Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning

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Aelia, die Kämpferin - Marion Johanning

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Herr.«

      »In manch einer schlaflosen Nacht fürchtete ich schon, die Schule aufgeben zu müssen«, fuhr Dardanus fort. »Alles muss sich natürlich lohnen, sonst ist es zwecklos. Die Vorliebe der Zuschauer für ­unsere Schaukämpfe scheint nachgelassen zu haben. Wenn sie sich also nicht anstrengen, Sarus, könnte ich mich gezwungen sehen, mich von ihnen zu trennen.«

      Einen Wimpernschlag lang bohrte sich sein Blick in Alias Gesicht, dann ließ er ihr Kinn los und wandte sich ab.

      Aelia blieb zitternd zurück, mit einem Herzen, das sich nur langsam beruhigte. Sie hatte die Drohung des Händlers verstanden. Ab sofort durfte sie sich nicht den kleinsten Ungehorsam mehr leisten, auch wenn es ihr noch so schwer fiel. Es könnte Dardanus einfallen, sie zu verkaufen, und nur der Himmel wusste, was sie dann erwartete. Wenn er auf den Gedanken käme, die ganze Schule aufzulösen, dann würden sie womöglich alle wieder zu Straßenkindern. Das durfte nicht geschehen. Nie mehr wollte sie auf der Straße leben.

      Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Dardanus vor Verina stehen blieb, die neben ihr wartete.

      »Sie sehen alle etwas überanstrengt aus, guter Sarus.«

      »Gewiss, Herr, ich schone sie nicht. Je besser sie sind, desto besser ist es für die Ehre dieses Hauses.«

      »Ja, ja.« Dardanus ließ Verina stehen und wandte sich an den ­Lehrer.

      »Übertreibe es nicht. Die Zuschauer wollen hübsche Mädchen ­sehen, keine ausgezehrten Vogelscheuchen.« Er hob die Hand. »Nun will ich sie sehen. Lass sie kämpfen.«

      Sarus nickte und stellte sich vor die Mädchen. Er hob seinen Stock und teilte sie damit in Paare ein. »Weitermachen!«, befahl er.

      Die Erleichterung durchströmte Aelia. Sie war noch einmal davongekommen, es würde keine Strafe folgen. Offenbar ließ es der Händler bei seiner Drohung bewenden.

      Sie verneigte sich vor Verina, die ihr als Gegnerin zugeteilt worden war. Ausgerechnet sie. Mitleid durchfuhr Aelia, als sie in das bleiche Gesicht der anderen sah, das immer noch gezeichnet war von den Anstrengungen des Vortages. Da sie beide im selben Jahr zu Dardanus gekommen waren, hätte Verina ebenso gut sein müssen wie sie, aber sie war es nicht. Sie war behäbiger als Aelia, und ihre Angriffe waren so vorhersehbar wie ihre Verteidigung langsam. Verina war eindeutig nicht für das Kämpfen geboren.

      Beide setzten ihre ausdruckslosen Mienen auf, als sie einander umkreisten. Sie kannten sich mittlerweile so gut, dass sie an den Mienen voneinander ablesen konnten, was die andere dachte, und das war bei einem Kampf nur hinderlich. Aelia hob ihre Hand, die den Stock hielt, während sie den anderen Arm schützend vor ihren Oberkörper hielt. Verina tat dasselbe. Eine Weile zögerten sie, während die ­Stöcke der anderen schon laut aufeinander krachten.

      Ein Gedanke stürzte durch Aelias Kopf. Wenn Dardanus jemanden für den nächsten echten Kampf suchte, durfte sie Verina nicht gewinnen lassen, weil er immer nur eine Gewinnerin nahm. Sie wollte nicht, dass er Verina womöglich in einen echten Kampf schickte. Es dürfte nicht schwierig sein, die Freundin zu besiegen, es wäre nicht das erste Mal. Aber sie hatte nicht mit ihrer Freundin gerechnet.

      Verina holte aus und traf Aelias Stab mit solcher Wucht, dass diese froh war, ihn gerade noch rechtzeitig gehoben zu haben. Sie warf Verina einen verwunderten Blick zu, als diese auch schon ihre ­nächsten Hiebe folgen ließ – ein Feuerwerk an kräftigen Stockschlägen, die Aelia nur mit Mühe parieren konnte.

      Keuchend wich Aelia zurück, um sich einen Augenblick Ruhe zu verschaffen, als Verina ihr auch schon nachsetzte und sie erneut mit Schlägen bedrängte. Auf ihr rundliches, sonst so gutmütiges Gesicht hatte sich ein Ausdruck von Entschlossenheit gelegt, den Aelia bisher nur zwei- oder dreimal an ihr gesehen hatte, als Verina die kleineren Mädchen vor Sarus’ Schikanen gerettet hatte.

      Aelia spürte, wie ihr heiß wurde. Sie hatte Verina während eines Kampfes noch nie so erlebt. Sie zögerte. Sie fühlte, dass Sarus sie beobachtete. Weil sie einen Augenblick unaufmerksam war, gelang es Verina, sie mit ihrer Waffe am Arm zu treffen.

      Sie schrie auf. Der Stock glitt ihr aus der Hand und rollte über den Fußboden.

      »Aelia, verdammt!«, schimpfte Sarus. Dann ging er zu Verina und hob ihren Arm in die Höhe, um sie als Siegerin zu präsentieren. ­Verina lächelte. Dardanus ging zu ihr und musterte sie lange. »Sie ist hübsch geworden, Sarus«, meinte er schließlich. »Und offenbar besser im Kampf. Vielleicht sollten wir uns diesmal für sie entscheiden. Was meinst du?«

      Verina als hübsch zu bezeichnen, war reine Schmeichelei, das wussten alle, auch Verina selbst. Aber dennoch errötete sie, als Dardanus sie lobte.

      Sarus runzelte die Stirn. »Gewiss könnten wir sie nehmen«, sagte er in einem Tonfall, der nicht verriet, was er dachte.

      Der Händler lachte und klopfte Sarus auf die Schulter. »Schön, Mädchen. Kämpft weiter.«

      Mit diesen Worten verließ er die Halle und schloss die Tür hinter sich. Aelia blieb bestürzt zurück.

      *

      »Das hast du mit Absicht getan«, fuhr Aelia Verina an, als sie sich an jenem Abend auf dem Innenhof trafen. Verina stritt es nicht einmal ab. »Vielleicht wird es ja nur ein Schaukampf«, beschwichtigte sie.

      »Und wenn nicht?«

      »Dann werde ich das erste Mal einen echten Kampf haben.«

      Aelia atmete tief, um ruhig zu bleiben. Zum ersten Mal fühlte sie Wut auf die Freundin. »Du weißt nicht, wie das ist«, versetzte sie kalt.

      »Glaubst du, es wäre besser gewesen, wenn du ausgewählt worden wärst? Bist du so versessen auf die Kämpfe?«

      Aelia schüttelte den Kopf. »Wir hätten den Kampf so lange hin­halten können, bis eine andere gesiegt hätte, Eghild oder Marcia. Aber du musstest dich ja hervortun.«

      »Das habe ich getan, um dich zu schützen! Sonst hätte der Herr bestimmt wieder dich genommen, das weißt du genau!«

      Verina sah nun auch wütend aus, was sehr ungewöhnlich für sie war. Dabei hatte sie Recht – wenn sie Aelia nicht besiegt hätte, wäre Dardanus’ Wahl sicher wieder auf Aelia gefallen, wie bei den meisten Kämpfen. Aber nun war alles noch schlimmer. Nicht auszudenken, wenn Verina etwas bei dem Kampf zustoßen würde.

      Diese Sorge quälte Aelia noch die ganze Nacht. Sie wurde auch nicht besser, als Dardanus den Tag des nächsten Kampfes bekannt gab: Zu Neumond, einen Tag vor den Kalenden des November, ­würde jemand ein Gastmahl in der Stadt geben, dazu würde ein Schaukampf stattfinden. Man wollte den dunklen Mächten trotzen, indem man sich den Beginn des Winters mit Wein und Gesang versüßte. Es würde ein großes Festessen mit vielen Gästen sein, zu dem auch Schauspieler und Sänger geladen waren. Der Schaukampf würde Teil eines Theaterstücks sein, das an jenem Abend aufgeführt werden sollte.

      Verina gab sich mit Eifer den zusätzlichen Übungen hin, die Sarus nun jeden Tag von ihr verlangte. Am Abend der Neumondnacht ­wurde sie in ein Seidengewand gehüllt. Es hatte die Farbe einer dunklen Tanne, war an den Säumen mit goldenen Bordüren besetzt und passte ausgezeichnet zu ihrer blonden Perücke, die der Gastgeber hatte schicken lassen.

      Voller Unbehagen beobachtete Aelia, wie Hilarius die Pferde vor den Reisewagen spannte und Verina von Dardanus und Sarus zum Wagen begleitet wurde. Mit der

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