Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt

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Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman - Leni Behrendt Leni Behrendt Staffel

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mein einfältiges Gemüt nicht fassen.«

      Behutsam, als ob sie ein Heiligtum berührte, hob sie die Geige aus dem weichen Samt und reichte sie dem Mädchen hin, das dieses Kleinod ebenso behutsam entgegennahm. Um den Mund zuckte es wie verhaltenes Weinen, als Silje das Kinn an das glatte Holz legte, den Bogen ergriff und ihn leicht und federnd über die Saiten führte. Zuerst klang das Spiel noch unsicher und verworren, doch allmählich kristallisierte es sich zu klaren, weichen Tönen.

      »Leise flehen meine Lieder –«, klang die unvergessene Weise Schuberts süß durch das Gemach, und Philchen lauschte wie gebannt. Sie hinderte die Tränen nicht, die ihr über die Wangen liefen, in großen, glitzernden Tropfen.

      Die Erinnerung kam. Greifbar nahe sah Philchen den strahlend schönen Jüngling Thomas vor sich, der diese Weise so oft und gern spielte – diese Weise, die auch Philchen in ihrer Jugendblütezeit erklungen war, von Meisterhand hervorgezaubert. Denn auch er war ein Geiger gewesen, den sie mit achtzehn Jahren so schwärmerisch liebte – und der diese Liebe lachend abtat, um in die Welt hinauszustürmen und dort Ruhm zu erringen.

      Wie lange war das her? Vierundvierzig Jahre. Doch dem erschüttert lauschenden Philchen kam es vor, als wäre es gestern gewesen.

      Und dann hatte der Neffe Thomas wieder diese Weise gespielt und damit das Herz der Tante gewonnen. Sie war ihrem Zwillingsbruder Philipp bitter gram, daß er das Talent seines ältesten Sohnes nicht anerkennen, ihn durchaus zwischen Ziegel und Zement zwingen wollte. Aber Thomas ließ sich nicht halten. Genauso wenig, wie der andere sich von der Liebe des Jungfräuleins Philchen halten ließ.

      Und auch Thomas war in die Welt hinausgestürmt – um auch, wie der andere, zu verderben und zu sterben? Wohl nicht ganz. Denn Thomas Brecht war immerhin sechsunddreißig Jahre alt geworden, hatte Ruhm errungen, hatte Liebe gegeben und genommen, ehe die Götter ihn abriefen in ihr Reich.

      Philchen schreckte aus ihrer schmerzlichen Vergangenheit auf, als das herrliche Spiel verklang. Wie hilflos stand es da, das zweiundsechzigjährige Fräulein, das in seiner Jugend alle anderen Männer, die sich ihm werbend nahten, ausschlug um des einen willen…

      Ganz langsam, Schritt für Schritt, näherte sie sich dem Bett, von dem aus die junge Silje ihr mit bangen Augen entgegensah. Zart legten sich die weichen Mädchenarme um den Hals der Alternden, und eine tränenerstickte Stimme fragte: »Habe ich dir mit meinem Spiel wehgetan, du liebes Tantchen?«

      »Ach was, wohlgetan hast du mir!« polterte das resolute Philchen noch den letzten Rest von Wehmut fort. »Du kannst was, Mädelchen. Schule von deinem Paps?«

      »Ja. Er wollte eine Künstlerin aus mir machen, aber leider reichte mein Können dafür nicht aus.«

      »Ein Glück, daß die Kunst dich nicht unterjochen konnte. Es lebt sich ohne diesen Wahnwitz entschieden ruhiger und besser, mein Kind. Laß dich womöglich nicht doch noch in diese Klauen kriegen!«

      »Keine Angst!« lachte Silje. »So kunstbesessen bin ich nicht. Mir genügt schon das, was ich kann.«

      »Und das ist gewiß nicht wenig, Herzchen. Wenn das Eike wüßte, wie wunderbar du Geige spielen kannst, er würde vor Neid erblassen.«

      »Wer ist denn Eike?« fragte Silje neugierig, und Philchen lachte.

      »Ach so, den kennst du ja noch nicht. Eike ist der jüngere Bruder deines Paps, der auch wie dieser von Euterpe geküßt ist, wie es so schön heißt. Doch nur fürs Klavier, zur Geige langt der Kuß nicht. Aber das treibt er nur so nebenbei. Seine Hauptbeschäftigung gilt den Ziegeln und dem Zement.«

      »Komische Zusammensetzung!« lachte Silje fröhlich, und Philchen sah sie erstaunt an. »Wieso? Ziegel und Zement vertragen sich doch gut.«

      »Aber nur als Bausteine – nicht als Anhänger der Muse.«

      »Mädchen, du bist mir zu spitzfindig. Laß ab von den Musen, sag mir lieber, was du essen willst.«

      »Schon wieder mal? Ich komm mir ohnehin schon wie genudelt vor.«

      »Wenn übertreiben – denn richtig. Vorläufig kann von Nudeln noch gar keine Rede sein.«

      »Sag mal, Tante Philchen, wie lange gedenkst du mich eigentlich noch im Bett zu halten?«

      »Bis du kräftig genug bist, um fest auf deinen jetzt noch zitternden Beinchen zu stehen. Solange bleibst du in diesem Gewahrsam.«

      »Och, so übel ist das auch nicht«, streckte Silje sich wohlig im Bett. »Tante Phileleinchen, wie schön ist es doch, daß es dich gibt!«

      »Darüber freu’ ich mich auch immer«, kam die Antwort so trocken, daß Silje sich vor Lachen ausschütten wollte. Mit versteckter Rührung sah Philchen in das jetzt so strahlende Gesicht des jungen Menschenkindes, das der Bruder ihr erst vor einigen Tagen so warm ans Herz gelegt hatte.

      Nun, er konnte mit ihr zufrieden sein, denn ihre Betreuung hatte Wunder gewirkt.

      *

      Eine Woche insgesamt dauerte die »Haft« Siljes, doch dann ließ sie sich nicht mehr länger darin halten. Sie drängte hinaus voll Ungeduld.

      »Na schön, steh auf«, gab Philchen nach. »Aber wehe, wenn du schlapp machst, dann kennt mein Zorn keine Grenzen!«

      Allein Silje machte durchaus nicht schlapp. Sie fühlte sich im Gegenteil so gekräftigt, daß Philchen sich entschloß, ihren Schützling jetzt endlich mit nach unten zu nehmen. Wohlweislich verschwieg sie dem Mädchen, was es erwartete. Ganz ohne Vorurteil sollte es in den Kreis derer treten, zu denen es fortan gehören sollte.

      Also trat Silje Berledes am Sonntagvormittag in das Wohngemach, in dem die Familie Hadebrecht versammelt war.

      Es herrschte an diesem Novembertag ein fahles Licht in dem weiten Raum. Aber schien es nicht plötzlich heller zu werden, als das fremde Mädchen auftauchte? Woran mochte das liegen? An dem zartfarbenen Kleid, den leuchtend blauen Augen, dem lichtbraunen Haar über das Goldfunken gestreut zu sein schienen? Es mußte wohl so sein. Denn die Miene Siljes war gewiß nicht strahlend. Es lag im Gegenteil etwas stolz Abweisendes auf dem jungen Antlitz, das noch immer ein wenig blaß war.

      Hier bringe ich euch meinen bisher so streng behüteten Schatz«, sprach Philchen munter in die beklemmende Stille hinein. Die Herren erhoben sich von ihrem Sitz und schauten ebenso gespannt wie die anderen auf Silje, die zögernd auf die Frau des Hauses zuging.

      »Willkommen bei uns!« bemühte sich die Dame einen herzlichen Ton anzuschlagen, was jedoch nicht ganz gelang. Denn sie war durch die Erscheinung des Mädchens so überrascht, ja, geradezu befremdet. Sie hatte ein kümmerliches und hilfloses ­Wesen erwartet – und nicht eine solche Schönheit mit dem selbstsicheren Auftreten und der stolzen Abwehr.

      »Danke…«, entgegnete Silje leise wäh­­rend sie sich artig über die feine Frauenhand neigte. Die Bewegung hatte etwas Zwangloses und Natürliches, wie es nur junge Mädchen haben können, die sich von Kindheit an in der besten Gesellschaft bewegten.

      »Der Anfang wäre ja nun mit der Frau des Hauses gemacht«, bemerkte Philchen trocken. »Nun weiter, mein Herz. Das ist meine Nichte, Frau Grotner, dies die Frau meines Neffen, hier er selber – na, und den Herrn vom Ganzen kennst du ja schon. Und nachdem nun alles geklärt ist, wollen wir uns gemütlich hinsetzen.«

      Damit drückte sie Silje in einen der tiefen

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