Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth страница 55
FRANZ
Ich auch nicht.
SLADEK
Das weiß ich. Aber du hast da einen Denkfehler. Lach mich nicht aus, bitte.
FRANZ
Ich lach nicht.
SLADEK
Du denkst nämlich immer daran, das ganze Menschengeschlecht zu beglücken. Aber das wird es nie geben, weil doch zu guter Letzt nur ich da bin. Es gibt ja nur mich. Mich, den Sladek. Das Menschengeschlecht liebt ja nicht den Sladek. Und wie es um den Sladek steht, so geht es den Völkern. Es liebt uns zur Zeit niemand. Es gibt auch keine Liebe. Wir sind verhaßt. Allein.
FRANZ
Was verstehst du unter dem Wir?
SLADEK
Das Vaterland.
FRANZ
Was verstehst du unter Vaterland?
SLADEK
Zu guter Letzt mich. Das Vaterland ist das Land, wo man hingeboren wird und dann nicht heraus kann, weil man die anderen Sprachen nicht versteht. Nämlich alle Theorien über den sogenannten Marxismus, die kommen für mich heut nicht in Betracht, weil ich selbständig denken kann.
FRANZ
spöttisch: Du denkst zu selbständig.
SLADEK
Man muß. Man muß. Es kann ja sein, daß mal wieder alle armen Leut gegen die Reichen ziehen, aber das ist, glaub ich, aus. Sie haben ja die Roten erschlagen. Viele Rote. Ich war nämlich bei Spartakus. Nur im Geist, aus besonderen Gründen. Damals hab ich ein Lied gehört, daß das Herz links schlägt, aber es gibt ja kein Herz, es gibt nur einen Muskelapparat. Bist du für diese Republik?
FRANZ
Das ist noch keine Republik, das wird erst eine.
SLADEK
Das ist nichts und wird nichts, weil es nämlich auf einer Lüge aufgebaut ist.
FRANZ
Auf was für einer Lüge?
SLADEK
Daß es eine Versöhnung gibt.
FRANZ
Wenn es keine Versöhnung gäbe, so müßte man sie erfinden.
SLADEK
lächelt: Du bist nicht dumm.
FRANZ
Wieso?
Stille.
Ich lüge nie.
SLADEK
In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht.
FRANZ
Heute ist allerdings die ganze Welt voll Blut und Dreck.
SLADEK
Ich denk nicht an morgen. Ich leb ja vielleicht nur heut. Heut sind alle Staaten gegen uns. Sie besetzen unser Land, drücken uns zusammen. Weil wir wehrlos sind, das ist dann immer so. Es würde nichts schaden, wenn noch einige Millionen fallen würden, wir sind nämlich zu viel. Wir haben keinen Platz. Wir verbreiten uns, als hätts keinen Weltkrieg gegeben. Es wird bald alles eine Stadt, das ganze deutsche Reich. Wir brauchen unsere Kolonien wieder, Asien, Afrika – wir sind wirklich zuviel. Schad, daß der Krieg aus ist!
FRANZ
Du wagst es zu bedauern, daß der Krieg aus ist?
SLADEK
Ja. Ich wags.
FRANZ
Bist du ein Mensch?
SLADEK
Ich bin ein Mensch, es ist aber immer Krieg.
FRANZ
Es gibt auch Frieden.
SLADEK
Ich erinner mich nicht daran.
FRANZ
So tust du mir leid.
SLADEK
Jetzt lügst du.
FRANZ
Zu blöd.
SLADEK
Ich hab nämlich keine Angst vor der Wahrheit.
FRANZ
Warst du Soldat?
SLADEK
Nein. Als der Krieg ausbrach, war ich zwölf Jahre alt. Ich seh nur älter aus.
FRANZ
Du gehörst verboten.
SLADEK
Daß ich mal verboten werd, ist schon möglich. Weil ich zuviel weiß.
Stille.
FRANZ
Kennst du die schwarze Armee?
SLADEK
Das darf man nicht sagen!
FRANZ
Aha! Warum? Sladek schweigt. Ich habe gehört, daß sich draußen auf den Feldern Soldaten sammeln. Sie haben Kanonen und Maschinengewehre und tragen die Kokarde mit dem Adler der Republik verkehrt. Abgeschossen. Stimmts? Sladek schweigt. Ich habe gehört, daß diese Soldaten siegreich nach Paris marschieren wollen, über die Leiche des eigenen Volkes.
SLADEK
Das geht dich nichts an!
FRANZ
Doch! Sogar sehr! – Sie nennen sich die schwarze Armee, weil sie nur als Geheimnis existieren können. Und der es verrät, der stirbt.
SLADEK