Rache@. Antje Szillat

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Rache@ - Antje Szillat страница 4

Rache@ - Antje Szillat

Скачать книгу

      Er verdrehte bedeutungsvoll die Augen und gab Ben mit dem Kopf ein Zeichen, ihm in den Keller des Mehrfamilienhauses zu folgen.

      Im Keller wurden sie von einer feuchten Kälte empfangen. Ben fröstelte. Es roch stark nach modrigen Kartoffeln und Fahrradschmiere. Einige Räder standen in zwei gegenüberliegenden Reihen in den dafür vorgesehenen Ständern. Die helle Farbe an den Wänden war an vielen Stellen abgesprungen. Der Fußboden war rissig und ziemlich dreckig. Mehrere zerfledderte Werbeblätter lagen herum. Nicht gerade das beste Haus, in dem man wohnen konnte, fuhr es Ben durch den Kopf. Im nächsten Moment kam er sich deswegen äußerst mies vor.

      Nur weil er mit seinen Eltern in einem schicken Einfamilienhaus wohnte, hatte er noch lange nicht das Recht, schlecht über Marcels Wohnsituation zu denken. Außerdem hatte Marcel ihm ja erzählt, wie es dazu gekommen war.

      „Das kann verdammt schnell gehen, Alter. An einem Tag stehst du noch auf der Sonnenseite und am nächsten liegst du schon mitten im schlimmsten Dreck.“ Seine Stimme klang sehr bitter.

      „Ich habe echt nicht gedacht, dass wir nach dem Tod meines Vaters aus unserem Haus raus müssten. Mein Alter war immer so ein Überkorrekter, dachte ich jedenfalls. Da hätte man doch eigentlich auch erwarten können, dass der seine Familie für so ‘nen Fall absichert.“

      Er spielte den Lässigen. Aber Ben konnte ihm trotzdem ansehen, wie schwer er an seinen eigenen Worten schlucken musste.

      „Warum hat er das nicht getan?“, fragte Ben nur, um überhaupt was zu sagen.

      Die Frage überraschte Marcel anscheinend. Er dachte einen Moment angestrengt darüber nach, bevor er mit zusammengebissenen Zähnen zischte: „Keine Ahnung. Weil er sich wohl für unsterblich gehalten hat.“ Marcel atmete scharf ein, bevor er weitersprach. „Er war wohl schlicht der Typ, der sich über so etwas keine Gedanken gemacht hat. Nach mir die Sintflut, oder so ähnlich. Hat er ja schließlich schon mal ...“ Er stockte. Fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und durch die Haare. Für einen Moment wirkte er weich und verletzlich. Doch genauso schnell, wie der Moment gekommen war, war er auch schon wieder vorbei. „Was für ein Idiot. Lässt uns einfach sitzen. Völlig ohne Kohle“, regte er sich auf. „Na ja, wenigstens habe ich seinen PC geerbt. Und die neue Spielekonsole.“ Marcels Stimme war laut und hart geworden, als ob er mit der Lautstärke und Härte seiner Worte ihre Richtigkeit erzwingen könnte.

      „Der Tod meines Vaters macht mir nichts aus! Absolut gar nichts!“

      Doch seine Augen, sein Gesichtsausdruck, seine ganze Körperhaltung sagten etwas ganz anderes darüber aus, wie es tief in ihm drinnen aussah.

      Das alles wusste Ben über Marcel und schämte sich deshalb seiner überheblichen Gedanken.

      Sie schleppten die Räder die Kellertreppe hoch und radelten los. Seite an Seite fuhren sie auf dem schmalen Radweg entlang der Landstraße, die in den Nachbarort führte.

      „Wir schreiben morgen Bio. Hat die Müller heute angekündigt.“

      „Ich glaube nicht, dass ich in die Schule komme. Meine Mutter hat es diesmal echt schwer erwischt“, sagte Marcel und starrte stur geradeaus.

      Ben sah ihn von der Seite an. Seine Wangenknochen arbeiteten. Daran erkannte er, wie angespannt Marcel war.

      „Wie lange soll das denn noch so weitergehen?“, wagte er einen vorsichtigen Versuch.

      Marcel reagierte, wie er immer bei diesem Thema reagierte. „Das geht dich nichts an. Klar?“ Seine Stimme klang hart – und doch irgendwie traurig.

      Er trat noch heftiger in die Pedale, sodass Ben ein Stückchen hinter ihn zurückfiel. Erst kurz vor der Apotheke gelang es ihm Marcel wieder einzuholen. Die letzten Meter fuhren sie schweigend, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, nebeneinander her.

      Vor der Apotheke beendete Marcel das Schweigen. „Weißt du eigentlich, wem der Laden hier gehört?“, fragte er und grinste Ben an.

      Ben schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Irgendeinem Pillendreher eben.“

      „Das solltest du aber wissen.“ Marcel tat geheimnisvoll.

      „Und warum?“

      Marcel antwortete nicht gleich. Stellte sein Rad in den Ständer und forderte Ben auf, es ihm nachzutun.

      „Warum sollte es mich denn interessieren, wem diese Apotheke hier gehört?“ Ben war nun wirklich neugierig.

      „Das wirst du gleich sehen. Komm mit rein.“

      Marcel drückte den Notdienstknopf und wartete. Ein paar Sekunden später kam eine blonde Frau aus einem der hinteren Räume in den Innenraum der Apotheke geeilt. Im Gehen zog sie sich ihren weißen Kittel über. Als sie Marcel durch die Glasscheibe erkannte, erschien ein feines Lächeln auf ihren Lippen und sie schloss die Tür auf.

      „Ach, hallo Marcel. Lange nicht gesehen. Kommt rein.“

      Sie hielt ihnen die Tür auf und verschloss sie wieder, nachdem die beiden Jungs eingetreten waren. Den Schlüssel ließ sie im Schloss stecken.

      „Und, was kann ich für dich tun?“, fragte sie Marcel und ging hinter den Tresen.

      „Meiner Mutter geht es nicht so gut. Sie hat schon ein paar Tage echt übel mit ihrer Migräne zu kämpfen.“

      „Verstehe“, sagte die Apothekerin, warf Marcel einen wissenden Blick zu und verschwand für einen kurzen Moment zwischen den Regalen hinter dem Verkaufstresen.

      Ben starrte Marcel an und verstand überhaupt nichts mehr. Migräne? Seit Tagen? Und dann dieser sonderbare Blick, den die Apothekerin Marcel zugeworfen hatte. Die Apotheke lag fast fünf Kilometer von der, die sich ganz in der Nähe von Marcels Wohnung befand, entfernt. Da war es doch mehr als verwunderlich, dass er jedes Mal hierher fuhr, wenn er etwas aus der Apotheke benötigte.

      Er kannte Marcel zwar schon eine ganze Weile. Dennoch hatte er immer wieder das Gefühl, im Grunde nichts über ihn zu wissen.

      Die Apothekerin riss Ben aus seinen Gedanken. Sie trat wieder hinter den Tresen und reichte Marcel eine Packung Tabletten.

      „Was macht das?“, fragte Marcel, nachdem er sich bei ihr bedankt hatte.

      „Ist schon okay. Sende deiner Mutter einen lieben Gruß von mir.“

      Erneut dieser komische Blick. Ben hätte echt gerne gewusst, was da gerade zwischen der Apothekerin und Marcel ablief.

      „Und – in der Schule alles gut?“ Sie strich sich mit einer langsamen Bewegung eine lange Haarsträhne aus der Stirn und klemmte sie hinter ihr Ohr.

      „Mit mir schon ...“, sagte er gedehnt und mit einem sonderbaren Unterton. Plötzlich wirkte die Apothekerin wie alarmiert. Ihre Stimme klang schrill und aufgeregt, als sie Marcel fragte: „Ist was mit Johannes?“

      „Hat er mal wieder nix erzählt?“ Marcel spielte den Überraschten. „Sicher schämt er sich. Ich habe ihm sogar angeboten, mit ihm zu Frau Schnuppe-Keller zu gehen. Aber er hat abgelehnt. Meinte, dass er mit dir sprechen und du die Sache dann klären würdest.“

      Du? Warum duzte Marcel die Frau?

      Marcel

Скачать книгу