Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe). Hans Christian Andersen

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Die schönsten Märchen von Hans Christian Andersen (Illustrierte Ausgabe) - Hans Christian Andersen

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wahr, Du glaubst doch auch, daß ich es behalten werde?« fragte sie. »Der liebe Gott wird es nicht von mir nehmen!«

      Der alte Mann – er war der Tod – nickte so sonderbar, daß es ebenso gut Ja, wie Nein bedeuten konnte. Die Mutter aber schlug die Augen nieder, und Thränen rollten ihr die Wangen herab. – Der Kopf wurde ihr schwer; in drei Tagen und drei Nächten hatte sie kein Auge geschlossen; und nun schlief sie, aber nur eine Minute; dann fuhr sie auf und bebte vor Kälte. Was ist das? fragte sie und sah sich nach allen Seiten um: Aber der alte Mann war fort, und ihr kleines Kind war fort: er hatte es mit sich genommen. Dort in der Ecke schnurrte und surrte die alte Uhr; das schwere Bleigewicht lief bis auf den Fußboden herab – plumps! – da stand die Uhr still.

      Die arme Mutter stürzte zum Hause hinaus und rief nach ihrem Kinde.

      Draußen, mitten im Schnee, saß eine Frau in langen, schwarzen Kleidern und sprach: »Der Tod ist bei Dir in Deiner Stube gewesen; ich sah ihn mit Deinem kleinen Kinde davon eilen; er schreitet schneller als der Wind, und bringt niemals zurück, was er genommen hat!«

      »Sage mir blos, welchen Weg er gegangen ist!« sagte die Mutter. »Sage mir den Weg, und ich werde ihn finden.«

      »Ich kenne ihn,« sagte die Frau in den schwarzen Kleidern; »aber bevor ich ihn Dir sage, mußt Du mir erst alle die Lieder vorsingen, die Du Deinem Kinde vorgesungen hast. Ich liebe diese Lieder; ich habe sie früher gehört; ich bin die Nacht und sah Deine Thränen, als Du sie sangst.«

      »Ich will sie alle, alle singen!« sagte die Mutter. »Aber halte mich nicht auf, damit ich ihn einholen, damit ich mein Kind wiederfinden kann!«

      Aber die Nacht saß stumm und still. Da rang die Mutter die Hände, sang und weinte. Und es gab viele Lieder, aber noch mehr Thränen! Dann sagte die Nacht: »Geh' rechts in den düstern Fichtenwald hinein; dahin sah ich den Tod mit dem kleinen Kinde den Weg nehmen.«

      Tief drinnen im Walde kreuzte sich der Weg, und sie wußte nicht mehr, welche Richtung sie einschlagen sollte. Da stand ein Schwarzdornbusch, der hatte weder Blätter noch Blumen; aber es war ja auch um die kalte Winterzeit, und Eiszapfen hingen an den Zweigen.

      »Hast Du den Tod mit meinem kleinen Kinde vorbeigehen sehen?«

      »Ja!« sagte der Schwarzdornbusch; »aber ich sage Dir nicht, welchen Weg er genommen hat, wenn Du mich nicht zuvor an Deinem Busen erwärmen willst! Ich friere hier todt, ich werde zu lauter Eis!«

      Und sie drückte den Schwarzdornbusch fest an ihre Brust, damit er recht aufthauen könne. Die Dornen drangen in ihr Fleisch ein und ihr Blut floß in großen Tropfen. Aber der Schwarzdornbusch schoß frische, grüne Blätter und bekam Blüthen in der kalten Winternacht; so warm ist es an dem Herzen einer betrübten Mutter! Der Schwarzdornbusch sagte ihr darauf den Weg, den sie gehen sollte.

      Da kam sie an einen großen See, auf dem sich weder Schiff noch Kahn befand. Der See war nicht genug gefroren, um sie tragen, und auch nicht offen und flach genug, um durchwatet werden zu können – und doch mußte sie über denselben, wollte sie ihr Kind finden. Da legte sie sich nieder, um den See auszutrinken; das war ja unmöglich für einen Menschen. Aber die betrübte Mutter dachte, daß vielleicht ein Wunder geschehen könnte.

      »Nein, das wird niemals gehen!« sagte der See. »Laß uns Beide lieber sehen, daß wir einig werden! Ich liebe es, Perlen zu sammeln, und Deine Augen sind zwei der klarsten, die ich je gesehen: willst Du sie in mich ausweinen, dann will ich Dich nach dem großen Treibhause hinüber tragen, wo der Tod wohnt und Blumen und Bäume pflegt; jeder von diesen ist ein Menschenleben.«

      »O, was gebe ich nicht, um zu meinem Kinde zu kommen!« sagte die verweinte Mutter. Sie weinte noch mehr, und ihre Augen fielen auf den Grund des Sees hinab und wurden zwei kostbare Perlen. Aber der See hob sie in die Höhe, als säße sie in einer Schaukel, und in einer Schwingung flog sie an das jenseitige Ufer, wo ein meilenlanges wunderbares Haus stand. Man wußte nicht, ob es ein Berg mit Wäldern und Höhlen, oder ob es gezimmert war. Aber die arme Mutter konnte es nicht sehen: sie hatte ja ihre Augen ausgeweint.

      »Wo werde ich den Tod finden, der mit meinem kleinen Kinde davon ging?« fragte sie.

      »Hier ist er noch nicht angekommen!« sagte ein altes graues Weib, das dort umherging und auf das Treibhaus des Todes Achtung geben mußte. »Wie hast Du Dich denn hierher gefunden, und wer hat Dir geholfen?«

      »Der liebe Gott hat mir geholfen!« antwortete sie. »Er ist barmherzig, und das wirst Du auch sein. Wo werde ich mein kleines Kind finden?«

      »Ich kenne es nicht,« sagte das alte Weib, »und Du kannst ja nicht sehen! – Viele Blumen und Bäume sind diese Nacht verwelkt, der Tod wird bald kommen, um sie umzupflanzen. Du weißt es wohl, daß jeder Mensch seinen Lebensbaum oder seine Lebensblume hat, wie gerade ein jeder eingerichtet ist. Sie sehen aus, wie andere Gewächse, aber ihre Herzen schlagen. Kinderherzen können auch schlagen! Darnach richte Dich, vielleicht erkennst Du den Herzschlag Deines Kindes. Aber was giebst Du mir, wenn ich Dir sage, was Du noch mehr thun mußt?«

      »Ich habe nichts zu geben,« sagte die betrübte Mutter. »Aber ich will für Dich bis ans Ende der Welt gehen.«

      »Da habe ich nichts zu besorgen,« sagte das alte Weib; »aber Du kannst mir Dein langes, schwarzes Haar geben; Du weißt wohl selbst, daß es schon ist; das gefällt mir! Du kannst mein weißes dafür bekommen; das ist doch immer etwas!«

      »Verlangst Du weiter nichts!« sagte sie. »Das gebe ich Dir mit. Freuden!« Und sie gab ihr ihr schönes Haar und erhielt dafür das schneeweiße des alten Weibes.

      Dann gingen sie in das große Treibhaus des Todes, wo Blumen und Bäume wunderbar durcheinander wuchsen. Da standen seine Hyacinthen unter Glasglocken, und große, baumstarke Pfingstrosen. Da wuchsen Wasserpflanzen, einige ganz frisch, andere halb krank; Wasserschlangen legten sich auf sie, und schwarze Krebse klemmten sich am Stengel fest. Da standen prächtige Palmenbäume, Eichen und Platanen, Petersilie und blühender Thymian. Alle Bäume und Blumen hatten ihre Namen; sie waren Jeder ein Menschenleben; die Menschen lebten noch, der eine in China, der andere in Grönland, rund umher in der Welt. Da waren große Bäume in kleinen Töpfen, sodaß sie beengt dastanden und nahe daran waren, den Topf zu sprengen; es war auch manche kleine schwächliche Blume da in fetter Erde, mit Moos ringsum, und gewartet und gepflegt. Aber die betrübte Mutter beugte sich über alle die kleinsten Pflanzen hin, sie hörte in jeder das Menschenherz schlagen, und aus Millionen erkannte sie das ihres Kindes heraus.

      »Da ist es!« rief sie und streckte die Hand über eine kleine Krokusblume aus, die krank nach einer Seite hinüber hing.

      »Rühre die Blume nicht an!« sagte das alte Weib. »Aber stelle Dich hierher, und wenn dann der Tod kommt – ich erwarte ihn jeden Augenblick – da laß ihn die Pflanze nicht herausreißen, sondern drohe ihm, daß Du dasselbe mit den andern Blumen thun würdest: dann wird ihm bange! Er muß dem lieben Gotte dafür einstehen; keine darf herausgerissen werden, bevor der die Erlaubniß dazu giebt!«

      Da sauste es mit einem Male eiskalt durch den Saal, und die blinde Mutter fühlte, daß es der Tod war, der nun ankam.

      »Wie hast Du den Weg hierher finden können?« fragte er. »Wie hast Du schneller hierher kommen können, wie ich?«

      »Ich bin eine Mutter!« antwortete sie.

      Der Tod streckte seine lange Hand nach der kleinen feinen Blume aus; aber sie hielt ihre Hände fest um dieselbe, hielt sie dicht umschlossen, und dennoch voll ängstlicher Sorgfalt, daß sie keins der Blätter

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