Selbstbetrachtungen. Marc Aurel
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11.
Den hier ausgesprochenen Lebensregeln möge noch eine beigefügt werden: Von jedem Gegenstand, welcher in den Kreis deiner Vorstellungen fällt, bilde dir einen genauen bestimmten Begriff, sodass du denselben nach seiner wirklichen Beschaffenheit unverhüllt, ganz und nach allen seinen Bestandteilen anschaulich erkennen und ihn selbst sowohl als auch die einzelnen Merkmale, aus denen er zusammengesetzt ist und in die er sich wieder zerlegen lässt, mit ihren eigentümlichen Namen zu bezeichnen vermögest. Denn nichts erzeugt in dem Grad hohen Sinn und edle Denkungsart, als die Geschicklichkeit, jeden Gegenstand, der uns im Leben begegnet, nach einer richtigen Methode zu untersuchen und ihn stets von der Seite ins Auge zu fassen, wo es uns zugleich klar wird, in welchem Zusammenhang er steht, welchen Nutzen er gewährt, welchen Wert er für das Ganze, welchen er für den einzelnen Menschen hat, als Bürger jenes höchsten Staates, zu dem sich die übrigen Staaten nur wie die einzelnen Häuser zur ganzen Ortschaft verhalten. Sprich bei dir selbst: Was ist denn das, was jetzt diese Vorstellung in mir erregt? Aus welchen Teilen ist es zusammengesetzt? Wie lange kann es seiner Natur nach bestehen? Welche Tugend muss ich ihm gegenüber geltend machen? Etwa Sanftmut? Mannhaftigkeit? Wahrheitsliebe? Hingebende Einfalt oder Selbstgenügsamkeit oder irgendeine andere Tugend? Daher muss man bei jedem einzelnen Ereignis also sprechen: Dies kommt von Gott, jenes von der durchs Schicksal gefügten Verkettung der Umstände oder auch von einem zufälligen Zusammenfluss von solchen, oder endlich, es rührt von einem Genossen unseres Stammes, Geschlechtes und Umganges her, der jedoch nicht weiß, was für ihn naturgemäß ist. Aber ich kenne den Zusammenhang. Daher behandle ich ihn, wie es das natürliche Gesetz der Gemeinschaft verlangt, wohlwollend und gerecht, nehme jedoch auch in gleichgültigen Dingen auf ihn Rücksicht nach dem wahren Wert derselben.
12.
Wenn du, der gesunden Vernunft folgend, dasjenige, was dir im Augenblick zu tun obliegt, mit Eifer, Kraft, Wohlwollen betreibst und, ohne auf eine Nebensache zu sehen, den Genius in dir rein zu erhalten suchst, als ob du ihn sogleich zurückgeben müsstest: wenn du so mit demselben verbunden bleibst und, ohne etwas zu erwarten oder zu fürchten, dir an der jedesmaligen naturgemäßen Tätigkeit und heldenmütigen Wahrheitsliebe in deinen Reden und Äußerungen genügen lässest, so wirst du ein glückliches Leben führen, und es wird sich niemand finden, der dich daran hindern könnte.
13.
Wie die Ärzte für plötzliche Operationen ihre Werkzeuge und Eisen stets zur Hand haben, so sollst auch du deine Überzeugungen in beständiger Bereitschaft halten, um göttliche und menschliche Dinge richtig anzusehen und, eingedenk des gegenseitigen Zusammenhangs beider, alles und auch das Geringste danach auszurichten. Denn du wirst ebensowenig etwas Menschliches ohne Beziehung auf das Göttliche, als umgekehrt, glücklich zustande bringen.
14.
Treib dich nicht länger unstet umher! Denn du kommst ja doch nicht mehr dazu, deine eigenen Denkwürdigkeiten oder die alten Geschichten der Römer und Griechen oder die Auszüge aus anderen Schriftstellern zu lesen, welche du für dein Alter zurückgelegt hast. Strebe also zum Ziel, gib leere Hoffnungen auf und komm, solange du es noch kannst, dir selber zu Hilfe, wenn du dich selbst einigermaßen lieb hast.
15.
Sie wissen nicht, wie vieldeutig Worte sind, z. B. wie mancher sagt: »ich will doch sehen, was es gibt«, und nicht daran denkt, dass letzteres nicht mit den leiblichen Augen geschieht, sondern einer anderen Sehkraft bedarf.
16.
Leib, Seele, Vernunft – dem Leib gehören die Empfindungen an, der Seele die Triebe, der Vernunft die Grundsätze. Das Vermögen, durch Eindrücke von außen Vorstellungen zu empfangen, besitzen auch unsere Haustiere; durch Triebe mechanisch hin- und hergezerrt zu werden, ist den wilden Tieren und auch jenen Halbmenschen, wie einem Phalaris und Nero, den Gottesleugnern, Vaterlandsverrätern und den Übeltätern hinter verschlossenen Türen gemein. Wenn nun nach dem Gesagten dies und anderes derart allen gemeinschaftlich ist, so bleibt als eigentümlich für den Guten nur das übrig, dass er zu allem, was ihm als Pflicht erscheint, die Vernunft zu seiner Führerin habe, alles, was ihm durch die Verkettung der Geschicke begegnet, mit Liebe umfasse, den im Innern seiner Brust thronenden Genius nicht beflecke, noch durch ein Gewirr von Einbildungen beunruhige, sondern ihm seine Heiterkeit bewahre mit Anstand, wie einem Gotte ihm folge, und ebensowenig etwas rede, was der Wahrheit, als etwas tue, was der Gerechtigkeit widerstreitet. Sollte aber auch alle Welt in sein einfaches, sittsames und wohlgemutes Leben Zweifel setzen, so wird er darüber weder jemand zürnen noch auch von dem Pfade abweichen, welcher zu einem Lebensziel führt, bei dem man rein, ruhig, bereit und mit williger Ergebung in sein Schicksal ankommen muss.
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