vermied er doch den Anschein Althergebrachtem anzuhängen. Überdies hielt er sich fern von Wankelmut und Unbeständigkeit und verweilte gern an denselben Orten und bei denselben Geschäften, kehrte auch nach den heftigsten Anfällen von Kopfschmerzen mit verjüngter Kraft alsbald wieder zu seinen gewohnten Arbeiten zurück. Nie hatte er viele Geheimnisse, im Gegenteil sehr wenige und sehr selten, und diese betrafen nur das Gemeinwohl. Im Anordnen öffentlicher Spiele, Bauten, Spenden an das Volk und Ähnlichem zeigte er sich verständig und gemäßigt und als ein Mann, der bei seinem Tun allein die Pflicht, nicht aber den durch Handlungen zu gewinnenden Ruhm im Auge hatte. Er badete nie zur Unzeit, war auch nicht baulustig und ebensowenig auf Leckerbissen, auf Gewebe und Farbe seiner Kleider, als auch Schönheit seiner Sklaven bedacht. Meist trug er Kleider aus dem unteren Landgut Loriu, oder aus Lanubium und nicht ohne sich zu entschuldigen einen Oberrock in Tusculum; und so war sein ganzes Benehmen. Nichts Unfreundliches, noch auch Schamloses, Ungestümes, noch etwas war an ihm zu entdecken, wovon man hätte sagen können: »Es war vom Übermaß«, sondern alles wohl und gleichsam bei guter Muße überlegt, unerschütterlich geordnet, fest und mit sich im Einklang. Und so konnte man denn auf ihn anwenden, was von Sokrates berichtet wird, dass er Dinge zu entbehren und zu genießen gewusst habe, bei deren Entbehrung sich viele schwach und bei deren Genuss sie sich unmäßig verhalten. Dort aber mutig zu ertragen, hier nüchtern zu bleiben, verrät einen Mann von vollendeter und unbesiegbarer Geistesstärke, und in diesem Lichte zeigte er sich während der Krankheit des Maximus.

      Den Göttern verdanke ich es, dass ich rechtschaffene Großväter, rechtschaffene Eltern, eine rechtschaffene Schwester, rechtschaffene Lehrer, rechtschaffene Hausgenossen, Verwandte, Freunde, ja fast durchaus rechtschaffene Menschen um mich gehabt habe, aber auch das, dass ich gegen keinen derselben zu einem Fehltritt durch Übereilung mich verleiten ließ, obgleich ich hierzu die Anlage in mir trug, vermöge deren ich bei gegebenem Anlass etwas dergleichen hätte tun können. Doch die Huld der Götter verhütete das Zusammentreffen von Umständen, wodurch ich überwältigt worden wäre. Ihnen verdanke ich es, dass ich nicht noch länger bei der Geliebten meines Großvaters erzogen ward; dass ich meine Jugendreinheit bewahrte; dass ich nicht vor der Zeit meine Manneskraft verschwendete, sondern sie sogar über die Zeit hinaus aufsparte; dass ich einem Herrn und Vater untergeordnet war, der jeden Keim des Übermutes in mir vertilgen und mich zu der Überzeugung erheben konnte, dass man, ohne Leibwächter, Feiergewänder, Fackeln, Statuen und ähnlichen Aufwand zu bedürfen, am Hofe leben und sich beinahe wie ein Privatmann einschränken könne, ohne deshalb der Würde und dem Ernste in Erfüllung seiner Herrscherpflichten gegen das Gemeinwesen etwas zu vergeben. Den Göttern verdanke ich es auch, dass mir ein Bruder beschieden ward, der durch sein sittliches Benehmen mich zur Sorgfalt für mein Inneres aufmunterte und zugleich durch seine Achtung und Zuneigung mich erfreute; dass mir Kinder geboren wurden, welche geistig nicht unbegabt, körperlich nicht verkrüppelt waren; dass ich in der Rede- und Dichtkunst und in den anderen Wissenschaften keine größeren Fortschritte machte, die mich bei der Wahrnehmung eines glücklichen Fortschreitens vielleicht zu sehr gefesselt haben würden; dass ich unverweilt meine Erzieher zu den Ehrenstellen, welche sie gerade mir zu wünschen schienen, erhoben habe, ohne sie mit der Hoffnung hinzuhalten, ich werde das, weil sie für solche noch zu jung seien, erst in der Folgezeit tun. Auch dafür sei ihnen Dank, dass ich den Apollonius, Rusticus, Maximus kennenlernte; dass ich mich über die Art und Weise eines naturgemäßen Lebens lebhaft und oft in Gedanken beschäftigte; dass von seiten der Götter und der von dorther stammenden Gaben, Hilfeleistungen, Eingebungen nichts mich hinderte, alsbald der Natur gemäß zu leben, wenn ich nicht durch eigene Schuld und durch Nichtbefolgung der göttlichen Mahnungen, fast möchte ich sagen: Offenbarungen, darin zurückbleiben wollte; dass mein Körper bei einer solchen Lebensweise so lange ausdauerte; dass ich weder die Benedicta, noch den Theodotus berührt habe und auch von meinen späteren Liebesfiebern genesen bin; dass ich, obgleich oft ungehalten auf Rusticus, mir doch nichts weiter erlaubt habe, was ich jetzt bereuen müsste; dass meine Mutter, die so jung sterben sollte, doch noch in ihren letzten Jahren mit mir zusammen wohnen durfte; dass, so oft ich einen Armen oder sonst einen Hilfebedürftigen unterstützen wollte, ich nie hören musste, meine Geldmittel gestatteten eine solche Unterstützung nicht, und dass ich selbst nie in die drückende Lage geriet, um von einem anderen etwas annehmen zu müssen. Den Göttern verdanke ich den Besitz einer Gemahlin, die so lenksam, so zärtlich liebend, so einfach ist, ihnen den Reichtum an geeigneten Erziehern für meine Kinder, ihnen endlich, dass ich bei meiner Neigung zur Philosophie keinem Sophisten in die Hände

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