Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert Haensel
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Читать онлайн книгу Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania - Hubert Haensel страница 7
»Lesly Pounder!«, rief er. »Der Flight Director der NASA. Das mit der NOVA-Rakete war seine Idee!«
Pounder gab eine Pressekonferenz, erklärte Journalisten das Wie und Warum der Mission. Seine Stimme wurde aus einem Saal übertragen, der sich irgendwo in dem Gewirr von Zweckbauten befinden musste, das sich am jenseitigen Ende des Startfelds anschloss. Vielleicht in der spitzen Nadel des vierzigstöckigen Kontrollturms, der aus dem Gewirr herausstach?
John Marshall behagte die Stimme nicht. In seinem früheren Leben, bevor er den Shelter gegründet hatte, war er Investmentbanker gewesen. Er hatte seine Tage damit verbracht, vor Displays zu kauern und Gelder hin- und herzuschieben, abstrakt erscheinende Zahlenkolonnen, die tatsächlich Menschenschicksale bedeuteten. Die übrige Zeit hatte er in Konferenzen verbracht, in denen man ihm von todsicheren Investments erzählt hatte, die sich zumeist als Spekulationsblasen entpuppt hatten.
Dieser Pounder log. Er verschwieg den eigentlichen Kern des Flugs. Marshall war sich sicher. Er hatte von jeher ein unheimlich anmutendes Gespür für Lügen gehabt.
Pounder stellte die Mannschaft der STARDUST vor, begann mit dem Kommandanten.
»Perry Rhodan, der Sofortumschalter!«, japste Sid. »Weißt du, wieso man ihn so nennt?«
Natürlich wusste Marshall es nach der langen Fahrt. Aber er spielte für Sid den Unwissenden. Es tat gut, zu erleben, wie der Junge aus sich herausging. »Nein, wieso?«, fragte er.
»Er hat das Lunar Shuttle gerettet! Vor ein paar Jahren. Alle Systeme hatten ausgesetzt und ...« Sid fuchtelte mit den Armen, spielte das atemberaubende Manöver nach, mit dem Rhodan das Fahrzeug und sein eigenes Leben gerettet hatte. Der verbeulte Pod diente dem Jungen dabei als Shuttle. »Rhodan ist ein Held!«, schloss er schließlich, nachdem der Pod sanft auf einer Zuschauerbank aufgekommen war. »Niemand sonst hätte das Shuttle retten können!«
Ein Held ...?
Marshall sah zu dem Display, musterte die vier Astronauten. Sie lächelten. Es war ein aufgesetztes Lächeln, wirkte gezwungen. Doch da war noch mehr. In den Gesichtern las Marshall Entschlossenheit, Anspannung, aber auch Abenteuerlust. Helden? Marshall zweifelte nicht daran, dass sie nur die besten Absichten verfolgten, dass sie in ihrem Feld die Besten der Besten waren.
Und genau das wollte sich Marshall nicht erschließen.
Wieso gaben sich Menschen von diesem Format mit einem offensichtlich sinnlosen Unternehmen wie der Raumfahrt ab?
Zugegeben, es brauchte gehörigen Mut, in ein Raumschiff zu steigen, das an die Spitze einer Rakete montiert war, die im Grunde genommen nichts anderes als einen riesigen Treibstofftank darstellte, der beim kleinsten Defekt zu explodieren drohte – und diese Drohung wahrzumachen pflegte. Deutlich mehr Mut, gestand sich Marshall unumwunden ein, als er selbst aufgebracht hätte.
Doch wozu taugte dieser Mut?
»... stell dir vor, John, was es bedeutet, wenn die Rettungsmission gelingt?«, fragte in diesem Moment Sid, als hätte er seine Gedanken erraten. »Alle Welt wird die Heldentat der STARDUST bewundern. Der Kongress wird endlich wieder ausreichend Mittel für die Raumfahrt freigeben. Die NASA kann ihre Pläne verwirklichen. Menschen können zu unseren Lebzeiten zum Mars fliegen – und noch weiter!«
Der Junge redete, als wäre er in der Marketingabteilung der Weltraumbehörde angestellt. John erwiderte nichts. Möglich, dass Menschen bald zum Mars flogen. John bezweifelte es. Und selbst wenn es geschehen würde, blieb die Frage: wozu?
Dort draußen gab es nur Vakuum, totes Gestein und – auf manchen Planeten – tödliche Gase. Der Mensch war nicht für den Weltraum geschaffen. Die Erde war die Heimat der Menschheit, würde es immer bleiben. Und es war ihre Pflicht, nach ihrer Heimat zu sehen. Sie mussten es. Oder die Menschheit würde nicht überleben.
Marshall musterte die Gesichter der Astronauten, konzentrierte sich auf Perry Rhodan. Was mochte in diesem Mann vorgehen? Musste er nicht Zweifel an ihrer Mission hegen?
Die STARDUST sollte zum Mond fliegen und nach Armstrong Base sehen. Der Funkkontakt zu der Basis war abgebrochen. Das Schicksal von 18 Männern und Frauen stand auf dem Spiel. Möglicherweise waren sie längst tot, mit Sicherheit in Not. Sie zu retten war ein Unterfangen, das »das Gute im Menschen bewies«, wie Pounders knarrende Stimme in diesem Moment verkündete.
Das mochte zutreffen. Aber bewies es auch die Intelligenz des Menschen?
Sid hatte ihm im Bus die winzigste Einzelheit der bevorstehenden Mission mitgeteilt. Zahlen, Maße, Superlative. Marshall hatte sie beinahe im selben Moment vergessen, in dem er sie gehört hatte. Bis auf eine: 3,5 Milliarden Dollar. So hoch waren die geschätzten Kosten für den Flug der STARDUST. Knapp 200 Millionen Dollar pro Leben, das ihre Mission im besten Falle retten würde.
Wie viele Leben hätte man auf der Erde mit dieser Summe retten können?
Der Shelter, den Marshall begründet hatte, gab einunddreißig Kindern eine Heimat. Für mehr reichten die Dividenden der Stiftung nicht, die er von seinen Boni als Investmentbanker gegründet hatte. Einunddreißig von mehreren Tausend, die sich elternlos auf den Straßen von Greater Houston durchschlugen. Überließ man die Straßenkinder sich selbst, war ihre Existenz kurz und hässlich.
Half man den Kindern, gab man ihnen nur die faire Chance, die jeder Mensch verdiente, konnten sie Wunder wirken. Marshall glaubte fest daran.
Die Astronauten erreichten den Startturm. Stählerne Greifer wuchsen in regelmäßigen Abständen aus dem Gerüst, stützten die Rakete, in deren Spitze Rhodan und seine Kameraden in den Himmel reiten wollten. Die Rakete war eine NOVA. Sid hatte ihm alles darüber erzählt. Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das auf Konzepten aus den Sechzigern des letzten Jahrhunderts beruhte. Einer Ära, in der die Reise zu den Planeten des Sonnensystems nur eine Frage der Zeit erschienen war. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die NOVA das Budget der NASA auffraß und in sieben von zehn Fällen explodierte, bevor sie den Weltraum erreichte.
Marshall mutete sie wie ein rauchendes, fauchendes Monstrum aus ferner Vergangenheit an.
Die Astronauten bestiegen den Lift des Startturms. Langsam kroch die Kabine den Turm hinauf.
»John, gleich geht es los! Sieh nur, es geht los! Gleich ist der Start!«
Sid hüpfte vor Aufregung. Die Sonne spielte auf den Chromstreifen, die der Junge an seiner Jacke befestigt hatte, damit sie mehr nach Astronaut aussah. Ein Notbehelf. Sid hatte sich im Shelter einen kompletten Raumanzug geschneidert und hatte ihn mit nach Nevada Fields nehmen wollen. Marshall hatte es ihm verboten. Die ganze Angelegenheit war lächerlich genug ohne Raumanzugkostüm.
Die Sonne funkelte auf den Chromstreifen und ...
... und neben Sid. Als stieben Funken aus ihm heraus.
Marshall ruckte herum, musterte den Jungen. Sid bemerkte es nicht, seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Lift. Da waren keine Funken. Unsinn!, sagte er sich. Pure Einbildung! Du bist müde und überreizt und am letzten Ort, wo du es aushältst: unter Tausenden von Menschen!
»Spark« nannten die anderen Kinder Sid: »Funke«. Um ihn aufzuziehen, weil er so dick und langsam und ungeschickt, so anders war, hatte Marshall lange geglaubt. Bis ihm Sue eines Tages gesagt hatte, was wirklich hinter dem Spitznamen steckte: Sid schlug Funken, hatte Sue behauptet, nur manchmal, nur einen Moment lang. Man musste ihn richtig ärgern, ihn richtig wütend machen, dann geschah es.