Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning
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Читать онлайн книгу Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning страница 6
Voller Befremden beobachtete sie, wie die Barbarin sich auf die Knie niederließ und in ihrer Sprache ein Gebet murmelte, um dann, nachdem sie sich erhoben hatte, lange unter der Luke zu verharren. Sie hob die Arme und öffnete die Handflächen, als wollte sie das Mondlicht auffangen. So blieb sie stehen, während sich ihre Lippen in einem lautlosen Gebet bewegten. Nach einer Weile ließ sie die Arme sinken und verharrte eine Zeitlang mit gebeugtem Rücken, während Aelia sie heimlich beobachtete. Da fiel der Blick der Barbarin auf sie.
»Du nicht mehr Mädchen helfen«, zischte sie in ihrem schlechten Latein. »Wir sonst alle büßen.«
Ihre hellen Augen schimmerten im Mondlicht wie Eis. Aelia lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie erhob sich langsam von ihrem Lager. »Willst du mir drohen?«
Eghild rührte sich nicht. Schweigend stand sie da und starrte Aelia an. Da sie etwa gleich groß waren, konnten sie sich direkt in die Augen sehen.
»Mädchen dumm, muss Strafe haben. Wenn du ungehorsam, wir alle büßen.«
In Aelia stieg Wut auf. Sie wollte sich auf keinen Fall von Eghild belehren lassen. Nicht von einer Fränkin, deren Stammesgenossen ihre Stadt immer wieder überfallen, gebrandschatzt und geplündert hatten.
»Halt den Mund!«, knurrte sie und hob die Fäuste noch ein Stück höher. Sie wusste, dass die Barbarin ihr im Faustkampf unterlegen war und es nicht wagen würde, sie anzugreifen.
Eghild grinste. Ihre hellen Augen glitzerten im matten Licht, das durch die Luke hereinfiel, während Aelias dunkle Augen jede ihrer Bewegungen festhielten. Sie waren für einen Augenblick wie Licht und Schatten – ein heller und ein dunkler Typ, die sich in ihrem Gefängnis gegenüberstanden, bis Eghild eine abfällige Geste machte und sich auf ihre Pritsche warf.
Aelia zögerte noch eine Weile, ehe auch sie sich auf ihr Nachtlager niederließ. Noch lange danach lag sie wach und lauschte auf Eghilds Atemzüge. Kühle Luft, die nach Herbst roch, wehte herein, und fast schien es ihr, als könnte sie den Geruch der Mosella riechen, der vom Flusstal heraufwehte.
Es hatte einmal andere Tage gegeben, Tage, an denen sie an der Hand ihrer Mutter zum Hafen gegangen war. Silbern glänzte das Wasser, auf dem die Boote schaukelten, während die Sklaven Kiste um Kiste aus dem bauchigen Rumpf eines Handelsschiffes holten. Aelia konnte sich an einen kleinen Affen erinnern, der in einen Käfig aus Weidengeflecht gesperrt war. Nie zuvor hatte sie ein so drolliges Tier gesehen. Sie blieb stehen und starrte, der Affe hielt eine Weile still und sah sie an, dann kreischte er so laut, dass sie es mit der Angst bekam und zurückwich, bis ihre Mutter sie fortzog.
Ihre Mutter hatte auf ein Schiff gewartet, das nicht gekommen war, und sie waren den ganzen Heimweg in gedrückter Stimmung gewesen.
Aelia musste wieder an den Affen denken. Nie hätte sie damals gedacht, dass sie einmal eingesperrt sein würde wie er. Wie lange war sie nicht mehr am Hafen gewesen und hatte die Schiffe beobachtet! Sie war einmal ein ganz normales treverisches Kind gewesen, aber das war so lange her, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte. Sie seufzte leise und sah durch die Luke in den nächtlichen Himmel, wo die Wolken den Mond verdeckten, ehe sie endlich einschlief.
Kapitel 2
Am nächsten Morgen erschien völlig überraschend Dardanus in der alten Lagerhalle. Die Mädchen fuhren erschreckt zusammen, als die Tür laut hinter ihm ins Schloss knallte. Er kam nur selten, um den Kämpfen zuzusehen, und wenn er kam, hatte es meistens zu bedeuten, dass er ein Mädchen für einen Kampf auswählen wollte.
Sofort fielen die Mädchen vor ihm auf die Knie. Sie waren erhitzt, weil Sarus sie im Stockkampf unterrichtet hatte. Sarus liebte den Stockkampf. Er hatte diese in Treveris unbekannte Art zu kämpfen von einem Hunnen aus seiner Legion gelernt und war stolz darauf, wenn die Mädchen sie bei den Gastmählern vorführen durften. Der Stockkampf war bei den Zuschauern noch beliebter als der Messerwurf, den nur die älteren Mädchen, die schon Jahre bei Dardanus waren, beherrschten.
Die Mädchen pressten ihre Stirnen auf den Boden. Aelia fühlte ihren Herzschlag in den Schläfen pochen, als sie Dardanus erst leise mit Sarus sprechen und dann ihre Schritte hörte. Sie bemerkte, wie er kurz vor ihr innehielt, und für einen Augenblick fürchtete sie, dass er sie für ihren Ungehorsam von gestern bestrafen würde.
Nur nicht rühren, ganz still bleiben.
»Stickig ist es hier, guter Sarus«, hörte sie Dardanus sagen. »Willst du, dass sie ohnmächtig werden?«
»Sie müssen lernen, das auszuhalten«, antwortete Sarus ungerührt.
»Ja, ja, ich kenne deine Meinung, mein Lieber«, erwiderte Dardanus. »Im Winter lässt du sie wieder auf dem Hof üben, bis sie krank werden.«
»Wenn ihre Leiber sich erst an den Wechsel gewöhnt haben, werden sie nicht mehr krank.«
»Ja, ja.« Dardanus fächelte sich mit einer Hand Luft zu. »Aber nun wirst du so freundlich sein und frische Luft hereinlassen, ja? Sonst ersticke ich noch.«
Aelia hörte, wie Sarus zur Tür ging und sie öffnete. Sofort strömte frische Luft herein. Sie atmete auf, aber nun wurde ihr kalt.
Der Hausherr klatschte in die Hände. »Erhebt euch!«
Langsam standen die Mädchen auf, während sie ihre Stöcke vor sich auf dem Boden liegen ließen.
Dardanus war klein und rund, mit einem kahlen Kopf, der von einem Kranz dunkler Haare umgeben wurde. In seinem blassen Gesicht lagen dunkle Augen, mit denen er lebhaft umherblickte. Über seiner Tunika aus schlichtem Leinen trug er – obwohl es erst Herbst war – einen Umhang aus Kaninchenfell.
Aelia hörte ihn näher kommen, als er die Reihe der Mädchen abschritt.
Sie würde ihm keinen Anlass zu einer Strafe geben. Ihr Gewand saß tadellos, und sie bewegte sich keinen Fingerbreit. Sie heftete ihren Blick auf den Boden und sah, wie die Stiefel des Händlers vor ihr stehen blieben. Die Wolke eines aufdringlichen Parfumöls umgab ihn.
»Wie ich gehört habe, hat es gestern Verletzte gegeben«, sagte er.
»Eine der Kleineren musste zur Köchin gebracht werden, Herr«, beeilte sich Sarus zu erklären. »Aber sie war nur überanstrengt. Nun sind alle wieder vollständig.«
Aelia spürte, wie Dardanus sie musterte.
»Mein lieber Sarus, ich bin mir sicher, du weißt, was du tust. Die Mädchen wissen es bestimmt zu schätzen, dass du ihnen so viel beibringst und dass sie in meinem Haus ein Leben haben, um das sie jedes Straßenkind beneiden würde. Immer mehr Kinder lungern in der Stadt herum. Ein furchtbarer Zustand ist das! Kaiser Gratian würde in Trübsinn verfallen, wenn er wüsste, was aus seiner alten Residenzstadt geworden ist.«
Er streckte eine Hand aus, hob mit zwei Fingern Aelias Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Es gibt Kinderbanden, die alles nehmen und essen, was ihnen in die Finger kommt. Sie lungern am Hafen herum, bestehlen Reisende, rauben Sklaven ihre Einkäufe. Aber die Soldaten greifen jetzt durch. Seitdem verschwindet das Gesindel in den Verliesen der Stadt und taucht nie wieder auf.«
Aelia