Der Tod in der Salzwiese. Sibyl Quinke

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Der Tod in der Salzwiese - Sibyl Quinke Krimi

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dich verzaubern, Charly, lass dich überraschen. Es wird schön. Nur wir zwei, kein Telefon, das dich plötzlich zu einer Leiche bestellt und wieder unserem Tangoabend in die Quere kommt.«

      Tango war ihrer beider Leidenschaft, der sie gerne nachgingen. Entweder im Café Tango oder im ADA, das waren ihre Lieblingsetablissements. Lilli war in diesen Lokalen eine Tanz­ikone geworden, so geschmeidig, wie sie ihrem Partner mit Tanzelementen folgte. Sehr zum Leidwesen einiger Tangueros tanzte sie nun bevorzugt mit ihrem Freund Charly, der zwar bei Weitem nicht das Niveau erlangt hatte, das zu ihr passte, der aber immer besser wurde, und sie hatten eine Gemeinsamkeit, der sie gerne frönten. So mancher gemeinsam geplante Tangoabend war wegen eines plötzlichen Einsatzes von Bresniak geplatzt. Gut, auf Juist würde das wegfallen. Auch das hatte Lilli eruiert. Auf dieser Insel gab es keinen Tangosalon, aber ein Urlaub ohne Tango war auch erholsam. Und die nächsten drei Wochen sollten nur ihnen alleine gehören.

      Bresniak, genannt Charly, hatte als Kommissar der Mordkommission bei einer seiner Ermittlungen, die ihn in das Wuppertaler Tango-Milieu geführt hatte, nicht nur den Tanz, sondern auch Lilli kennen- und lieben gelernt. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie zueinandergefunden hatten; zu viel Respekt voreinander stand ihnen im Weg. Aber dann hat Cupidos Pfeil sein Werk vollendet, und sie waren seit geraumer Zeit ein Paar – und nun auf dem Weg in den ersten gemeinsamen Urlaub. Von nichts und niemandem wollten sie ihre Pläne durchkreuzen lassen, kein Anruf sollte ihr Tete-à-Tete stören. Nicht umsonst kannte man die Insel als einen Aufenthaltsort ohne Fluchtmöglichkeit. Und sie wünschten sich Erholung pur, eine leichte Brise, Sonne, Luft, Ruhe zum Entspannen, alles ohne Hektik. Mit diesen Aussichten hatte Lilli ihren Freund dann doch überzeugen können, dass diese Nordseeinsel das richtige Urlaubsziel für sie sei, und dann das:

      Die reservierten Plätze gab es für die beiden tatsächlich – die letzten freien, die der Zug zu bieten hatte –, aber wo waren sie da gelandet? Es schien ein Party-Waggon zu sein. Laute Discomusik empfing die beiden, dazu eine Horde von jungen Männern mit einem Fässchen Bier auf dem einzigen Tisch, den der Großraumwagen zu bieten hatte. Erkennungszeichen: der Fake eines Panamahutes. Alles Typen, die, wenn man sie einzeln betrachten würde, einen ordentlichen Eindruck machten: Frisur von einem Star-Friseur gestylt, Hemden, deren Knöpfe mit kontrastierendem Faden angenäht waren, eher smarte Kerle, die man in Bankerkreisen vermuten würde. Dazwischen eine Mädelstruppe schon etwas fortgeschrittenen Alters, von denen eines immer wieder nach Sekt rief. Lilli sah, wie sich das Gesicht von Bresniak versteinerte. Seine Augen weiteten sich, er sog verstärkt Luft ein, was seine Nasenlöcher größer und weiter und seine Nase spitzer erscheinen ließ. Er presste den Mund zusammen, sodass die Lippen nur noch einen Strich formten. Und das Schlimmste: Er sagte nichts! Er setze sich in die Ecke, die ihm der Fensterplatz zuwies, und blickte stur in die Landschaft.

      Das kann ja gut werden, stöhnte Lilli innerlich auf, aber im Moment hatte sie keine Chance, irgendetwas an dieser zugegebenermaßen nervigen Situation zu ändern. Mit Bresniak war im Augenblick nicht zu reden; würde sie ihn ansprechen, würde alles nur noch viel schlimmer.

      »Nächster Halt … Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Vielen Dank, dass Sie mit der Deutschen Bundesbahn gefahren sind«, tönte es aus dem Lautsprecher. Bewegung kam in die Party-Truppe. Sollte das Spektakel ein Ende haben? Die Mädels hatten die Zugehörigkeit zu ihrer Clique mit pinkfarbenen T-Shirts gekennzeichnet. Auf Höhe der imaginären Brusttasche standen ihre Vornamen geschrieben. Besonders auffallend verhielt sich Gerlinde; sie rief ständig weiter nach Sekt, bis ihr eine Freundin einen Schubs verpasste:

      »Mach hinne, sonst verpasst du unseren Ausstieg, wir müssen unsere Fahrräder noch holen.«

      Lilli atmete tief durch, sollte die Zugfahrt doch noch ruhig und friedlich werden. Auch Bresniak schien einen erleichterten Atemzug auszustoßen. Seine Schultern entspannten sich, er rutschte etwas tiefer in den Sitz, nahm eine gelockerte Körperhaltung ein und bückte sich zu seinem Rucksack, den er im Fußraum vor sich platziert hatte, um sich ein Buch herauszuholen. Grölend verließen die Frauen den Waggon, doch dass ihnen die Männer folgen würden, darauf warteten Bresniak und Lilli vergebens. Sie hörten nur etwas von Norderney, und damit bestätigten sich ihre Befürchtungen, dass die Party-Truppe sie bis zur Endstation begleiten würde. Die Klaus Lage Band dröhnte mit ihrem Song Tausendmal berührt aus der Musikbox. Der Männerchor aus dem Zug fiel beim Refrain lauthals ein. Abgelöst wurde der Song von der Spider Murphy Gang mit Schickeria und dem Skandal um Rosi, unterbrochen von Sprachfetzen wie »du musst jetzt Bayer-Aktien kaufen …« oder über die Leitzinsänderung, die man nächste Woche erwartete, bestätigten die Annahme, dass es sich tatsächlich um Banker zu handeln schien.

      Alles Männer zwischen 30 und 35 Jahren, die sich nach genauerer Betrachtung als eine Truppe aus Düsseldorf entpuppten, die einem Junggesellenabschied auf Norderney entgegenfuhren. Bresniak packte sein Buch wieder ein. Eine beschauliche Bahnfahrt mit genüsslicher Lektüre schminkten er und Lilli sich gerade ab. Zunächst konnte sich der Bräutigam seiner sexuellen Bemerkungen enthalten. Doch dann setzte er ein Grinsen auf – am besten gefiel ihm sein Kommentar über Gerlinde, den er immer wieder wiederholte: »Die schraubt gleich ihren Sattel ab und fährt dann besonders vergnügt weiter.« Als niemand darüber lachen wollte, versuchte er es noch zweimal, ohne Erfolg. Nachdem auch andere Anzüglichkeiten ohne Resonanz blieben, wurde es überraschenderweise etwas ruhiger. Die Truppe grölte nicht mehr, doch die Musikbox blieb auf maximaler Lautstärke aufgedreht. Bresniak drehte sich wieder zum Fenster und stierte ins Grüne, und Lilli betete inständig, dass diese laute Katastrophe spätestens in Norddeich Mole ein Ende haben würde.

      Hatte es. Die Düsseldorfer schlugen nach der Ankunft, wie die meisten Fahrgäste, den Weg zum Fährhaus Norderney ein, Bresniak und Lilli bewegten sich gegen den Strom und folgten den Hinweisen, die sie zur Fähre nach Juist bringen sollten. Lilli steuerte direkt die Gepäckwaggons an. Es dauerte nicht lange, und sie stand mit Bresniak an der Mole. Die Tickets hielt sie in der Hand. Bresniak straffte die Schultern, reckte den Hals, atmete tief durch und legte einen Arm um Lillis Schultern.

      »Was für eine wunderbare Luft empfängt uns hier! Und ein blauer Himmel mit nur wenigen Wolken. Vielleicht wird es ja doch schön.«

      Lilli und Bresniak verweilten im Fährgebäude. Alles um sie herum war ruhig und sauber. Alles Deutsche, keine Menschen oder Familien mit südländischem Aussehen. Keine Gruppen, die von quirligen Kindern begleitet wurden und für Unruhe sorgten, auch keine blonden Hünen mit Bart und blauen Augen, wie man sich allgemein Schweden vorstellt. Kein Geplapper umgab die beiden, im Gegenteil, sie befanden sich zwischen Zeitgenossen, meist älteren Jahrgangs, die sich geduldig wartend auf eine der gepolsterten Sitzbänke niedergelassen hatten. Der ein oder andere packte seine Butterstullen aus, in Pergamentpapier eingewickelt, so wie es Bresniak seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte.

      Was für ein Unterschied zu Wuppertal! Weiter vorne passierte ein kleines Unglück. Zwei Personen stießen zusammen. Ein Becher knallte auf den Boden, und der Kaffee breitete sich in einer großen Pfütze aus. Es dauerte nicht lange, und alles war wieder aufgewischt, keine Flecken, keine feuchten Fußspuren, die sich in der Wartehalle verteilt hätten, alles eliminiert. Die Naturfliesen des Fußbodens zeigten sich, wie man die Nordküste allgemein vorfindet: ordentlich und sauber, da lag kein Bonbon-Papier oder Zigarettenstummel auf dem Boden. Lilli hörte etwas von einem Vorschiff, das eher ablegen sollte, und stupste Bresniak in die Seite:

      »Lass uns schon mal an Bord gehen, jetzt geht es schneller, als wir dachten.«

      Auf dem Schiff durchquerten sie den Salon, in dem sich bereits zahlreiche Gäste niedergelassen hatten. Das Wetter war gut, und so stiegen sie die Treppe hinauf auf das Hinterdeck und suchten sich auf einem der roten Bänke einen Platz an der Reling. Es wehte ein lauer Wind. Lilli freute sich auf die Überfahrt – so lange war es her, dass sie das letzte Mal auf einer Nordseeinsel war, und jetzt Juist!

      Bresniak war immer

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