Staatsmann im Sturm. Hanspeter Born

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A = B = C.

      Pilet sieht keinen Unterschied zwischen den totalitären Ideologien wie Nationalsozialismus, Kommunismus und Faschismus. Diese Gleichsetzung, die er schon früher erwähnt hat, können überzeugte Linke und auch überzeugte Rechte, die zwischen den drei Ideologien einen Unterschied machen, nicht verstehen.

      L.F. Meyer schreibt in seinem Bericht weiter:

      Es scheint nun einmal Tatsache zu sein, dass 200 - 300 Millionen Einwohner von Europa den bürgerlichen Freiheitsstaat aufzugeben im Begriffe sind, um im totalitären Staat ihr Glück und Wohlergehen zu suchen.

      Pilet stimmt mit seinem Parteifreund in der theoretischen Zielsetzung überein, warnt aber vor Meyers konkretem Vorschlag mit der Randbemerkung: «Attention!»

      Der Schweiz scheint daher die Geschichte die hehre Aufgabe zugewiesen zu haben, den Konferenztisch zu zimmern, an dem sich die feindlichen Mächte treffen und an dem eine neue Ordnung für das unglückliche Europa geschaffen wird. Die Schwierigkeit liegt darin, den psychologisch richtigen Augenblick zu erfassen. Nicht zu früh, aber auch nicht zu spät. Unser Bundesrat hat, in Verbindung mit dem General, die geschichtliche Mission, die in Frage kommenden Staaten zu einer Konferenz zusammenzuführen.

      Zu diesem Vorschlag setzt Pilet, der die Geschichte der glücklosen Hoffmann-Friedensmission von 1917 kennt, nicht nur ein, sondern zwei grosse Fragezeichen. Der Bundesrat hat keine Lust, sich die Finger zu verbrennen.

      9. Der Novemberalarm

      Während L.F. Meyer in Berlin Gespräche führt, die für ihn und die Schweiz beruhigend sind, bleiben die Armeeleitung und das Politische Departement auf der Hut. An einer Sitzung mit der Generalstabsabteilung erfährt Nationalrat Feldmann am 9. Oktober, wie Nachrichtendienst-Chef Oberst Roger Masson die Lage beurteilt. Noch sei in Berlin «über die Art und Weise des weiteren Vorgehens an der Westfront» kein Beschluss gefasst worden.

      Im «Reichsrat» kämpften drei Auffassungen gegeneinander, die eine (Goebbels und Himmler) sei für den Durchbruch durch die Schweiz, eine zweite sei für die Umgehung der Maginotlinie durch Belgien und Holland, eine dritte plädiere für den frontalen Angriff gegen die Maginot-Linie. Die schweizerische Presse müsse alles vermeiden, was irgendwie zu einem der Schweiz nachteiligen Entschluss beitrage.

      Massons Einschätzung der Lage ist falsche Spekulation. Weder Goebbels noch Himmler «reden» von einem Durchmarsch durch die Schweiz, der «Reichsrat» hat nichts mehr zu sagen. Das Vorgehen Deutschlands an der Westfront hängt allein von Hitler und der Generalität ab. Was Hitler beabsichtigt, weiss man auch in England und Frankreich nicht.

      Der Schweizer Spionagechef ist über die Vorgänge in Deutschland schlecht informiert. In den Zwanzigerjahren, als man immer noch auf einen dauerhaften europäischen Frieden hoffte, glaubte man in der Schweiz auf einen Nachrichtendienst verzichten zu können. Erst nach dem Anschluss Österreichs sahen Bundesrat und Armeeleitung den Nutzen eines funktionierenden Geheimdiensts ein. Oberst Roger Masson wurde mit dem Ausbau der Sektion 5 des Generalstabs betraut. Seither bemüht er sich – nicht immer mit Erfolg – um eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung seines Nachrichtendiensts. Instruktionsoffizier Masson doziert Militärwissenschaft an der ETH Zürich und betreut als Chefredaktor die Revue Militaire Suisse. Pilet kennt und mag ihn. Masson war einst Leutnant in dem von Major Pilet kommandierten Bataillon.

      Masson vertraut dem Nachrichtenoffizier Hptm. Hausamann, der über langjährige Erfahrung in Militärfragen und gute Kontakte verfügt. Nicht so Massons Vorgesetzter Oberst Hans Frick. Der Unterstabschef Front schrieb schon Ende September Masson:

      Angesichts der dauernden Falschmeldungen, die das sogenannte Bureau Hausamann uns andauernd zukommen lässt, wie auch angesichts des wichtigtuerischen und aufgeregten Verhaltens von Hptm. Hausamann (Plakatanschlag an der Haustür) beauftrage ich Sie, das Bureau Teufen aufzuheben und Hptm. Hausamann seiner Aufgabe zu entheben, unter Versetzung ins Mannschaftsdepot. Sie wollen uns melden, bis wann diese Massnahmen durchgeführt sein können. Äusserster Termin ist der 5.10.39.

      Masson wollte nicht auf Hausamann verzichten. Er hat dessen Meldungen unbedingt nötig und versprach, sie künftig besser zu überprüfen. Frick liess sich umstimmen. Das Büro in Teufen wurde nicht geschlossen und Hausamann nicht versetzt.

      Inzwischen tut sich in Deutschland einiges. Am 16. Oktober erklärt Hitler dem Oberkommandierenden des Heers von Brauchitsch, er habe nun endgültig die Hoffnung aufgegeben, mit den Engländern und den Franzosen eine Verständigung zu erreichen. Er werde die Westmächte militärisch besiegen, vorher sei mit ihnen nicht zu verhandeln. Die Offensive müsse so früh wie möglich, zwischen dem 15. und 20. November, beginnen. Am 19. Oktober gibt Brauchitsch eine erste Aufmarschanweisung «Gelb» heraus. Ziel, «starke Teile des französischen Heers und seiner Verbündeten zu schlagen» und «möglichst viel holländischen, belgischen und nordfranzösischen Boden als Basis für eine Luft- und Seekriegsführung gegen England und als weites Vorfeld des Ruhrgebiets zu gewinnen». Kein Wort zur Schweiz.

      Am 24. Oktober besucht der aus Paris hergereiste Schweizer Gesandte Walter Stucki General Guisan im Schloss Gümligen. Dort hat der General eben das Hauptquartier für sich und seinen persönlichen Stab aufgeschlagen. Minister Stucki kommt mit beunruhigenden Nachrichten. In Frankreich sei man der Überzeugung, dass die Deutschen bald angreifen werden, voraussichtlich mit einem Zangenangriff durch Belgien und die Schweiz. Stucki schlägt vor, für den Fall eines deutschen Eindringens in die Schweiz, sofortige Vorbereitungen für eine französische Hilfe zu treffen. General Guisan verschweigt Stucki, dass er diesbezüglich vorgesorgt hat. Er hat den Nachrichtenoffizier Hptm. Bernard Barbey, einen in Paris lebenden Waadtländer Schriftsteller, mit der geheimen Mission beauftragt, direkte Verbindung zu der höchsten französischen Armeeführung aufzunehmen. Weil diese Geheimkontakte neutralitätspolitisch fragwürdig sind, hat Guisan nur vier Offiziere aus seinem persönlichen Umfeld und vielleicht noch Bundesrat Minger eingeweiht. Die andern sechs Bundesräte, den Generalstab inklusive Chef Labhart und nun auch Minister Stucki lässt der General im Dunkeln.

      Am Tag nach dem Gespräch mit dem Gesandten zitiert Guisan Generalstabschef Labhart, Nachrichtenchef Masson und Unterstabschef Front, Frick, zu sich nach Gümligen, um ihnen von Stuckis Warnung zu berichten. Selber schätzt Guisan die Lage als «bedrohlich» ein. Frick hingegen hält die Gefahr eines Grossangriffs von Deutschland gegen Frankreich für gering und Labhart sieht auch keine unmittelbare Bedrohung. Masson legt sich nicht fest.

      Am Sonntag, 3. November, schreibt Labhart eine Notiz:

      Die Mitteilung des Generals hat mich sehr beeindruckt, da die mir zu Kenntnis gelangten Nachrichten über deutsche Truppenbewegungen keine militärische Gefahr erkennen lassen. In der Besprechung mit dem General vertrat ich diese Auffassung und es wurde einzig die Rückberufung der Urlauber und die Erhöhung der Bereitschaft der Sprengobjekte verfügt.

      Einer von Massons Mitarbeitern, Major Charles Daniel, Leiter des Büros «Andere Länder», berichtet [rückblickend in einem Bericht vom Sommer 1945], wie am 3. November 1939 ein von der Zensur abgehörtes Gespräch zwischen dem Berliner NZZ-Korrespondenten Reto Caratsch und der Redaktion in Zürich für Aufregung gesorgt habe. Caratsch redete darin von einem unmittelbar bevorstehenden deutschen Angriff auf die Schweiz. Die Aussenposten des Nachrichtendienstes jedoch melden: «Nichts Neues».

      Am selben Sonntagabend, 3. November, erkundigt sich der Stabschef des 3. Armeekorps beim Pikettoffizier des Nachrichtendiensts, wieso sein Korps in Alarmzustand versetzt worden sei. Dieser gesteht, er wüsste nichts von einer derartigen Massnahme. Seines Wissens habe sich die militärische Lage an unserer Grenze in den letzten Tagen nicht grundlegend verändert. Grosse Verwirrung. Die von der Zensur abgefangene Meldung Caratsch war direkt an verschiedene

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